Wien. Zweimal klingelt Ewa Dziedzic immer. Das erste Mal kann überhört werden. Und drei Mal zu klingen ist einfach zu aufdringlich, findet sie. Erwartungsvoll steht die grüne Politikerin vor der schweren braunen Tür. Gemeinsam mit Georg Prack, dem Landesprecher der Wiener Grünen, versieht sie heute Abend Dienst. Zwei Stunden lang werden sie die Schottenfeldgasse im 7. Bezirk abwandern - und versuchen die Leute für ihre Sache zu überzeugen: die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße.

Ab 17. Februar werden die Stimmzettel für die Anrainerbefragung ausgeschickt. Dann wird entschieden, ob die Fußgängerzone Mariahilfer Straße kommt oder nicht. Ob die jahrelange Planung, die Mobilisierung, die Kritik, der Unmut und die Kosten umsonst waren - oder nicht. Die Zeit ist knapp. 30.000 Haushalte in Mariahilf und Neubau wollen die Grünen in den nächsten Wochen abklappern. Von der Vizebürgermeisterin bis zum Sympathisanten. Für sie geht es um mehr als nur die Zukunft einer Einkaufsstraße, deren Umgestaltung das ganze Land polarisiert. Es geht um die eigene Glaubwürdigkeit. Wie weit sind die Grünen bereit, für ihr Prestigeprojekt zu gehen?
200 Männer und Frauen haben sich für die Mission Hausbesuch gemeldet. Ein Drittel der Klinkenputzer wohnt in den beiden Bezirken. Der Rest stammt aus Wien und Umgebung. In Zweierteams rücken sie jeden Abend ab 17 Uhr aus. Treffpunkt ist die Parteizentrale, das "Grüne Haus" in der Lindengasse 40. Hier werden sie 15 Minuten vor Beginn noch einmal eingeschworen auf die Mission. "The Big Picture" müssen sie vermitteln, nicht die Details - so die Devise, die im eigens für die Hausbesuche kreierten 32-seitigen Kampagnenhandbuch erklärt wird.
Universitäre Sprache tabu
"Das erste Mal war schon eine Überwindung", erzählt Prack. Nach drei Besuchen ist der 30-jährige Sozialarbeiter gelassener. Er und Dziedzic sind gebrieft. Sie haben an Workshops teilgenommen und das Kampagnenhandbuch verinnerlicht. Sie wissen, dass sie nicht zu nah an der Haustür stehen dürfen, wenn sie anklopfen, denn das würde auf die Anrainer zu bedrohlich wirken. Dass sie nicht mit einer "universitären Sprache" kontern sollen, wenn jemand "normal" mit ihnen spricht. Und dass sie nicht in die Wohnungen gehen sollen, selbst, wenn sie die Anrainer freundlich hereinbitten. Denn jeder Besuch soll nur fünf bis sieben Minuten dauern. Und 75 Haushalte sind das Tagesziel. Zeit für Tratsch ist hier nicht.