Der Hirte und seine Schäfchen: Laurin Rosenberg führt zu den Kampfstätten. - © Luiza Puiu
Der Hirte und seine Schäfchen: Laurin Rosenberg führt zu den Kampfstätten. - © Luiza Puiu

Wien. Was für den Katholiken Mariazell ist, ist für den Genossen der Gemeindebau. Hierher pilgert er, wenn große Gedenken anstehen. So auch am 12. Februar 2014, dem 80-jährigen Jubiläum an die Februarkämpfe von 1934.

Artig haben sich die roten Pilger um 15 Uhr beim Friedrich Schmidt Platz hinter dem Rathaus versammelt. In wenigen Minuten werden sieben Busse zu den Kampfstätten des 12. Februar 1934 aufbrechen, wie es in der Ankündigung der Organisatoren heißt. In alle Himmelsrichtungen werden die SPÖ-Busse ausschwirren, von Döbling bis Donaustadt, von Favoriten bis Liesing, von Hietzing bis Ottakring und von Landstraße bis Simmering. Knapp 400 Männer und Frauen haben sich hier zusammengefunden.

Geduldig sammelt Laurin Rosenberg seine Schäfchen ein. Der Geschichtsstudent betreut die "Tour Ost" gen Landstraße. Drei Stunden lang wird er den vorwiegend betagten Besuchern die Geschichte der Sozialdemokratie vorbeten: ihre Errungenschaften, ihre Visionen und ihre Niederlagen. Und er wird aufräumen mit den "bürgerlichen Mythen". Vor allem mit der Mär von der geteilten Schuld, egal wie dunkel die Flecken in der Sozialdemokratie waren. "Es ist ganz klar, von welcher Seite die Auseinandersetzungen damals ausgingen", spricht er ruhig ins Mikrofon. Seine Schäfchen nicken, machen sich eifrig Notizen oder dösen weg. Draußen wird es langsam dunkel - das fromme rote Herz verträgt nur so viel Geschichte, egal wie grausam, aufwühlend oder ungerecht sie war.

Helmuth Korn hört aufmerksam zu. Immerhin hat sein Arbeitgeber ihm und seinen 16 Kollegen von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) für den Ausflug freigegeben. Ein bisschen ideologische Nachhilfe eben. "Es hat eine Tradition wie in der Kirche. Es geht um Identifikation mit dem, was man hat, woher man kommt und wo man hin will", erklärt er den Sinn hinter solchen Fahrten.

Ein bisschen Folklore muss sein


Seit zehn Jahren ist der 37-Jährige bei der GPA, seit zwei Jahren ist er Mitglied bei der SPÖ. Er weiß, wie wichtig diese Gedenktage sind, nicht für die Gefallenen, sondern um die Lebenden bei der Stange zu halten: "Natürlich ist es Folklore, aber das ist es auf der ganzen Welt. Es ist ein öffentliches Bekenntnis zu den Wurzeln, die man hat. Wichtig ist nur, dass die Inhalte von damals nicht die Inhalte von heute sind, wie zum Beispiel Gewalt als Mittel für den politischen Diskurs, die Diktatur des Proletariats oder der Klassenkampf", sagt er.