
Wien. Es liegt wie ein großes leuchtendes Schiff am Donaukanal. Das Flex. Aus ganz Europa pilgern sie hierher. In den Club mit den Betonböden und dem billigen Bier. Hinter diesen Wänden stecken mehr als der herkömmliche Tanzschweiß und Musik. Hinter diesen Wänden wurden die ersten Küsse getauscht, die ersten Joints geraucht und die ersten Razzien überstanden.
Diesen Sommer wird wieder eine neue Generation Heranwachsender das Flex als radikalen Garten Eden der Erwachsenenwelt mit all ihrer musikalischen Sinnlichkeit, ihren rauschigen Versprechen und ihrer ernüchternder Wirklichkeit entdecken. Sie werden wie eh und je ihre Eltern und die Türsteher anlügen, um einen Abend in den schlauchartigen Räumen verbringen zu können, um Wiens Partyvolk zu bestaunen und um stolz den ersten Bierrausch zu durchwanken. Wenn dann die Sonne aufgeht, die Bierbecher herumliegen, die Übriggebliebenen lallend an der Mauer lehnen, die U-Bahntrasse fast leer vor ihnen und die Nacht hinter ihnen liegt und die Augen brennen, dann kommt das heroische Gefühl in ihnen hoch, richtig gelebt zu haben.
So wie ihre Eltern damals, 1989, als das Flex am 31. Dezember zum ersten Mal seine Pforten geöffnet hat. Nicht am Donaukanal wurde damals gefeiert, sondern in der Arndtstraße im 12. Bezirk. Thomas Eller erinnert sich genau an die kalte Winternacht. "Die Toiletten waren noch nicht fertig und hunderte Gäste haben die Arndtstraße vollgepinkelt", erzählt Eller, "das war der Einstand, die Reviermarkierung, wenn man so will. In der Nacht hatten wir dann gleich unseren ersten Polizeieinsatz, eine Großrazzia mit einem Dutzend Beamte - auch das war eine Art Reviermarkierung." Der 46-jährige Innsbrucker ist die graue Eminenz des Clubs. Er hat das Flex aus der Wiege gehoben. Eine einzige Baustelle mit fluoreszierender Wandbemalung und mieser Anlage war es anfangs. Die Stimmung war sicher nicht mies. Hier gab es, wovon es in Wien damals viel zu wenig gab: Undergroundkultur - allen voran Punk.
Ursprung in der Hausbesetzerszene
Kein Wunder, hatte doch das originale Flex seine Ursprünge in der Hausbesetzerszene in der Aegidigasse, wo der heutige Flex-Chef Eller bereits als zentrale Figur operierte. Nach dem Abriss des Hauses in der Aegidigasse wechselte Eller mit ein paar Leuten in eine Wohngemeinschaft. Bald darauf wurde das Flex eröffnet. Parallel gründete die erste Flex-Generation auch den Piratensender "Boiler Live Pool". Damit hatte man nicht nur einen Konzertraum, sondern auch sein eigenes Medium um die Musik unter die Leute zu bringen. Das Flex als Experimentierort, wo nicht nur Musik gespielt, sondern geschaffen wurde. Selbstbestimmt. Autonom. Anarchisch. Eine Legende war geboren. "Als das Flex eröffnete, war das unglaublich. Plötzlich sollte auch in Wien etwas möglich sein? Wir bekamen einen richtig ernstzunehmenden Nachtclub, der noch dazu im Underground gegründet worden war", sagt Georg Travnicek, ein DJ der Anfangsära.