Sieben Meter lang ist Stögers Hütte. Sie liegt nahe dem großen Christbaum in der Mitte des Platzes. Gütig gewährt sie dem Weihnachtsmuffel Asyl in ihrer kleinen Oase. Das Drängen hat ein Ende. Der Lärm auch. Und das Herz schlägt wieder im Normaltempo. Plötzlich gibt es nur noch diese sieben Meter. Durch den Weihnachtsschmuck, der von der Decke hängt, ist das Blickfeld auf einen schmalen Streifen reduziert. Aus der sicheren Ferne wirkt die Masse nicht mehr bedrohlich. Der Weihnachtsmob bekommt plötzlich ein Gesicht. Es ist jenes alter Frauen, die stundenlang über den Kauf eines kunstvoll geschmückten Tannenzapfens debattieren können, und das von frechen Burschen, die sich von ihrem Rudel entfernen, um unbemerkt doch noch für Mama die kitschige Kerze kaufen zu können.
Stöger kennt sie alle. Und sie kennt ihren Rhythmus, weiß, wer seine Runden dreht und am Ende doch wieder bei ihr landet. Am Vormittag kommen die Schulklassen und die Einheimischen. Am Nachmittag die Touristen. Früher waren es die Italiener und die Amerikaner, als sie noch Geld hatten. Heute sind es vor allem die Russen. Diese erkennt Stöger, noch bevor sie den Mund aufmachen. Es sind die feinen Pelzmäntel, die sie tragen. So elegant, figurbetont und damenhaft. Und wie sie die Ware begutachten. Da wird nicht lange "sondiert", sondern gleich zugeschlagen, sobald ein Stück gefällt.
Ruhig packt Stöger die ausgesuchten Geschenke ein. Stressen lässt sich die fünffache Mutter und 11-fache Großmutter nicht. Zu lange ist sie dafür im Marktgeschäft. 30 Märkte klappert sie jedes Jahr mit ihrem Ehemann ab. Im ganzen Land sind sie unterwegs, aber auch in Italien, Frankreich und in der Schweiz.
"Am Markt sind die Leute viel kommunikativer. Es ist schon lustiger als in einem Geschäft, auch das ganze Rundherum", erzählt Stöger. Zum Rundherum gehören ihre Freunde, ihre Gang: Ramona "Mandelfrau" Gill und Walter "Zuckerwattenmann" Koblischke.
Seit 25 Jahren brät Ramona Gill in Stögers Nachbarstand Mandeln. Daneben verkauft die 56-Jährige Schokolade für den Weihnachtsbaum. Erwachsene, die als Kinder ihr erstes Taschengeld bei Gill verpulvert haben, kaufen noch heute bei ihr ein. Jedes Jahr freut sie sich auf den ersten Tag, wenn sie die Schokolade ausräumen kann und sie farblich aufeinander abgestimmt nebeneinander platziert. "Meine Kollegen spotten immer, dass ich mit dem Rollator noch hier herkommen werde, um Anweisungen zu geben. Aber der Christkindlmarkt ist für mich einfach eine persönliche Sache", sagt Gill.
Ignorante Touristinnen und Betrunkene
Koblischke brummt. Wieder hat ihm eine Kundin einen Schaumbecher zerstört, als sie nach dem Schokomandel-Softnougat gegrapscht hat. Der 61-Jährige wischt die Reste, die auf die Verpackung gepatzt sind mit den Fingern weg. Ärgern lässt sich Koblischke nicht, weder von ignoranten Touristinnen noch von den Betrunkenen, von den Nebenständen. Lieber konzentriert er sich auf die Kinder, die hypnotisiert auf die pinke Wanne starren, in der er ihre Zuckerwatte dreht.
Stöger, Gill und Koblischke sind Christkindlmarkt-Adel. Sie gehören zum Markt seit der ersten Stunde. Während die meisten Hütteninhaber ihr Geschäft Angestellten übergeben haben, halten sie wacker die Front. Weihnachten ist ihr Geschäft. Sechs Wochen lang. Bis 24. Dezember werden sie am Rathausplatz stehen. Bis 17 Uhr. Dann verschwindet das Weihnachtsdorf. Bis zum nächsten Jahr.