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Was kostet uns die Sucht?

Von Stephanie Schüller

Politik

Dem Staat bleiben angeblich 1,5 Milliarden Euro.


Wien. Wien hat ein Alkoholproblem. Das ergab die aktuelle "Suchtmittel Monitoring Studie" des Instituts für Empirische Sozialforschung (Ifes), die "Wiener Zeitung" hat darüber berichtet: Die Frequenz des Alkoholkonsums der Wiener hat sich laut dieser Studie in den letzten Jahren erhöht. 35 Prozent der Wiener trinken zwei bis drei Mal pro Woche Alkohol. Die völlig Abstinenten belaufen sich auf 22 Prozent. Der Anteil der Alkoholabhängigen an der gesamten österreichischen Bevölkerung liege laut Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely bei fünf Prozent.

Neue Untersuchung

Diesen Zahlen schenkt der Marktanalyst Andreas Kreutzer keinen Glauben: "Die offizielle Zahl Alkoholkranker in Österreich ist fünf Prozent, heißt es. Wenn man sich die Untersuchungen anschaut, aus der diese Zahl kommt, dann stellt man fest, dass die Fallzahl aus der hochgerechnet wird, nur eine Anzahl von 50 Personen ist. 50 Personen rechnen wir auf die österreichische Bevölkerung um. Die Zahl der Glückspielsüchtigen in Österreich wird von 40 Personen hochgerechnet. Die Einführung einer neuen Geschmacksrichtung bei einem Fruchtjoghurt ist im Regelfall statistisch besser abgesichert", klagt Kreutzer über die aktuelle Datenlage.

Die finanziellen Mittel für Suchtforschung und Prävention seien aber seiner Meinung nach durchaus vorhanden. Gemeinsam mit Suchtforscherin Gabriele Fischer hat er in einer neuen Untersuchung die Folgekosten von Alkohol-, Tabak-, Drogen- und Glücksspielsucht den Einnahmen des Staates durch Steuern und Abgaben gegenübergestellt. Die neuen Ergebnisse beruhen dabei vor allem auf einer Auswertung früherer Studien und Schätzungen. Was den Alkoholmissbrauch betrifft, stehen 255 Millionen Euro Folgekosten Einnahmen von 385 Millionen Euro aus Alkohol- und Mehrwertsteuer gegenüber. Das ergibt ein Saldo von 130 Millionen Euro. Soziale Folgekosten schließen medizinische Ausgaben, soziale Ausgaben, staatliche Kosten sowie den Produktivitätsverlust mit ein. Für Tabak nehme der Staat 1,587 Milliarden Euro ein, wobei der neuen Untersuchung zufolge nur 234 Millionen Euro Folgekosten durch Tabakkonsum entstehen.

1,5 Milliarden plus?

Werden Drogen und das Glücksspiel dazugerechnet, kommen Kreutzer und Fischer auf jährlich 2,2 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat. Dem gegenüber stünden 777 Millionen Euro an Ausgaben, welche die Folgekosten darstellen. "Die Kosten sind nur ein Drittel der Einnahmen. Der Saldo ist positiv mit 1,5 Milliarden Euro. Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist das eine gute Nachricht. Was ich in dem Zusammenhang aber nicht verstehe, ist, dass man, wenn etwas übrig bleibt, nicht die Mittel hat, um für die Suchtforschung, für die Prävention und die Therapie die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen", meint Kreutzer.

Kritik von der Stadt Wien

Diesen Ergebnissen kann Eva-Maria Wimmer, Pressesprecherin der Sucht- und Drogenkoordination Wien (SDW), nichts abgewinnen: "Was Frau Professor Fischer bei der Pressekonferenz präsentiert hat, ist für die SDW nicht nachvollziehbar, auch weil in den Presseunterlagen die Quellenangaben nur rudimentär vorhanden sind. Es wurde angekündigt, dass die gesamte Studie in zwei Wochen veröffentlicht wird. Sobald uns diese vorliegt, können wir uns damit auseinandersetzen." Zu dem von Kreutzer angesprochenen Studien betonte Wimmer, dass es sich beim Suchtmittel-Monitoring um eine repräsentative Erhebung auf höchst wissenschaftlichem Niveau handle.

Parallelstrukturen

Neben den fehlenden Mitteln für die Suchtprävention kritisierten Fischer und Kreutz bei einer Pressekonferenz am Dienstag nämlich auch die Strukturen der SDW: "Es sind viele Parallelstrukturen, wo das entsprechende wissenschaftliche Know-how umgesetzt und integriert gehört. Eine Sucht- und Drogenkoordination ist für strategische, nicht operative Bereiche zuständig. Niemand lässt sich gerne etwas wegnehmen, aber das gehört in den psychiatrischen Bereich. Wir können nicht sagen, dass wir in Wien einen psychosozialen Dienst haben, der die psychiatrischen Erkrankungen behandelt und dann haben wir irgendwo eine Sucht- und Drogenkoordination, die im operativen Bereich Gelder vergibt und entscheidet, wer behandelt werden darf. Das ist völlig absurd und auch ein Nachteil für die Patienten und es kostet die Gesellschaft sehr viel", so Fischer.

Wimmer hingegen spricht von "effizienter und effektiver" Leistungserbringung, die nicht als Parallelstruktur zu verstehen sei. Mit der Wiener Sucht- und Drogenstrategie sei in den vergangenen Jahren ein sehr erfolgreiches Behandlungs- und Betreuungssystem aufgebaut worden, mit dem es gelungen sei, suchtkranke Menschen zu integrieren anstatt lediglich zu verdrängen.