
Wien. "Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige, das sich regt auf der Erde", heißt es im Buch Genesis. Bibelunkundige könnten diese Passage als Aufforderung zur Unterjochung der Welt missverstehen - inklusive aller Umweltsünden. In den heimischen Gotteshäusern orientiert man sich seit geraumer Zeit lieber an einer anderen Passage der Bibel ein Kapitel weiter: "Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte."
Spätestens als Papst Franziskus bei seiner Einführungsmesse auf dem Petersplatz in Rom die Menschen dazu aufrief, die Schöpfung zu behüten und bewahren, haben auch seine letzten Schäfchen verstanden: Gott will es grün. Grün ist chic. Überall. Im Restaurant beim Bio-Omelett auf den Fair-Trade-Stühlen. Zu Hause unter der recycelten Fleece-Decke im Passivhaus. Und nun auch in der Kirche. Nur heißt es hier nicht Umweltbewusstsein, Umweltschutz oder Öko-Trend, sondern "Schöpfungsverantwortung." Und oberster Schöpfungsverantwortlicher in Wien ist Markus Gerhartinger. Seit einem Jahr ist er Umweltbeauftragter der Erzdiözese Wien. Mit dem neuen Papst ist einiges in Schwung gekommen in den 660 Pfarren, die der Erzdiözese Wien unterstehen, bemerkt er. Plötzlich überlegen sich die Pfarren, ob es tatsächlich sinnvoll ist, eine Pfarre jeden Tag lang zu beheizen, wenn sie nur einmal pro Woche besucht wird? Ist es vielleicht nicht doch klüger, zum Pfarrfest einen regionalen Biowein zu kredenzen, anstatt des Fusels aus dem Supermarkt?
Seit zwei Jahren vergibt die Erzdiözese Wien gemeinsam mit der Erzdiözese St. Pölten den Umweltpreis für besonders umweltbewusste Pfarren. Dieses Jahr wurde das Franziskanerkloster in Maria Enzersdorf und die Pfarre Großriedenthal im Weinviertel mit dem Preis ausgezeichnet.
"Das sind die absoluten Pionierpfarren", sagt Gerhartinger. So haben die Franziskaner in Maria Enzersdorf eine eigene Solaranlage für die Warmwassererzeugung und eine Photovoltaikanlage, die bald erweitert werden soll. Außerdem sind die Räumlichkeiten der Pfarre und des Klosters wärmeisoliert und die Bewässerung des Gartens sowie das Wasser, das zum Waschen, Duschen und für die WC-Anlagen verwendet wird, kommt aus dem hauseigenen Klosterbrunnen.
Ökoaktivismus als Lockmittel der Kirche?
Im August haben sich die frommen Männer auch ein Elektroauto zugelegt. Bis dato waren sie zu Fuß oder mit ihrem Elektro-Fahrrad unterwegs, nun wollen sie längere Strecken und Transporte umweltfreundlich zurücklegen. Mittlerweile hat sich bereits ein Nachahmer in der Gemeinde gefunden, berichtet Pater Thomas Lackner von den Franziskanern in Maria Enzersdorf stolz.
Auch in der Pfarre Großriedenthal nimmt man den päpstlichen Auftrag zur Schöpfungsverantwortung ernst. Zu Pfarrfesten wird kein Einweggeschirr verwendet und aufgetischt werden dabei regionale Produkte und Fair-Trade-Ware. Außerdem hat man zwei Ölheizungen der Pfarre gegen eine Hackschnitzelheizung eingetauscht.
Für Umweltbeauftragen Gerhartinger sind die Preisträger "Vorreiter." Doch handelt es sich bei ihnen nicht um Einzelfälle: "Ich werde von immer mehr Pfarren angefragt, sie zu unterstützen", sagt er. Mittlerweile gönnen sich viele Pfarren einen Umweltbeauftragten in ihren eigenen Reihen. So hat ein Drittel der Pfarren der Erzdiözese Wien einen Öko-Experten im Pfarrgemeinderat sitzen, schätzt Gerhartinger.
Wer sich die Homepage des Umweltbüros der Erzdiözese Wien ansieht, wird kaum einen Unterschied bemerken zu säkularen Ökoaktivisten. Man ruft zur Bio-Jause, wirbt für Wärmedichtung, macht mobil gegen Atomkraft und ruft auf zum "Autofasten". Seit acht Jahren gibt es nun die Initiative. Von Aschermittwoch bis Karsamstag werden Kirchgeher angehalten, ihr Auto, der Schöpfung willen, zu Hause zu lassen. Vergangenes Jahr haben sich österreichweit 15.000 Männer und Frauen dazu bereit erklärt, 4000 kamen aus Wien und Niederösterreich.
In der Kirche hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Umweltschutz ist wichtig - und vor allem angesagt. Ist die neue Ökoschiene ein Mittel zum Zweck? Versucht die Kirche mit einem neuen Öko-Aktivismus verprellte Lämmer wieder in ihre Reihen zu locken?
"Ich mache das nicht, damit die Kirche wieder mehr Mitglieder hat. Das ist ein positiver Nebeneffekt", erklärt Markus Gerhartinger. Für ihn ist Umweltschutz mehr: "Ich sehe es als biblischen Auftrag."