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Wettrennen um die Beisln

Von Ina Weber

Politik

In 13 Bezirken ist die FPÖ auf Platz zwei, in Simmering erhofft sie sich den Bezirksvorsteher.


Wien. Nach der Wahl in Oberösterreich am Sonntag, wo Schwarz und Rot abgestraft wurden und die Blauen enorm dazugewannen, blickt alles auf Wien. Allerdings schicken sämtliche Meinungsforscher und Politologen voraus: Die Wahl in Wien ist unabhängig von Oberösterreich zu sehen. Die Ausgangslage ist eine gänzlich andere, sagt Politologe Thomas Hofer. Denn Bürgermeister und SPÖ-Landesparteichef Michael Häupl sei hier deutlicher positioniert als etwa die SPÖ in Oberösterreich. Bis auf den Rückenwind für die FPÖ sieht Peter Hajek eine von Oberösterreich unabhängige Wahl in Wien.

Dennoch bleibt die große Frage, ob der FPÖ-Triumph in Oberösterreich der Wiener SPÖ bei der Mobilisierung hilft und ihre Kampagne, die von Anfang an auf ein Duell mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ausgelegt war, reüssiert. Oder, ob dieser Effekt nicht eintrifft und wie Politologe Fritz Plasser zur "Wiener Zeitung" sagte, die unentschlossenen Wähler nun blau wählen, "weil sie sich in guter Gesellschaft wägen".

Feststeht für nahezu alle, dass die SPÖ in Wien verlieren und die FPÖ gewinnen wird. Dies könnte in so manchem Wiener Bezirk zu einem politischen Wechsel führen. Denn auch die Bezirksvertretungswahlen finden am 11. Oktober statt und entscheiden, welche Partei Anspruch auf den Bezirksvorsteher hat. In 13 Wiener Bezirken steht die FPÖ nach den Wiener Landtags- und Bezirksvertretungswahlen im Jahr 2010 auf Bezirksebene bereits auf Platz zwei; in der Leopoldstadt, in Favoriten, in Simmering, in Meidling, in Penzing, in Rudolfsheim-Fünfhaus, in Ottakring, in Hernals (ganz knapp vor den Grünen), in der Brigittenau, in Floridsdorf, in der Donaustadt und in Liesing.

Aber auch in der Inneren Stadt könnte sich das politische Blatt wenden. Die Freiheitlichen konnte dort die ÖVP-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel für sich gewinnen. Die FPÖ bekam zwar dort im Jahr 2010 lediglich rund 10 Prozent der Stimmen (die ÖVP erhielt 37,9 Prozent). Dies könnte sich aber nun mit der Spaltung der City-ÖVP ändern.

Vor allem haben die Blauen aber die bevölkerungsreichen tiefroten Flächenbezirke im Visier. Eng wird es etwa in Simmering. Dort erhofft sich Strache erstmals einen FPÖ-Bezirksvorsteher. Der 11. Bezirk hält einen der insgesamt 17 roten Bezirkskaiser in Wien. Die SPÖ erhielt bei der Bezirksvertretungswahl 2010 rund 49 Prozent der Stimmen. Die FPÖ folgte mit 34,2 Prozent. Allerdings musste die SPÖ damals ein Minus von 11,46 Prozentpunkten einstecken, die FPÖ konnte indes ein Plus von 16,05 Prozentpunkten vermerken. Hält dieser Trend an, ist der FPÖ der Bezirkschef im 11. Bezirk sicher.

Knapp könnte es auch in Favoriten, Floridsdorf, der Donaustadt und Liesing werden. In Favoriten hatte die FPÖ wie jetzt in Oberösterreich bereits bei der Wahl 2010 über 30 Prozent (33,3 Prozent). In Floridsdorf war es ähnlich wie in Simmering. Dort machten die Sozialdemokraten einen Verlust von 12,41 Prozentpunkten und die FPÖ einen Gewinn von 13,85 Prozentpunkten. In der Donaustadt und in Liesing betrug zwar der Abstand zwischen SPÖ und FPÖ mit 17,73 und 18,56 Prozentpunkten weit mehr, allerdings stehen auch hier die Vorzeichen auf rote Verluste und blaue Zugewinne.

