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Gratisnachhilfe boomt

Von Julia Beirer

Politik
300 Lernbetreuer sind derzeit im Einsatz, das Spektrum reicht von Mathematik bis zu darstellendem Spiel.
© Luiza Puiu

2462 Kurse in Volksschulklassen, 9000 Anmeldungen für neues Unterstufen-Angebot.


Wien. Die Nachfrage für die Wiener Gratisnachhilfe dürfte groß sein: "Derzeit sind zwischen 15.000 und 20.000 Kursplätze in den Volksschulen besetzt. Bei den 10- bis 14-Jährigen haben wir bis jetzt rund 9000 Anmeldungen", sagt Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. Zur Zielgruppe gehören alle Kinder, die den Lernanschluss in ihren jeweiligen Schulstufen verpasst haben. Diesen Schülern soll laut Oxonitsch mit der sogenannten Förderung 2.0 zu einem positiven Schulabschluss verholfen werden.

Die Stadt investiert pro Jahr 20 Millionen Euro, um das im Vorjahr bei der SPÖ-Klubklausur in Rust angekündigte Vorhaben umzusetzen. Gestartet wurde damit zunächst in den Volksschulen, die bereits seit dem ersten Semester des Schuljahres 2014/15 mit dabei sind. Laut Oxonitsch finden die Kurse an allen 220 Volksschulstandorten statt, alleine 600 sind es im Bereich Deutsch/Lesen. Weiters gibt es 360 Kurse in Mathematik, 200 in Deutsch als Fremdsprache und 400 in den Bereichen Aufgabenbetreuung und allgemeine Lernhilfe.

Seit Februar auch für AHS

Neue Schwerpunktthemen, wie Konzentrationsübungen, kreatives Schreiben oder darstellendes Spiel, seien im Laufe des Semesters dazugekommen. "Wir werden bald ein Treffen mit den Schulleitern organisieren, bei dem die Ergebnisse der bisherigen Fördermaßnahmen evaluiert werden sollen", sagt Oxonitsch. Außerdem soll es mehr Autonomie für die Schulen bei der Schwerpunktsetzung der Kurse geben.

Die Nachhilfe für die Neuen Mittelschulen und AHS wird in Zusammenarbeit mit den Wiener Volkshochschulen seit Mitte Februar umgesetzt. "Mit der Förderung 2.0 erreichen wir auch sozial schwächere Familien, die sich keine Nachhilfe leisten könnten, oder Kinder, deren Eltern Schwierigkeiten mit den eigenen Deutschkenntnissen haben", so Mario Rieder, Geschäftsführer der Volkshochschule (VHS) Wien.

Seit einer Woche sind 1000 Kurse mit 9000 Anmeldungen gestartet. Das erklärte Ziel ist dabei, den Schülern gute Grundkenntnisse zu vermitteln, damit sie eine Basis haben, an der sie ansetzen können, meint Rieder. Die Lerngruppen umfassen maximal zehn Personen.

Unterschiedliche Ausbildungen

"Ich gehe davon aus, dass wir das Programm im Frühjahr erweitern müssen, da die Anmeldungen stetig steigen und bald die 10.000er Marke geknackt werden wird", sagt Rieder. Es laufen ständig Bewerbungsverfahren für Lehrende, und auch mit den Schulen ist die VHS im Gespräch, da diese die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. "Ich bin mir sicher, dass wir den wachsenden Bedarf gut abdecken können, denn alle Schüler sollen das Programm nutzen können", stellt Rieder klar.

Laut Oxonitsch sind derzeit rund 300 aktive Lernbetreuer im Einsatz, "wobei das Stundenausmaß natürlich schwankt". Die Betreuer haben unterschiedliche Ausbildungen. "Wir haben Lehrer, die in Pension sind, Lehramtsstudierende ab dem zweiten Studienabschnitt und Personen, die Fachkenntnisse in den jeweiligen Fächern haben, wie zum Beispiel Mathematiker", erklärt Rieder. Alle Lernbetreuer mussten ein Aufnahmeverfahren durchlaufen und einen zweitägigen Pädagogikkurs absolvieren.

"Der Kurs hat wirklich viel gebracht", sagt eine der Lernbetreuerinnen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie sieht das Angebot durchaus positiv. "Erstens werden alle Kinder erreicht, die Lernhilfe benötigen, andererseits gefällt mir der ideologische Ansatz, dass den Schülern eine fundierte Basis an Grundkenntnissen beigebracht werden soll."

Mangelnde Vorbereitung

Zu kritisieren hat sie jedoch die mangelnde Vorbereitung für die Lernbetreuer seitens der Organisatoren. "Leider habe ich im Vorfeld keine Informationen zum Wissensstand der Schüler oder ihren Problemgebieten bekommen", sagt die Betreuerin. Es sei schwierig, in einer Klasse mit bis zu zehn Schülern zu unterrichten, die alle aus unterschiedlichen Schulen und teilweise auch unterschiedlichen Schulstufen kommen. Sie hofft, dass die Evaluierungsergebnisse auch zu einer besseren Vorbereitung für die Lernbetreuer führen werden.

Neben den Lernhilfekursen werden in den Neuen Mittelschulen und AHS ab 2. März auch Lernhilfestationen angeboten. An 17 Standorten sind, von Montag bis Donnerstag, Lernbetreuer im Einsatz, um den Schülern bei der Hausübung oder bei Verständnisfragen zu helfen. "Es geht dabei darum, punktuell für die Schüler da zu sein und sie im Schulalltag zu unterstützen", sagt Rieder. "Die Schüler können ohne Voranmeldung hingehen und alle Fragen stellen, die sie haben. Wenn die Betreuer bemerken, dass die Schüler mehr Nachhilfe benötigen, versuchen wir sie in den Lernhilfekursen unterzubringen", erläutert Rieder.

"Defizite im Bildungsbereich"

Kritik übt die ÖVP: "Der SPÖ geht es mit der Gratisnachhilfe um Machterhalt und nicht um Bildungserfolge unserer Kinder. Dieses Spiel ist leicht durchschaubar. Mit der Gratisnachhilfe soll Kümmerkompetenz vorgetäuscht und damit gleichzeitig auch davon abgelenkt werden, dass es in Wien massive Defizite und Versäumnisse im Bildungsbereich gibt", so ÖVP-Bildungssprecherin Isabella Leeb in einer Reaktion. Ihr zufolge sollten die 20 Millionen Euro lieber in den Regelunterricht, in den Ausbau der Schulsozialarbeit und für eine Entlastung der Lehrer durch Verwaltungspersonal investiert werden.