
Wien. Laut einer Studie im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds erachten Personalmanager großer Unternehmen Migranten als wichtig für das wirtschaftliche Wohlergehen von Österreich. Qualifikationen wie zusätzliche Sprachenkenntnisse oder die Vertrautheit mit einer anderen Kultur machen Migranten attraktiv. Trotzdem scheinen viele Unternehmen Hemmungen zu haben, wenn es dann um die konkrete Umsetzung von Diversity-Zielen geht. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" hinterfragt der Studienautor und Unternehmensberater Conrad Pramböck die Sinnhaftigkeit von anonymisierten Bewerbungen und plädiert für die Abschaffung des Frauenministeriums.
"Wiener Zeitung":Herr Pramböck, inwieweit werden Migranten am Arbeitsmarkt benachteiligt?
Clemens Pramböck: Sehr viele Österreicher wissen nicht, dass Migranten überhaupt diskriminiert werden. "Natürlich gibt es Diskriminierung", sagen die Migranten selbst. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Wahrnehmungen. Wenn ich nicht von Diskriminierung betroffen bin, fällt sie mir auch nicht auf. Eine Frau, die Johanna Meier heißt, aus Wien kommt und österreichstämmige Eltern hat, wird vielleicht als Frau diskriminiert, aber nicht als Migrantin. In einem Bewerbungsgespräch werden die Deutschkenntnisse einer Johanna Meier nicht hinterfragt. Bei einer Bewerberin namens Svetlana Radakovic wird hingegen gleich einmal überprüft, wie gut ihr Deutsch ist und wie lange sie schon hier lebt. Auch wenn ihr Deutsch besser ist als das der Johanna Meier, wäre sie im Bewerbungsprozess benachteiligt.

Was halten Sie von der anonymisierten Bewerbung?
Personalchefs sagen, das bringt nichts. Es entstehen immer Bilder in den Köpfen der Menschen. Ja, der Name und das Foto sind die offensichtlichsten Diskriminierungsmerkmale im Bewerbungsprozess. Aber es wird auch zwischen den Zeilen gelesen. Beispielsweise: In welchem Bezirk in Wien wohnt die Person? Wie lange ist sie berufstätig gewesen? Wo hat sie ihre Ausbildung gemacht? Wenn ich zum Beispiel am Schottengymnasium im 1. Bezirk maturiert habe, entsteht gleich das Bild von mir als ÖVP-naher Person. Somit verlagert sich die Vorurteilsschablone, die wir durch Name und Foto haben, nur auf Kriterien wie Ausbildung, Berufstätigkeit, Wohnort und andere Details. Von all dem abgesehen, muss ich eine Person im Bewerbungsprozess auch einmal persönlich kennenlernen. Spätestens da klappt das mit der anonymisierten Bewerbung nicht mehr.
Könnten anonymisierte Bewerbungen nicht trotzdem ein Vorteil sein, nämlich, dass die Bewerber rein wegen bestimmter Qualifikationen zumindest zu dem Gespräch eingeladen werden?
Mein Eindruck ist, dass einfach nur neue Schablonen entstehen. Es ist besser, sich selbst bewusst zu fragen: Warum stelle ich denn hauptsächlich Männer über 40 an? Warum nehme ich keine Frau oder keinen Migranten für den Job? Was hätte das für Vorteile? Dieses Bewusstmachen bringt aus meiner Sicht sehr viel mehr.
Wird derzeit in Österreich mehr darauf geachtet, Menschen mit unterschiedlichen "Hintergründen" einzustellen?
Bestenfalls nur in Einzelmaßnahmen. Meistens schaut es diesbezüglich auf den CSR-Berichten (Corporate Social Responsibility, Anm.) schöner aus als in der Realität. Nur ein paar Unternehmen setzen bewusst und aktiv auf Diversität.
Was bringt so ein Diversity-Management eigentlich?
Die Vorreiter, die ich kenne, machen Diversity im eigenen Unternehmen bekannt, weil sie davon überzeugt sind, mit Vielfalt bessere Ergebnisse zu erzielen. Es muss die gezielte Aufnahme von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund jedenfalls einen Sinn haben - etwa, weil das Unternehmen eine bestimmte Kundschaft ansprechen will oder in ein Land exportiert, in dem die Herkunft der Angestellten von Vorteil sein kann. Diversität um der Diversität willen alleine bringt nichts. An Sozialromantik haben die wenigsten Unternehmen Interesse, es geht um den wirtschaftlichen Nutzen der Vielfalt.
Was sind die größten Vorteile, wenn ein Unternehmen besonders auf Vielfalt achtet?
Erstens kann ich andere Kunden ansprechen oder bestehende Kunden anders ansprechen. Beispielsweise die Bank, die in türkischen Gastarbeitern eine neue Quelle für Kunden findet: Hier ist es von Vorteil, wenn man Kundenbetreuer hat, die auch Türkisch sprechen können. Zweitens werde ich als Unternehmen kreativer und innovativer. Wenn immer nur Leute vom selben Schlag herangezogen werden, entgehen einem neue, kreative Ideen und Innovationen. Wenn ich Personen mit unterschiedlichen Hintergründen habe, die sich alle für dasselbe engagieren, betrachten sie die Sache aus unterschiedlichen Perspektiven.
Woran liegt es, dass manche Unternehmen sich scheuen, Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen?
Es ist neu, es ist anders und es ist ungewohnt. Sobald ich etwas Neues ausprobiere, entstehen viele Fragen. Wenn ich zum Beispiel eine Frau einstelle, frage ich mich: "Wird sie jetzt vielleicht schwanger?" Viele entscheiden sich dann, lieber auf Nummer sicher zu gehen. Neues einzuführen ist für Unternehmen oftmals nicht so einfach, weil es ein Risiko bedeutet. Wer keine Risiken eingeht, setzt seinen guten Ruf nicht aufs Spiel, sollte es schiefgehen.