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"Demokratiepolitisches Problem"

Von Solmaz Khorsand

Politik

Wer EU-Ausländer befragen will, muss das Gesetz ändern.


Wien. Es ist alles eine Frage der Semantik. Vor allem, wenn es um Rechtsangelegenheiten geht. Man nehme die Befragung zur Neugestaltung der Mariahilfer Straße. Die Stadtregierung nennt sie eine Bürgerbefragung. Für Verfassungsjurist Heinz Mayer ist sie etwas anderes: "Diese Bürgerbefragung ist in Wirklichkeit eine Volksbefragung, sie heißt nur nicht so." Und hier liegt für ihn das Problem. Denn nach dem Wiener Volksbefragungsgesetz dürfen nur österreichische Staatsbürger befragt werden. Die aktuelle Befragung sieht vor, dass insgesamt rund 50.000 Bewohner des 6. und 7. Bezirks teilnahmeberechtigt sind, darunter auch EU-Bürger.

"Tatsache ist, dass die Volksbefragung nach dem Wiener Landesrecht nur österreichische Staatsbürger mit dem Hauptwohnsitz in Wien als Stimmberechtigte vorsieht, und das wird hier unterlaufen", sagt Mayer zur "Wiener Zeitung". "Es ist die Frage, ob diese Bürgerbefragung irgendeiner Kontrolle unterliegt, und das glaube ich nicht. Das ist ein demokratiepolitisches Problem, wenn man direktdemokratische Instrumente von Fall zu Fall selbst zuschneidet und nicht die gesetzlich vorgesehenen Instrumente verwendet", befindet er. "Direktdemokratische Instrumente wurden in der Vergangenheit gravierend missbraucht. Man muss gar nicht so weit zurückdenken in unserer Geschichte."

Maximum rausgeholt

In der Stadtregierung war man sich des semantischen und des damit einhergehenden juristischen Problems durchaus bewusst. Nie hat die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou von einer Volksbefragung gesprochen, immer nur von einer Umfrage. Als solche wurde sie auch abgesegnet: als rechtlich nicht bindende Meinungsumfrage, an deren Ergebnis man sich aber halten wolle, so das Versprechen der Stadtregierung.

"Ich finde, dass die bestehenden Regelungen nicht mehr zeitgemäß sind, weil sie zu viele Leute ausschließen. Wir haben gefragt, was ist das Maximum, das drinnen ist, und wie können wir das machen, dass es rechtlich hält. Und das war die Auskunft des Verfassungsdiensts der Magistratsdirektion", erklärt David Ellensohn, Klubobmann des grünen Gemeinderatsklubs, den Entstehungsprozess zur "Bürgerbefragung", die auch EU-Bürger inkludiert, angelehnt an den Bezirksvertretungswahlen. Auf politischer Ebene dürfen EU-Ausländer in Österreich ihre Bezirksvertreter wählen. Bei der Mitbestimmung in puncto Sachthemen sind sie hingegen ausgeschlossen. "Wir wollen nicht, dass weniger Leute teilnehmen an der Befragung, als das üblicherweise der Fall ist, wenn im Bezirk etwas stattfindet", erklärt Ellensohn.

"Der saubere Weg"

"Es gibt die Möglichkeit, dass man die Befragung in Teilen des Stadtgebiets durchführt. Aber stimmberechtigt sind nur Österreicher, die ihr Stimmgewicht in diesen Bezirken haben. Wenn man mehr will, muss man das Gesetz ändern. Das ist der saubere Weg", sagt Mayer.

Dafür reicht hingegen die Zeit nicht. Die Stimmzettel zur Befragung werden zwischen 17. und 21. Februar versendet und müssen bis spätestens 7. März retourniert werden. Mitte März soll dann das Ergebnis vorliegen.

Die Opposition sieht sich durch Mayers Kritik bestätigt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach von "offenem Rechtsbruch" und forderte eine wienweite Volksbefragung zur Mariahilfer Straße. Wiens ÖVP-Obmann Manfred Juraczka ortet eine "rot-grüne Bankrotterklärung" und appelliert an Vassilakou, die demokratiepolitischen Mindeststandards einzuhalten, um die Stadt nicht auf "das Niveau einer Bananenrepublik herabsinken" zu lassen.

Dass der Verfassungsgerichtshof die Befragung als verfassungswidrig einstuft, hält Mayer für unwahrscheinlich. Auch Ellensohn macht sich über die Durchführung der Umfrage keine Sorgen: "Das ist gelaufen. Das wird so sein."

Für knapp 50.000 Bewohner des 6. und 7. Bezirk gibt es zwei Varianten in puncto Mariahilfer Straße, über die sie abstimmen können. Option A (mit zwei Zusatzfragen) und Option B:

A) Die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße soll beibehalten werden.

- Für den Autoverkehr sollen Querungen geöffnet werden. (Ja / Nein)

- Das Radfahren soll im Bereich der Fußgängerzone erlaubt bleiben. (Ja / Nein)

B) Die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße soll rückgängig gemacht werden.

Die Befragung ist rechtlich zwar nicht bindend, die rot-grüne Stadtregierung hat jedoch versprochen, sich an das Ergebnis zu halten.