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Fragen, aber wie?

Von Ina Weber

Politik

"Eine Volksbefragung nur mit österreichischen Staatsbürgern ist nicht mehr zeitgemäß."


Wien. 18.000 Bürger leben im 8. Bezirk, 182.000 im 10. Bezirk. Man müsse Regeln finden, die für beide Bezirke passen, sagte SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker am Dienstag nach dem Runden Tisch zur Bürgerbeteiligung zur "Wiener Zeitung". Ausgelöst wurde die Debatte rund um Volksbefragung, Volksabstimmung oder einfach nur Umfrage durch die Umgestaltung der Mariahilfer Straße. Um eine Volksbefragung oder Abstimmung zu umgehen, die vorsieht, dass nur österreichische Staatsbürger mitstimmen dürfen, führten SPÖ und Grüne erstmalig eine Umfrage durch, die auf Gemeinderatsbeschluss als verbindliche Entscheidungsgrundlage herangezogen wurde. EU-Bürger durften mitstimmen, die Geschäftsleute der Einkaufsstraße nicht.

Die zurechtgeschneiderte Umfrage führte zu Unmut sowohl bei der Opposition als auch bei Verfassungsexperten. Schneller als gedacht hat sich die Stadtregierung daher mit der Opposition am Dienstag an einen Tisch gesetzt. Sie wollen neue Formen der direkten Demokratie in der Stadtverfassung verankern. Und dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit. "Wir sind guten Willens", informierte Schicker nach der Sitzung. Nun wolle man sich einen Monat Zeit lassen, um die Ideen sickern zu lassen. Noch im April will man aber zu einer Einigung kommen.

Bisher sei klar geregelt gewesen, dass eine Volksbefragung auf Gemeindeebene oder auch in Teilen der Gemeinde mit einem Gemeinderatsbeschluss durchgeführt werden kann, so Schicker. Wann und wie man eine Bevölkerungsbefragung auf Bezirksebene einleitet, sei jedoch in der Verfassung nicht festgelegt. "Eine Befragung soll künftig auch auf Bezirksebene geregelt sein, mit Beschluss der Bezirksvertretung", sagte der SPÖ-Klubobmann.

Gebiet abgrenzen,

Termin festlegen

Geregelt werden soll, wie ein Gebiet abgegrenzt wird und wann der Termin der Befragung stattfinden soll. Auch wird laut Schicker darüber diskutiert, dass Bürger künftig eine Befragung initiieren können. "Da diskutieren wir noch." Wenn zwei oder mehrere Bezirke zu einem Thema befragt werden, müssen die Fragen ident sein und die Befragung muss in beiden Bezirken zum selben Zeitpunkt stattfinden, so Schicker zum geplanten Prozedere.

Im Prinzip habe man mit der Umfrage zur Mariahilfer Straße das Wahlrecht auf Bezirksebene "nachgestellt", so der SPÖ-Klubobmann. "Wir wollen das Wählerverzeichnis der Bezirke auch für die Volksbefragung geltend machen." EU-Bürger dürfen in Wien auf Bezirksebene wählen, aber nicht auf Landesebene. Bei der Opposition herrschen dazu andere Vorstellungen. ÖVP und FPÖ plädierten im Fall der Mariahilfer Straße eher dafür, die Geschäftsleute und nicht die EU-Bürger miteinzubeziehen. Was die Geschäftsleute betrifft, käme man aber laut Schicker "ins alte Kurienwahlrecht zurück". Eine Stimme würde dann zwei- oder dreimal zählen, wenn man in einem Bezirk nicht nur wohne, sondern auch arbeite, oder gar nur Grundeigentümer ist. "Das werden wir noch ausdiskutieren", sagte er dazu.

Die Wiener Grünen haben im Grunde dieselben Vorstellungen wie die Roten. "Wir brauchen klare Regeln für Befragungen und Abstimmungen auf Bezirksebene. Wie einigt man sich auf eine Frage? Wie wird das Befragungsgebiet abgesteckt? Etwa bei einem Garagenbau oder bei der Umgestaltung eines Parks", warf die grüne Gemeinderätin Jennifer Kickert Fragen auf. Für die Wiener Grünen ist grundsätzlich die Einschränkung auf Bürger mit österreichischer Staatsbürgerschaft nicht mehr zeitgemäß. Bei einer Befragung auf Bezirksebene sollte die gesamte Wohnbevölkerung mitstimmen können. Viele Wiener hätten keine österreichische Staatsbürgerschaft, wohnen und arbeiten aber dennoch oft seit Jahrzehnten in Wien, so die Gemeinderätin. Ein amerikanischer Staatsbürger etwa, der seit langem in Wien lebt und arbeitet, hätte sonst auf keiner Ebene die Möglichkeit mitzuwirken.

"Sinnvolle Normierung

für alle"

Laut Kickert gibt es aus Sicht der Grünen zwei unterschiedliche Zugänge auf Bezirksebene: Die Abstimmung, die die Entscheidung an die Bevölkerung delegiert, und die Befragung als Instrument, um eine Grundlage beziehungsweise Tendenz für eine Entscheidung zu haben. Nach dieser Vorstellung wäre die Umfrage zur Mariahilfer Straße eine Abstimmung auf Bezirksebene gewesen und damit klar geregelt. Befragungen auf Bezirksebene gebe es natürlich schon, allerdings sei die Art und Weise, wie diese durchgeführt würden, nicht verbindlich geregelt. Es braucht eine "sinnvolle Normierung für alle", sagte Kickert. Was die Geschäftsleute betrifft, äußerte sich Kickert ebenfalls skeptisch. Dieser Punkt sei schwierig, sagt Kickert zur "Wiener Zeitung". Geschäftsleute hätten ohnehin Interessensvertretungen, die im Vorfeld in die Gespräche miteinbezogen würden.

Der rote Gemeinderat Peko Baxant geht gar einen Schritt weiter. "Ich persönlich denke, dass Volksbefragungen nicht mehr zeitgemäß sind. Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, das Instrument der Befragung des Volkes abzuschaffen", sagte er zur "Wiener Zeitung". Es sei eine "neue demokratische Architektur" nötig. Diese fußt laut Baxant auf zwei Säulen, der parlamentarischen und plebiszitären Säule. Er tritt für ein dreistufiges Volksgesetzgebungsverfahren ein. Die Bürger könnten auf Bezirksebene eine Initiative aufstellen. Sollte diese vom Bezirk abgelehnt werden, könnten sie ein Bezirksbegehren machen, bei dem gefragt werden könnte, ob es zu dem jeweiligen Thema eine Abstimmung geben soll oder nicht. Als dritte Stufe könnte es eine Abstimmung geben. Dasselbe wäre auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene möglich.

Für Verfassungsexperte Heinz Mayer ist "alles wünschenswert, damit die wirklich Betroffenen mitentscheiden können". Man müsste allerdings klar definieren, welches Thema nur einen Bezirk oder ein Grätzel betrifft und welches Anliegen die ganze Stadt hat. Man könnte laut Mayer von der derzeitigen unbedingten Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft absehen und etwa nach der Wohnbevölkerung gehen. "Wer zum Beispiel länger als ein Jahr im betroffenen Bezirk wohnt oder einen ständigen Arbeitsplatz dort hat, könnte mitbestimmen dürfen." Es dürfe aber nicht zu einem zurechtgeschneiderten Publikum kommen, so der Verfassungsexperte. Die Instrumente der direkten Demokratie sollte man nicht zur Beliebigkeit verkommen lassen.