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Des einen Freud, des anderen Leid

Von Bernd Vasari und Ina Weber

Politik

Der neue WU-Campus erhält Supermarkt und Bäckerei - die Konditorei im Stuwerviertel muss zusperren.


Wien. Im Beisein von Bundespräsident Heinz Fischer, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) und EU-Kommissar Johannes Hahn wurde am Freitag der neue Campus der Wirtschaftsuniversität (WU) offiziell eröffnet. Nach vier Jahren Bauzeit werden hier in Zukunft bis zu 26.000 Studierende Platz finden. Die Eröffnung des Prestigeprojekts, das 492 Millionen Euro kostete, nahm Fischer zum Anlass, um die zukünftige Regierung in die Pflicht zu nehmen: Er fordert eine klare Handschrift, die dem Thema Wissenschafts- und Bildungspolitik gerecht wird.

Rapidfans im Campus

Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) hob die Offenheit des neuen Campus-Geländes - das nicht umzäunt ist - hervor. So seien nach einem Spiel im naheliegenden Ernst-Happel-Stadion am Donnerstag Rapidfans durch die Uni gezogen, erzählt sie. Brauner zeigt sich erfreut: "Das ist gut so und zeigt, dass die WU kein Elfenbeinturm ist." Ob die Mehrheit der WU-Studierenden darüber auch erfreut ist, wenn Horden von grölenden Fußballfans durch ihren Campus taumeln, darf allerdings bezweifelt werden.

WU-Rektor Christoph Badelt stellte bei der Eröffnung das neue Motto "Rethinking Economy" (Wirtschaft überdenken, Anm.) vor. Die WU wolle ihre Rolle in diesem Staat und in der Wissenschaft neu definieren und werde ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft viel ernster nehmen, meinte Badelt kryptisch. Schwierige Fragen wurden an diesem Vormittag jedenfalls nicht beantwortet. Viel mehr stand das Feiern im Vordergrund.

Ob auch die angrenzende Wohngegend rund um den Campus demnächst etwas zu feiern hat, bleibt abzuwarten. Wird das Stuwerviertel, das an das Messegelände und den neuen WU-Campus grenzt, wirtschaftlich aufgewertet werden? Die Unternehmer vor Ort zeigen sich bei einem Lokalaugenschein nüchtern. "Der große Run wird nicht stattfinden", sagt Wolfgang Keck-Rauber vom Verein Einkaufsstraßen im Stuwerviertel. Die WU als der große Heilbringer, wie die Politiker das sehen, "davon merken wir nichts", sagt er. Die Wirtschafts-Studenten seien auch gar nicht die Zielgruppe des Viertels. "Der Student hat in seinem Campus alles, was er braucht, und mit der U-Bahn ist er in ein paar Minuten in der Innenstadt. Warum sollte er über die Ausstellungsstraße in unser Viertel kommen", so Keck-Rauber. Eines habe sich aber schon geändert, der Wohnungsmarkt. Spekulationen seien eingezogen und die Preise so hoch, dass sie für einen Studenten auch nicht mehr leistbar seien.

Aus dem Stuwerviertel wird wohl nicht so schnell ein Studentenviertel werden. "Der eine oder andere wird von der Universität profitieren, ja, aber dass sich das Stuwerviertel extrem verbessert, glaube ich nicht", meint Roman Schwarzenecker von der Beratungsfirma "Standort+Markt". Einen Auftrieb könnte es allerdings für die ortsansässigen Lokale geben. "Studenten gehen gerne fort", sagt er. Auch das Stadioncenter werde profitieren. Der Rest wohl eher nicht.

Sterben rund um alte WU

Während in der Leopoldstadt wirtschaftlich dezente Aufbruchstimmung herrscht, blicken die Unternehmer beim alten WU-Gebäude am Alsergrund in eine unsichere Zukunft.

Das Zuckerlgeschäft ums Eck wird es nicht mehr lange geben. Auch der Copyshop oder andere Nahversorger werden sterben. Die Prognose von Gerold Hornek, Obmann des Wirtschaftsbundes Alsergrund für das Gelände Franz-Josefs-Bahnhof fällt düster aus. "Wirtschaftlich geht es für uns nicht so gut weiter", so Hornek, "ich kann den Studenten nicht ersetzen."

Nach dem Umzug der Wirtschaftsuniversität in den 2. Bezirk steht das alte Universitätszentrum Althanstraße im 9. Bezirk fast leer. Bis auf Seminare der Uni Wien sind die WU-Studenten von heute auf morgen verschwunden. Ob der Verlust Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben wird, könne Hornek noch nicht sagen. Immerhin wurden viele Wohnungen als Studenten-WGs genutzt.

Ab dem Sommer 2014 soll die Akademie der Bildenden Künste vorübergehend in den alten WU-Standort einziehen. Mit der Universität für Angewandte Kunst gibt es Gespräche. Das Parlament hat bereits eine Absichtserklärung unterschrieben, die alte WU als Ausweichquartier während einer Sanierung verwenden zu wollen. Für Bezirksvorsteherin Martina Malyar ist das aber zu wenig. Sie fordert eine Bürgerbefragung zum Thema WU-Nachfolge. Das Gelände des Franz-Josefs-Bahnhofs mache acht Prozent des gesamten Bezirks Alsergrund aus. Das Areal sei ein Riegel, der das dicht besiedelte Wohngebiet Lichtental vom Naherholungsgebiet Donaukanal baulich trennt. Diese Barriere muss laut Malyar zukünftig durchbrochen werden, wie es der Wiener Stadtentwicklungsplan vorgibt. Die Widmung eines Gebietes dieser Größe ausschließlich für Bildung und Arbeit sei unzeitgemäß.

Lösung für Alsergrund

Die Alsergrunder Bezirksvorsteherin hat dieser Tage einen überparteilichen Bürger-Rat einberufen. Er soll den Bewohnern Gelegenheit geben, persönliche Überlegungen und Ideen zur Aufwertung der Alserbachstraße einzubringen. Auch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und der Grundeigentümer ÖBB denken über einen langfristigen Plan für die Entwicklung dieses Gebietes nach. Bis es allerdings eine Lösung für das alte Uni-Zentrum gibt, können nur Studenten und Parlamentarier dafür sorgen, dass das Zuckerlgeschäft ums Eck wieder aufsperrt.