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"Wir sind keine Salafismus-Experten"

Von Bernd Vasari

Politik

Die Volksschule der privaten Islamschule Austrian International Schools behält ihr unbefristetes Öffentlichkeitsrecht.


Wien. Die Volksschule der privaten Islamschule Austrian International Schools in der Weisselgasse 28 in Floridsdorf behält ihr unbefristetes Öffentlichkeitsrecht. Ein Prüfbericht des Stadtschulrats kommt zu dem Ergebnis, dass an der Privatschule lehrplankonform unterrichtet wird. Der Bericht beruht auf zwei unangekündigten Inspektionsbesuchen in der Schule. Dort sollen etwa einzelne Eltern die Teilnahme ihrer Kinder am Musikunterricht verhindert sowie manche Schüler diese Stunden gestört haben.

Darüber hatte sich ein inzwischen gekündigter Musiklehrer beim Stadtschulrat beschwert. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" spricht Stadtschulrat-Präsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) über den Prüfbericht und darüber, dass die Schule bei Extremismus nicht zuständig ist.

Wiener Zeitung: Frau Brandsteidl, was sind die wesentlichen Ergebnisse des Prüfberichts?Susanne Brandsteidl: Die zuständige Bezirkschulinspektorin war für die Überprüfung zweimal unangemeldet in der Volksschule der Austrian International Schools in der Weisselgasse. Sie hat sich dafür extra einen für Musik zuständigen Bezirksschulinspektor mitgenommen. Das Ergebnis: Die haben dort einen ganz normalen Musikunterricht, wo ganz gewöhnliche Kinderlieder gesungen werden. Es wird auch ein Lehrbuch verwendet, das in allen anderen Volksschulen auch verwendet wird. Die Jahresplanungen der Volksschule sind ebenso in Ordnung. Aufgrund dieses Berichts können wir nicht empfehlen, das Öffentlichkeitsrecht zu entziehen. Das würde nie im Leben durchgehen.

Stimmt es nun, dass sich nach Angaben des Musiklehrers, die Schüler die Ohren zugehalten haben?

Die Kinder der betroffenen 3A haben sich unaufgefordert an die Schulinspektorin gewandt und vom Musikunterricht mit diesem Lehrer erzählt. Da muss es zu gröberen disziplinären Schwierigkeiten in der Schule gekommen sein.

Die Schule rechtfertigt den Rauswurf des Lehrers mit der Nichteinhaltung von pädagogischen Standards seitens des Lehrers. Ist das glaubhaft?

Das könnte durchaus so gewesen sein. Die Schüler haben das auf jeden Fall so vermittelt.

Es ist also nicht deswegen, weil sich der Lehrer an den Stadtschulrat gewendet hatte?

Nein, gar nicht. Nur, warum eine Volksschule überhaupt einen privaten Musiklehrer anstellt, ist mir ein Rätsel. Üblicherweise übernimmt in Volksschulen der Klassenlehrer den Musikunterricht.

Kann man dies als Schule so handhaben?

Ja, das ist durchaus möglich.

Wie geht es nun weiter?

Die Inspektorin wird weiter unangekündigt verschiedene Unterrichtsfächer, die aus der Sicht einiger Eltern problematisch sind, kontrollieren. Darunter fallen etwa Biologie, Turnen, Schwimmen und Musik.

Gibt es etwas, das Sie am Prüfbericht überrascht?

Ja, die starke Einflussnahme der Eltern. Das ist schon interessant. Das Zweite ist die Frage der Zuverlässigkeit des Schulerhalters Hassan Mousa. Hier werden wir noch die finanzielle Gebarung bei den Subventionen überprüfen. Weiters gab es ein Plakat in der Schule, auf dem Schüler gezeichnet haben sollen, dass Musik "haram" (verboten) ist. Dieses Plakat war bei der Inspektion nicht mehr sichtbar. Wir werden nun überprüfen, ob hier Beweismaterial verschwunden ist.

Woher haben Sie die Information, dass so ein Plakat existiert?

Der Direktorin der Volksschule ist aufgefallen, dass es dieses Plakat gibt. Es gibt nun Ungereimtheiten, was mit diesem Plakat passiert ist. Das überprüfen wir nun mithilfe der Rechtsabteilung.

Ist hier nicht die Direktorin verantwortlich dafür, dass solche Plakate nicht aufgehängt werden?

Hier soll sich der Schulerhalter eingemischt haben und aktiv geworden sein.

Das heißt, der Schulerhalter ist für solche Fälle zuständig?

Der Schulerhalter hat dafür zu sorgen, dass die Schule existiert. Er wickelt auch die finanziellen Sachen ab. Für das Pädagogische ist immer der Direktor zuständig.

Warum hat die Direktorin das Plakat dann nicht entfernt?

Wir überprüfen gerade, ob das Plakat noch vorhanden ist und was da draufstand. Ob sie es runtergenommen und in eine Kiste gelegt haben oder ob sie es zerrissen haben, sodass man nichts mehr nachweisen kann.

Was kann der Staat in solchen Fällen überhaupt tun? Reicht es aus, wenn Schulinspektoren unangemeldet für ein paar Stunden vorbei kommen? Ist diese Kontrolle ein wirksames Instrument?

Es gibt kein anderes. Wir haben nicht so viele Inspektoren, dass wir in jede Schule einen reinsetzen können.

