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"Ich muss Ordnung reinbringen"

Von Solmaz Khorsand

Politik
In der Ära des Diktators Nicolae Ceau escu erkennt Stadtchef Sorin Oprescu auch Vorzüge.
© Stanislav Jenis

Wie der Bukarester Bürgermeister seine Stadt vom Verkehr entlasten und die Roma behalten will.


Wien. Bukarest kann viel von Wien lernen. Sei das in der Parkraumgestaltung, bei den Fahrradwegen oder beim Umgang mit seinen Ausländern, erklärt der Bukarester Bürgermeister Sorin Oprescu im Gespräch mit der "Wiener Zeitung."

"Wiener Zeitung": Herr Oprescu, 2010 haben Sie mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Welche Projekte wurden konkret in diesen vergangenen fünf Jahren umgesetzt?

Sorin Oprescu: Wir haben in Bukarest einige Parks nach dem Muster der Wiener Parkanlagen eingerichtet. Wir haben sogar versucht, die Pflanzen zu importieren, die sowohl in Wien als auch in Bukarest wachsen. Unsere Parks sind nämlich sehr altmodisch, und ich habe Leute für zwei Monate nach Wien geschickt, um sich das genauer anzusehen. Insgesamt haben 18 Beamte aus Bukarest hier in der Stadt Wien in den vergangenen Jahren reingeschnuppert, als Praktikanten quasi. Außerdem fahren in Bukarest nun auch die Wiener Straßenbahnen. Im Kulturbereich gab es in den vergangenen sieben Jahren 300 Veranstaltungen zwischen den beiden Städten.

In Bukarest hat das Auto einen großen Stellenwert. Fast zwei Millionen Autos sind in der zwei Millionen Metropole täglich auf der Straße. Wie gehen Sie damit um?

Diese Frage habe ich auch dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani gestellt. Er hat zu mir immer gesagt: Mach dir keine Sorgen, das ist nun einmal so in Großstädten. Das ist ein Zeichen, dass die Stadt lebt. Sie müssen die Mentalität der Rumänen verstehen. 1970 musste man viel sparen, um ein Auto kaufen zu können. In den 90er Jahren kauften sich viele Rumänen, die Geld hatten, zwei Autos, weil sie Folgendes dachten: Wenn die Kommunisten zurück an die Macht kommen, dann ist ein Auto weg, und eines bleibt. Wenn nicht, haben sie halt zwei. Danach haben sie ihren Frauen, ihren Geliebten und ihren Kindern Autos gekauft. So haben wir nun zwei Millionen Autos auf der Straße und eine Infrastruktur, die nicht dafür konstruiert wurde.

Aber wie entlasten Sie die Straße?

Wir investieren dieses Jahr 10 Millionen Euro in das Fahrradnetz, um es von heute 75 Kilometern auf 322 Kilometer auszubauen (Wien hat knapp 1300 Radwegkilometer, Anm. Red.). Alle unsere Straßen, die neu gebaut werden, haben Fahrradwege.

Inwieweit wird die neue Stadtautobahn das Problem lösen?

Es geht um einen Außenring nach Vorbild des Pariser Boulevard Périphérique. Ich will keinen klassischen Ring, denn dann müsste ich den Eigentümern der Grundstücke, durch welche die Autobahn führen würde, viel Geld zahlen. Ich will einen Außenring, der auf Stelzen steht, so wie in Shanghai oder in Taipei.

Als Sie die Autobahn angekündigt haben, gab es Proteste. Die Bürger haben befürchtet, dass man historische Gebäude für die Autobahn niederreißt. Außerdem sollen sich viele an den Stadtplanungs-Amoklauf des ehemaligen rumänischen Diktators Nicolae Ceauşescu erinnert haben, als er Bukarests historisches Zentrum niederreißen ließ, um seine Vorstellungen zu verwirklichen. Wie reagieren Sie darauf?

Die Leute haben begonnen zu protestieren, ohne zu wissen, worum es geht. Es wird nichts niedergerissen. Viele von diesen Menschen würden es auch verdienen, dass Ceauşescu zurück an die Macht käme.

Wie meinen Sie das?

Weil er hier dann Ordnung machen würde.

Sie können offenbar Ceauşescu Stadtplanung und Regierungsstil etwas abgewinnen?

Die breiten Boulevards, die er gebaut hat, sind sehr gut. Wenn wir die heute nicht hätten, wüsste ich nicht, wohin mit den zwei Millionen Autos.

Zu einem anderen Punkt: Viele Rumänen verlassen das Land, weil sie keine Perspektive in ihrer Heimat sehen, darunter befinden sich auch viele Roma. Wie versuchen Sie, das zu verhindern?

Vor sechs Jahren fragte mich Herr Häupl: "Was ist hier in Wien mit euren Bettlern los?" Wir haben versucht, den Roma in Bukarest so zu helfen, dass sie nicht auswandern. Ich muss sie zuhause behalten. Ich habe ihnen versprochen, dass ich ihr ganzes Stadtviertel - den Bezirk 5, wo 125.000 Roma leben und wo auch ich aufgewachsen bin - verbessern werde. Heute sind die Straßen dort mittlerweile asphaltiert. Die Leute haben Strom, und sie haben Kanalisation. Außerdem haben wir in den vergangenen zwei Jahren 1500 Sozialwohnungen für ältere Roma gebaut - auch nach dem Modell von Wiener Sozialwohnungen in der Donaustadt, die ich mir vor einigen Jahren hier angeschaut habe.

Und wird das von den Roma angenommen?

Bei uns gibt es ein Prinzip. Ich sage ihnen, wenn du nicht weißt, wie etwas geht, dann bringen wir es dir bei. Wenn du es nicht kannst, dann zeigen wir dir, wie es geht. Wenn du es nicht willst, dann zwingen wir dich dazu. Ich muss ein bisschen Ordnung reinbringen. Obwohl die Jüngeren besser angepasst sind als die Älteren.

In manchen Fällen sind die Roma, die nach Wien kommen, Opfer von Menschenhandel und organisierten Banden. Gibt es da Kooperationen in der Strafverfolgung zwischen Wien und Bukarest?

Es gibt rumänische Polizisten in Wien, die mit den Kollegen hier kooperieren. Die Wiener Polizei gefällt mir sehr gut.

Warum?

Wenn du ein schwarzes Auto hast, dich die Wiener Polizei aufhält und behauptet, dass dein Auto weiß ist, dann glaubst du es ihr. So einen guten Ruf hat sie bei uns in Rumänien.

In Wien kämpft sie manchmal mit einem anderen Image. Sie wird gelegentlich als brutal und auch ausländerfeindlich kritisiert.

Ich habe schon Verständnis dafür. Die Polizei sorgt für Ordnung in der Stadt. Und ich glaube, dass in anderen Städten Dinge passiert sind mit Ausländern, die in Wien nicht passieren, weil die Wiener Polizei hier so streng ist. Hier trauen sich die Ausländer nicht, so viel Mist zu bauen wie in anderen Städten.

Sorin Oprescu studierte Medizin und war seit 2000 bei der sozialdemokratischen Partei Rumäniens, der PSD, aktiv. 2008 trat der Chirurg aus der Partei aus und kandidierte als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bukarester Bürgermeisters, das er seit 2008 bekleidet.