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Von Demos entlasten

Von Christian Rösner

Politik

Wirtschaftsbund-Chef kündigt Homepage an, die Kosten für Demonstrationen offenlegen soll.


Wien. Ein Appell an Veranstalter von Demonstrationen, die Umsatzeinbußen der Geschäfte zu berücksichtigen und eine Homepage, die künftig über die Folgekosten einer Demonstration informieren sollen: Das hat Walter Ruck - in seiner Funktion als Obmann des Wiener Wirtschaftsbunds - am Mittwoch in einer Pressekonferenz angekündigt.

Schützenhilfe bekam Ruck, der vor wenigen Tagen auch als Präsident der Wiener Wirtschaftskammer angelobt wurde, von Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Beide betonten mehrmals, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auf keinen Fall in Frage stellen zu wollen. Trotzdem sei zu bedenken: Demonstrationen bescheren den Geschäften an den Routen mitunter bis zu 48 Prozent Umsatzeinbußen, erklärte Ruck. Und immerhin sei auch die freie Erwerbstätigkeit ein Grundrecht, gab der Wirtschaftsbund-Chef zu bedenken.

Vor allem Veranstaltungen "im Kleid der Demonstration" sind dem Vertreter der Wirtschaft ein Dorn im Auge - vor allem, wenn wegen einer kleinen Demonstration der ganze Ring gesperrt werden müsse. Ruck will deswegen an den "gesunden Menschenverstand" der Demo-Veranstalter appellieren - schließlich würden durch jeden Polizeieinsatz auch Kosten für den Steuerzahler entstehen. Um Sensibilität dafür zu entwickeln, will der Wirtschaftsbund eine Homepage online stellen, die über genau diese Kosten die Öffentlichkeit informiert. Auf demonstrationen.at soll es künftig bei ausgewählten Demos Informationen über Veranstalter, Thema der Demonstration, geschätzte Kosten des Polizeieinsatzes und den geschätzten Umsatzentgang der Geschäftsreibenden geben.

Das eigentliche Thema

Eigentliches Thema der Pressekonferenz waren die Revitalisierungspläne der Wiener Einkaufsstraßen, die in den vergangenen zehn Jahren gegenüber den Einkaufszentren an Bedeutung verloren hätten. Die Forderungen: Erdgeschoßzonen sollten attraktiver gemacht werden, für die Genehmigung von Einkaufszentren neue, niedrigere, Schwellenwerte gelten. Weiters sollte die Marktordnung vereinheitlicht werden - derzeit würden auf den Märkten unterschiedliche Öffnungszeiten der Gastronomiebetriebe gelten. So dürfen etwa am Nasch-, Rochus-, und Brunnenmarkt die Gastrobetriebe bis 23 Uhr geöffnet haben, während auf anderen Märkten um 20 Uhr schon Sperrstunde sei. Außerdem will sich der Wirtschaftsbund für Erleichterungen bei Standumbauten einsetzen. Derzeit würden die Betroffenen ein halbes Jahr auf die Bewilligung vonseiten der Marktbehörde warten - etwa für die Errichtung einer Dachterrasse auf dem Stand. Zudem wird auch ein "umkomplizierterer Zugang" bei der Zulassung von Wochenmärkten gefordert. Vor allem aber sollten die Investitionsförderungen für Einkaufsstraßen angehoben statt gekürzt werden, forderte die Obfrau des Lebensmittelhandels in Wien, Margarete Gumprecht.

Leitl für Bürokratieabbau

Entlastung forderte auch Leitl. Seiner Meinung nach würden derzeit vor allem Klein- und Mittelbetriebe die Last der Bürokratie voll zu spüren bekommen. Immerhin würden 75 Prozent aller Geschäftstreibenden die "finanzielle Last der Bürokratie" als negativ und belastend empfinden.

Schon bei einem Bürokratieabbau um ein Viertel könnten etwa 11.300 Arbeitsplätze mehr geschaffen werden, rechnete der Präsident der WKÖ vor. Er bezog sich dabei auf eine Studie des International Central European Institute Vienna von 2012.

In Wien sei die Situation durch spezifische Landessteuern besonders schlimm. Die Gebührenerhöhungen in den vergangenen Jahren hätten den Unternehmen eine zusätzliche Last von 100 Millionen Euro beschert. Sollte sich daran nichts ändern, ortete Leitl sogar die Gefahr einer "Kampfzone" zwischen "Monopol-Sektor" und Wettbewerbs-Sektor.

Der Präsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, (SWV) Fritz Strobl, reagierte skeptisch auf die Forderungen des Wirtschaftsbundes - vor allem, was die Demonstrationen anbelangt. "Grundsätzlich verstehe ich, dass das nicht angenehm ist, aber das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht. Da kann man nicht fordern, dass nur dann demonstriert wird, wenn es niemand bemerkt." Sich untereinander abzusprechen und aufeinander Rücksicht zu nehmen sei allerdings ein Schritt in die richtige Richtung, räumte der SWV-Chef ein. "Aber es bleibt ja nicht nur bei dem Appell, ich habe da in der Vergangenheit schon ganz andere Stellungnahmen gehört."

Kritik an Homepage

Was die angekündigte Homepage betrifft, so gibt Strobl zu bedenken, dass damit auch innerhalb der Bevölkerung Stimmung gegen Demonstrationen gemacht werde, "weil dann stellt man sehr wohl das Grundrecht in Frage oder erreicht damit, dass jemand anderer das Demonstrationsrecht in Frage stellt", so Strobl. Und das Demonstrationsrecht mit dem Recht auf freie Erwerbstätigkeit zu vergleichen ist für Strobl "schon ein bisschen weit hergeholt."

Auch bei den Wiener Grünen zeigte man sich nicht unkritisch. "Man sollte sich schon fragen, ob es bei uns wirklich gar so viele Demos gibt. Und man sollte vorsichtig sein, wie man mit demokratischen Grundrechten umgeht - und ob man wirklich wirtschaftliche Interessen vor bürgerliche Grundrechte stellen will", so der grüne Klubobmann David Ellensohn.