Wie will der Stadtschulrat nun gewährleisten, dass der Lehrplan auch weiterhin eingehalten wird?

Mir geht es um die Gewährleistung des lehrplankonformen Unterrichts. Wenn die Kinder ein Zeugnis mit einem österreichischen Stempel bekommen, sollen auch die Inhalte des Lehrplans vermittelt worden sein, und zwar in dem Ausmaß, wie das da drinnen steht.

Wünschen Sie sich andere Kontrollmöglichkeiten, außer denen des Schulinspektors?

Nein. Neben dem Inspektor erfährt man ja sehr viel durch Eltern und Schüler. Beschwerden, die bei uns einlangen, kommen ja von denen, die vor Ort sind. Die Form der Kontrolle durch die Schulaufsicht ist gut und tauglich. Letztendlich ist auch der Direktor dafür verantwortlich, was in seinem Haus passiert.

Gegenüber der "Wiener Zeitung" bestätigten Schüler der Weisselgasse, dass es in der Schule salafistische Familien gibt. Auch der Schulerhalter Hassan Mousa leugnet dies nicht. Hat man hier zu lange weggesehen?

Nein. Diese Familien gibt es in der Weisselgasse erst seit kurzem. Zuvor waren sie in den Schulen der Webergasse und der Romanogasse, die vergangenes Schuljahr geschlossen wurden. Offensichtlich gibt es in Wien eine sehr extrem islamistische konservative Gruppe. Die suchen sich Schulen, wo die Kinder nach ihren Vorstellungen erzogen werden. Das hat man in anderen Religionsgemeinschaften aber auch. Ich möchte da jetzt aber keine Beispiele nennen.

Behindern Religionsschulen - egal welcher Konfession - die Integration in die Gesellschaft?

Jedes Kind hat das Recht, zum häuslichen Unterricht abgemeldet zu werden. Es ist daher besser, wenn Kinder aus extremistischen Familien in die konfessionellen Schulen gehen. Dort können wir sie im Gegensatz zum privaten Rahmen kontrollieren. Kinder, die für den häuslichen Unterricht abgemeldet sind, müssen nur eine jährliche Externistenprüfung ablegen, wo geprüft wird, ob sie lesen, schreiben und rechnen können. Mehr Möglichkeiten haben wir dabei nicht.

Ist diese Regelung sinnvoll?

In Deutschland gibt es sie nicht.

Heißt das, dass Sie dagegen sind?

Die Abmeldung zum häuslichen Unterricht ist nichts, was eine Chefin eines Schulsystems förderlich finden kann. Nur, das ist halt der rechtliche Rahmen.

Was kann der Stadtschulrat tun, um Radikalismus in den Schulen entgegenzuwirken?

Der Stadtschulrat hat als Behörde sehr gute Möglichkeiten der Kontrolle. Und ich glaube, dass inzwischen alle Direktoren und Inspektoren durch das Wiener Netzwerk der Deradikalisierung geschult sind. Im Netzwerk gibt es eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen der Kinder- und Jugendanwaltschaft, dem Amt für Jugend und Familie und der Staatspolizei. Das ist eine gute Form der Prävention. Die zweite Form der Prävention ist, ganz klar und deutlich zu artikulieren - und das tue ich sehr intensiv seit Monaten -, dass man sich an Spielregeln halten muss, wenn man in eine österreichische Schule geht. Zum Beispiel, dass alle Kinder den Schwimmunterricht besuchen müssen. Es ist nicht möglich, dass ein Kind aus religiösen Gründen nicht schwimmen lernt. Die Alternative zu Schwimmen können ist Ertrinken.

Sie haben vor kurzem gefordert, dass sich Lehrer bei mutmaßlichen Fällen von Dschihadismus beim Stadtschulrat melden sollen. Der würde dann den Schulpsychologen oder die Polizei einschalten. Radikalisierungsexperten kritisieren diese Forderung. Viele Schüler, die islamisch radikalisiert sind, würden nur auf Menschen aus der muslimischen Community hören, sagen sie. Was halten Sie davon? Gibt es Kontakte in die Community?

Sie haben recht. Schüler, die radikalisiert sind, reden nicht mehr mit uns. Die Schule ist da aber auch fehl am Platz. In diesen Fällen kann man nur mehr den Verdacht melden und dann gibt es Experten, die sich darum kümmern. Da gibt es Leute, die diesen Code knacken können. Die müssen aber nicht unbedingt aus der muslimischen Community kommen. Ich will das nicht verharmlosen, aber die Gruppe dieser Dschihadisten ist verschwindend klein. Von der Gefahr sind sie natürlich deutlich größer, als wenn jemand seine Tochter nicht zum Schwimmunterricht gehen lassen will. Aber die Gefahr ist ja nicht, dass der Radikalisierte in den Dschihad zieht, sondern dass er wieder zurückkommt. Wenn sie mich nach dieser kleinen Gruppe fragen, muss ich Ihnen sagen, dass wir da keinen Auftrag mehr haben. Da bleibt nur mehr der gute Weg: Melden, Aufgreifen und den Experten überlassen. Allein sich schwarz anzuziehen und gefährlich auszuschauen, ist aber kein Straftatbestand.

Es ist also nicht die Aufgabe der Schule hier einzugreifen?

Nein, sicher nicht. Wir sind Betreuer, Pädagogen, Mathelehrer, aber wir sind keine Salafismus-Experten. Und das wollen wir auch nicht sein.