Wien. Wer als Jüdin oder Jude nach Wien kommt und einen Ort abseits des traditionell bis orthodox gelebten Judentums sucht, tut sich schwer. Das Kulturprogramm, das sich auch an säkulares Publikum richtet, ist zwar divers. Doch einzelne Veranstaltungen ersetzen keinen Ort, keine Gruppe von Gleichgesinnten. Das ist einer der Gründe, warum die Jüdischen HochschülerInnen in den vergangenen Jahren einen wieder stärkeren Zustrom erfahren, denn mit der Etablierung der Lauder Business School zieht es jedes Jahr neue jüdische Studierende aus aller Welt nach Wien. Das führte aber auch zu Projekten wie dem Salon Vienna, um den es zuletzt ruhiger wurde, oder den eng mit den Queer Hebrews verbundenen Kibbutz Klub, der vor allem eines macht: Party. Letzteres richtig laut und richtig gut.

Veronica Lion ist zwar in Wien aufgewachsen, tut sich aber seit jeher mit den hier angesiedelten jüdischen Einrichtungen schwer. Ihre Eltern stammen aus Prag und haben ihrerseits bereits "nicht so positive Erfahrungen mit jüdischen Institutionen in Wien gemacht". Was Lion an bestehenden Einrichtungen wie etwa auch den Jugendorganisationen stört, ist, dass dort das Jüdisch-Sein, das Judentum immer im Mittelpunkt steht. Das sei ihr aber zu eindimensional, sagt Lion, die in Wien Gender Studies studiert. Jeder Mensch werde durch verschiedene Identitäten geprägt: Man sei eben nicht nur jüdisch, sondern bewege sich meist zwischen mehreren Polen.

Die Künstlerin Zsuzsi Flohr kommt aus Budapest. Die jüdische Gesellschaft dort sei wesentlich mehr "open minded", erzählt sie. Man klebe nicht so an der Tradition, sei pluralistisch ausgerichtet. Einmal, kurz, nachdem sie nach Wien übersiedelt sei, sei sie am Schabbat in den Stadttempel gegangen. Immer wieder besuche sie die Gottesdienste von Or Chadasch, die kleine Reformgemeinde in der Robertgasse.

Zufällig fand sich nach und nach eine jüdische Runde, die sich weder als wirkliche Gruppe noch als Organisation versteht. Man trifft sich, um miteinander Zeit zu verbringen und ohne dabei einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Was allen gemeinsam ist, ist einerseits eine jüdische, andererseits eine feministische Identität. Tatiana Kai-Browne ist in Deutschland aufgewachsen, ihr Kunststudium führte sie nach Wien. Dass sie jüdisch sei, spiele in ihrem Alltag keine große Rolle und das sei auch nichts, was sie groß öffentlich mache. In dieser Wiener Freundesgruppe habe aber auch sie einen Ort gefunden, an dem sie sich wohlfühle. An dem es selbstverständlich sei, jüdisch zu sein.