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Wurschtigkeitsstandpunkt

Von Christian Rösner

Politik

Ältere Genossen sind von der Politik der Wiener Roten enttäuscht, manche sehen keinen Sinn mehr darin, wählen zu gehen.


Wien/Murcia. Während in der steirischen und der burgenländischen SPÖ Wundenlecken angesagt ist, gibt man sich in Wien so, als würde es einen nichts angehen. "Wir haben 2010 Strache geschlagen und das werden wir im Oktober wiederholen", sagt man in der SPÖ (siehe Interview). Und sogar die Grünen meinen, dass die FPÖ nur dort Zugewinne macht, wo Rot-Schwarz regiert. Die Realität scheint aber anders zu sein.

Denn tatsächlich ist die FPÖ vor allem in den Flächenbezirken stärker geworden. Bereits bei der SPÖ-Klubtagung in Rust hatten sich Bezirkspolitiker auf dieses Thema angesprochen ungerührt gezeigt. Dabei hatte in der Brigittenau die SPÖ 2010 rund 8 Prozent verloren, die FPÖ allerdings 11 Prozent dazugewonnen. Auch in Simmering verlor die SPÖ fast 12 Prozent und steht jetzt bei rund 49 Prozent. Für die FPÖ gab es Zuwächse von fast 17 auf 35 Prozent. Aber mehr als eine bessere Öffi-Versorgung zu versprechen und viele Hausbesuche anzukündigen, hat sich die SPÖ hier nicht vorgenommen.

Unzufriedenheit bei Älteren

Auch Donaustadt-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy sieht die FPÖ nicht als großes Problem. "Die Bürger wählen die FPÖ nur, wenn sie unzufrieden sind". Dabei hat die FPÖ 2010 rund 14 Prozent zugelegt (auf 30 Prozent) und die SPÖ 10 Prozent (48 Prozent) verloren. Lediglich in Favoriten und in Floridsdorf hat man sich vorgenommen, mehr mit den Menschen zu reden. Hört man sich etwa bei der "Basis" um, könnte das auch durchaus notwendig sein. Denn die Unzufriedenheit scheint vor allem bei der älteren Generation groß zu sein, wie sich bei einigen Gesprächen im Zuge des Frühjahrstreffens des SPÖ-nahen Pensionistenverbandes im spanischen Murcia herausstellte.

"Mit der Wiener SPÖ bin ich absolut unzufrieden. Es wird viel geredet, aber nichts getan. Und dort, wo etwas passiert, will es keiner", erklärt etwa Erich Z. aus Donaustadt. Die Emotionen gehen bei den Pensionisten schnell hoch, wenn es um das Thema Politik geht. So bezeichnet Brigitte Z. die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou sofort als "größtes Krebsgeschwür der Stadt", als die Umgestaltung der Mariahilfer Straße angesprochen wird. Überall, wo Verkehrsberuhigungen stattfinden, würden die Geschäfte sterben, beklagt die ehemalige Steuerberaterin. "Und der Häupl lässt sich das alles gefallen."

"Für mich gehören die mittlerweile alle in einen Topf. Es interessiert mich nicht mehr", meint Erich Z. Bei einer Rede in der UNO-City habe der Bürgermeister einmal große Reden über die Bawag geschwungen. "Und eine Woche später war sie pleite. Seitdem gehe ich nicht mehr wählen."

Das lange erkämpfte Wahlrecht ist Erich Z. "eh wurscht". "Weil der, den du wählst, hat ein Programm, das er am Ende eh nicht durchsetzen kann. Und dann wird’s sogar noch schlechter als vorher. Also wozu?" Trotzdem, Strache als Bürgermeister will auch keiner. "Aber ich verstehe nicht, warum keiner mit den Blauen redet. Wir leben doch in einem demokratischen Land oder?", fragt Herta F. Und auf die Frage, was die SPÖ machen müsste, damit die FPÖ nicht stärker wird, meint Günther F.: "Sich mit der FPÖ zusammensetzen und zuhören. Nicht ausgrenzen. Das macht die FPÖ nur stärker und drückt die Wahlbeteiligung hinunter. Dass die Ausländer ein wunder Punkt in Favoriten sind, wird von Strache angesprochen. Von der SPÖ nicht."

Und Bürgermeister Häupl agiere nur noch mit einem "Wurschtigkeitsstandpunkt", kritisiert Brigitte Z. Außerdem sei er schon amtsmüde. "Und mich stört, dass er immer die Hände in seinen Hosentaschen hat und so schlampert dasteht." Für die SPÖ könnte es also durchaus noch etwas zu tun geben.