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"Spitalsalltag komplett umdenken"

Von Christian Rösner

Politik

Für Krankenanstaltenbund ist es kein Widerspruch, bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduktion 10 Prozent der Ärzte einzusparen.


Wien. Die Aufregung um den geplanten Ärzte-Abbau in den Wiener Spitälern ist groß. Wie bereits berichtet, plant der Krankenanstaltenverbund (KAV) durch die Umstrukturierung der Nachtdienste, bis 2018 insgesamt 382 Ärzte abzubauen. Das sind immerhin 10 Prozent der gesamten angestellten Wiener Ärzteschaft. Und das bei einer gleichzeitigen Senkung der Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden.

Zu diesem Thema hatte erst vor kurzem der Geschäftsführer der Vorarlberger Krankenhausbetriebsgesellschaft, Gerald Fleisch, gegenüber der "Wiener Zeitung" generell einen Zusatzbedarf an Ärzten von 10 Prozent geortet - zumindest was die anderen Bundesländer betrifft. In Wien dürfte das nach Ansicht des KAV, aber auch nach Ansicht des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl anders sein. Der Vorsitzende des Personalgruppenausschusses, Wolfgang Weismüller, will sich auf jeden Fall gegen die "Wiener Vorgangsweise" "mit allen zu Gebote stehenden Mitteln wehren", wie er bereits am Montag betonte. Auch fünf Primarärzte des KAV meldeten am Dienstag ihre Bedenken an. Unter diesen Rahmenbedingungen sei es unmöglich, die Leistungserbringung in derzeitigem Umfang und derzeitiger Qualität aufrechtzuhalten, hieß es. Außerdem wurde vonseiten der Primarärzte auch die Befürchtung geäußert, dass es nun umso schwerer werde, junge Ärzte im KAV zu halten.

"Hier geht es aber nicht um 382 Ärzte, die eingespart werden sollen, sondern um ein komplettes Umdenken des Spitalsalltages", betonte man am Dienstag im KAV. Die Voraussetzung dafür sieht man in der einzigartigen und historisch gewachsenen Gehaltsstruktur der Wiener Spitäler, die sich vorwiegend auf die Nachtdienste konzentriert. Die niedrigen Grundgehälter der Ärzte seien nämlich bisher durch viele Nachtdienste kompensiert worden. Wien sei deshalb das einzige Bundesland, in dem Nachtdienste bereits um 13 Uhr beginnen. "Das heißt, dass wenn ich einen Orthopäden um 16 Uhr für die Patientenversorgung im Spital gebraucht habe, dann musste der bis am nächsten Tag um 8 Uhr beschäftigt werden. Das bedeutet für ein Spital sicherlich nicht die maximale Ausschöpfung seiner Kapazitäten", heißt es aus dem KAV dazu. Außerdem sei das auch mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht mehr vereinbar.

Dienstpläne auf Abteilungsebene erstellen

So habe man sich anlässlich der neuen Gehaltsstrukturen auch überlegt, das Arbeitszeitmodell zu reformieren. Einig sei man sich dabei sowohl mit Ärztekammer als auch mit Gewerkschaft, dass dann die meisten Ärzte im Spital sein sollten, wenn am meisten Arbeit ansteht. Und das sei in der Regel zwischen 7 und 19 Uhr und nicht während des bisher regulären Tagdienstes zwischen 9 und 13 Uhr. Damit das aber nicht eine Art Schichtbetrieb wie in einem Bergwerk führt, sei nun ein Prozess eingeläutet worden, der erheben soll, wann jede einzelne Abteilung am meisten Leistung für die Patienten erbringen muss. Ziel sei es, dass am Ende die Dienstpläne auf Abteilungsebene erstellt werden.

Bei den Nachtdiensten wiederum müsse man darauf schauen, dass genügend Ärzte vorhanden sind, um weiterhin medizinische Versorgung in gewohnter Qualität - auch für Notfälle - anbieten zu können. So werde etwa ein Anästhesist am Tag genauso wie am Tag benötigt. Beim Orthopäden sei das hingegen anders. So wie also die Tagzeiten neu definiert und strukturiert werden sollen, so will man nun etwa auch in der Nacht bisher parallel laufende Tätigkeiten zusammenfassen. "Zum Beispiel ist es nicht notwendig, dass drei Abteilungen drei Aufnahmen haben - das könnte man zusammenlegen, um die Arbeitslast gerechter zu verteilen", meint man im KAV.

Konflikt zwischen Jungärzten und "Alteingesessenen"

Sogar vonseiten der Ärztekammer sei zugegeben worden, dass es in Wien zu viele Nachtdienste gibt. Deswegen habe sie auch zugestimmt, dass sie reduziert werden. Verlegt man dann die Arbeitsschwerpunkte in den Tag hinein, braucht man insgesamt weniger Personal. "Und das, was wir uns mit der gesamten Neuorganisation ersparen, wird den Ärzten in Form der Anhebung des Grundgehalts von bis zu 30 Prozent zurückgegeben", so die Erklärung des KAV.

Was das Aufbegehren der Gewerkschaft betrifft, so orten zumindest Insider einen Generationenkonflikt zwischen Jungärzten und "Alteingesessenen". Denn von den Turnusärzten habe sich schließlich noch keiner darüber aufgeregt, dass er jetzt mehr Geld verdient und weniger Nachtdienste machen muss. Wenn aber ein Primararzt künftig darauf verzichten muss, nach dem Tagdienst um 2 Uhr aus dem Krankenhaus zu gehen, um in seiner Privatordination zu arbeiten, dann wird er weniger erfreut über die neuen Strukturen sein, heißt es. Und dass die "alten Hasen" lauter schreien können als die Jungen, sei bekannt. Und dennoch - die Zeiten, als Ärzte ins Spital zum Schlafen gingen, dürften damit wohl vorbei sein.

Im Übrigen hat am Dienstag auch Bürgermeister Michael Häupl den geplanten Stellenabbau im Wiener KAV verteidigt. Er verwies - so wie auch der KAV - auf eine entsprechende Vereinbarung, die mit Zustimmung der Ärztekammer zustande gekommen sein. "Auch zu allen Maßnahmen, von denen man heute so tut, als ob sie neu wären", erklärte der Bürgermeister.

Grundsätzlich sei es das Ziel gewesen, die von der EU vorgeschriebene Richtlinie in Sachen Maximalarbeitszeit für Spitalsärzte bei vollem Lohnausgleich umzusetzen. Die Realität in Wien sei nun: "Es ist nicht nur der volle Lohnausgleich, es ist darüber hinaus auch noch ein Plus dabei", so Häupl.

Die Stadt koste dieses Paket rund 20 Millionen Euro pro Jahr, man könne also nicht gerade von Einsparungen reden. Die Androhung der Ärztekammer, den Pakt mit Stadt, KAV und Gewerkschaft im Notfall wieder aufzukündigen, sollte die Stadt Ernst machen, kann Häupl nicht nachvollziehen. Es gebe eine Vereinbarung. "Diese trägt auch die Unterschrift des Präsidenten der Ärztekammer - und der wird ja wohl wissen, was er unterschrieben hat." Daher mahnte der Bürgermeister am Dienstag Vertragstreue ein: "Pacta sunt servanda."