Wien. Die Wiener Nordostumfahrung (S1) hat aufgrund ihrer Tunnelführung durch die Lobau schon in der Vergangenheit für Diskussionen gesorgt, die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) läuft bereits seit 2009. Nun orten Umweltschützer bei dieser Prüfung "eine ganze Reihe von Mängeln", wie Peter Weish, Präsident des Forums Wissenschaft und Umwelt (FWU), am Montag bei einer Pressekonferenz betonte.
"Dieses Projekt ist nicht zukunftsfähig", so Weish. Wolfgang Rehm, Sprecher der Umweltorganisation VIRUS, forderte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) gar auf, endgültig die "Reißleine zu ziehen": "Das Projekt ist ordentlich ins Stolpern geraten." Insgesamt hat die Plattform aus Global 2000, VIRUS, dem Forum Wissenschaft und Umwelt und der Bürgerinitiative "Rettet die Lobau" bereits 13 Gutachten in das laufende UVP-Verfahren eingebracht. Außerdem habe man Befangenheitsanträge gegen sechs Behördengutachter gestellt, erklärte Rehm.
Grundwasserstand als Problemfall
Probleme gebe es unter anderem beim Grundwasserstand, der in Zukunft zur Überflutung des Lobautunnels führen könnte. "In diesem Gebiet gibt es in den vergangenen Jahrzehnten einen anhaltenden Trend zur Anhebung des Grundwasserspiegels", erklärte Hydrogeologe und Grundwasserexperte Josef Lueger. "Das hat man in der Umweltverträglichkeitserklärung einfach schön gerechnet." Er kritisierte unter anderem das inhomogene Datenmaterial, das bei den Berechnungen herangezogen worden war.
Drei von vier Wannen des Tunnels könnten bei - in diesem Gebiet in der Vergangenheit bereits registrierten - hohen Grundwasserpegeln überschwemmt und somit nicht befahrbar werden. Eine nachträgliche Grundwasserabsenkung, wie von der ASFINAG in der UVP-Prüfung in Betracht gezogen, hält Lueger für "völlig unzulässig". Denn diese könnte nicht nur Auswirkungen auf die Oberflächengewässer, sondern auch auf den gesamten Nationalpark haben.
"Geologische Erkenntnisse wurden nicht berücksichtigt"
Roman Lahodynsky, Geologe an der Universität für Bodenkultur, kritisierte die Prüfung der Erdbebensicherheit des Projekts: "Sie wurde nicht nach dem neuesten Stand der Technik und der Wissenschaft durchgeführt, geologische Erkenntnisse wurden nicht berücksichtigt." Neben einem falschen Bemessungsbeben sei auch ein nahes Störungssystem, das Ausgangspunkt eines Erdbebens sein kann, ignoriert worden. Im Falle eines starken Erdbebens rechnet er mit Sprüngen und Rissen in den Tunnelwannen, die auch zur Kontamination des Grundwassers führen könnten.
Kritik hagelte es auch an der Berechnung der anzunehmenden Luft-und Lärmverschmutzung: Die Gutachter der Behörde hätten nicht ausreichend nachgewiesen, dass alle Grenzwerte eingehalten werden können, wie Aron Vrtala, Sachverständiger für Luftschadstoffe, erklärte. "Ein 'worst case'-Szenario wurde hier nicht berechnet, somit bleiben große Unsicherheiten", meinte Vrtala.
S1-Südabschnitt soll erst 2018 gebaut werden
Die Umweltverträglichkeitsprüfung bezieht sich unter anderem auf den knapp neun Kilometer langen S1-Südabschnitt, der zum Großteil aus dem unter der Lobau verlaufenden Tunnel bestehen wird. Hier gibt es allerdings noch etwas mehr zeitlichen Spielraum. Denn das aufwendige Teilstück wird nach derzeitigem Stand erst 2018 in Angriff genommen und ab 2025 befahrbar sein.