Wien. In der Stadt galten sie bisher als Exoten. Nur in geschützten Räumen presste sich Frau ins Dirndl und Mann in die raue Lederhose. Doch der ländliche Chic hat den urbanen Raum längst erobert. Sei es aus Spaß zur Verkleidung, Heimatliebe oder der Sehnsucht nach einer vorteilhaften Mode, die zu viel Körperfett endlich ins rechte Licht rückt. Dirndl und Lederhose haben den Mainstream erreicht. Die Wiener lassen keine Möglichkeit aus, um sich in der Musikantenstadl-Kluft unter das Volk zu mischen. Und mit der Wiener Wiesn hat der urbane Landmensch sein größtes Freiluftgehege gefunden.
Zum vierten Mal findet am Donnerstag Österreichs Antwort auf das Münchner Oktoberfest auf der Kaiserwiese im Prater statt. Zwei Wochen lang können Möchtegern-Heidis und Alm-Öhis im Wiesn-Dorf flanieren. 230.000 Besucher werden von den Veranstaltern erwartet. Der Eintritt ist ab Öffnung des Geländes von 11.30 bis um 18 Uhr frei. Nur Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag gibt es Tickets für die Abendveranstaltungen in den drei Festzelten für 39 bis 44 Euro.
Adieu, Erholungsraum
"Es ist ein Beispiel für die allgemeine Tendenz der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums", sagt der Künstler und Architekt Eric Kläring. Vor zwei Wochen hat der Leopoldstädter auf Facebook die Plattform "Kaiserwiese für alle!" ins Leben gerufen. Hier dokumentieren Anrainer und Interessenten den Zustand der Kaiserwiese, der nach jedem Wiesn Fest einem umgepflügten Acker gleicht. "Eigentlich bräuchten sie für ihre Veranstaltung gar keine Wiese, nur einen Platz, die Bäume sind für sie nur Dekoration", meint Kläring. Als Erholungsraum sei die Wiese aufgrund der zahlreichen Events ohnehin nur noch kaum zu nutzen, kritisieren die Aktivisten.
Sechs bis acht Veranstaltungen pro Jahr finden auf der Kaiserwiese statt, von eintägigen Konzerten bis hin zu wochenlangen Events wie der Wiener Wiesn und der Dinnershow Palazzo im Spiegelpalas, heißt es seitens der Prater Wien GmbH, einem Unternehmen der Stadt Wien, die für die Verpachtung der Wiese zuständig ist. Wie viel die Veranstalter der Wiener Wiesn pro Tag für die Nutzung der Kaiserwiese bezahlen, wird nicht bekanntgegeben, ebenso wenig wofür das Geld dann eingesetzt wird. Laut dem Leopoldstädter Bezirksvorsteher Karlheinz Hora (SPÖ) sind die Einnahmen des Festes zweckgebunden und werden für die Infrastruktur und Instandhaltung des Wurstelpraters verwendet.
Bei ihm gab es bis dato zwei Beschwerden in der Causa Wiesn. Zum einen meinen Anrainer, dass die Wiesn-Besucher "40 Parkplätze" vernichten würde, zum anderen, dass der Fahrradweg bei der Kaiserwiese durch das Spektakel nicht passierbar sei. Laut Bezirksvorsteher Hora seien tatsächlich nur zehn Parkplätze - und nicht 40 - den Künstlern des Festes vorbehalten. Beim Fahrradweg handle es sich laut Hora um einen Weg, der ohnehin kaum von den Fahrradfahrern frequentiert werde. 12 Fahrradfahrer würden ihn pro Stunde passieren, der Großteil würde den angrenzenden Gehweg benutzen.