Doch geht es bei dieser Wahl jetzt nur noch um Rot und Blau? Wenn sich das Match zwischen SPÖ und FPÖ zuspitzt, wo bleiben dann die kleineren Parteien? Werden sie die großen Verlierer dieser Wahl sein?

In Simmering ist man"auf die SPÖ angefressen"

Wolfgang Kieslich ist Parteiobmann der ÖVP in Simmering und Kandidat für die kommende Gemeinderatswahl. Er hat einen besonders schweren Job, denn die Schwarzen halten im 11. Bezirk mit 7,7 Prozent der Stimmen bei der vergangenen Wien-Wahl ihr schlechtestes Ergebnis in ganz Wien. "Ja, wir hatten beim letzten Mal ein historisches Tief", gibt Kieslich zu. Dennoch zeigt er sich optimistisch und fühlt sich gut aufgestellt, wie er der "Wiener Zeitung" mitteilt. "Es kommt darauf an, wie man im Bezirk sichtbar ist", sagt er. Er bekomme viel Zuspruch bei Treffen und Beisl-Touren. Verkehr, Wirtschaft und Familie sind die Themen, mit denen er punkten möchte und für den 11. Oktober erwartet er sich im Bezirk "10 Prozent plus". In Simmering sei man nämlich auf die SPÖ "sehr stark angefressen", aber für viele Simmeringer sei auch die FPÖ nicht wählbar, sagt er und erhofft sich Zulauf.

In Favoriten sehen sich die Grünen ebenfalls nicht im Schatten von Rot und Blau. "Entscheidend ist für uns, dass wir unsere Message im Bezirk durchbringen", sagt Georg Prack, stellvertretender Klubobmann der Grünen in Favoriten. Und diese "Message" verbreiten sie mit Hausbesuchen, mit Beisl-Touren und Info-Ständen. Dass die FPÖ den 10. Bezirk erobern könnte, hält Prack für ausgeschlossen, "weil der Abstand sehr groß ist". Würde die Situation aber dennoch eintreffen, dann hätte die FPÖ trotzdem keine Mehrheit in der Bezirksvertretung. "Wir werden das dann verhindern", sagt er zur "Wiener Zeitung". "Wir sagen den Favoritnern, dass Häupl Bürgermeister bleibt und dass der Strache nach Ibiza fahren wird. Die wirkliche Frage ist, wer dann regiert." Die Grünen wollen im 10. Bezirk mit mehr Grünraum, Verkehrsberuhigung, leistbares Wohnen und Vorzeigeschulen punkten. Sie wollen zwei Prozent dazugewinnen (von 7 auf 9 Prozent).

Die Neos sehen sich durch Rot und Blau ebenfalls nicht hinters Licht gedrängt. Im Gegenteil, sie nützen das rot-blaue Duell, um ihre Botschaften anzubringen. Im
1. Bezirk ist Gregor Raidl Spitzenkandidat. Das Versagen der alten Parteien hätte die FPÖ in den vergangenen Jahren immer stärker gemacht, sagt er. Bestes Beispiel für diese Politik, in der sich alles nur um Machterhalt drehe, sei Ursula Stenzel. Von der Wahlwerbung der SPÖ - Rot wählen, um Blau zu verhindern - hält Raidl nichts. "Das wird Straches Vormarsch nicht stoppen, denn mit diesem Argument hat Häupl schon die letzten drei Wahlen geworben, und die FPÖ hat sich in der Zwischenzeit verdreifacht." Auch die Neos kämpfen im 1. Bezirk auf der Straße. Sie gehen vielleicht nicht in die Beisln, stehen aber laut Raidl im direkten Kontakt mit den Bewohnern.

Auf Landtagsebene lag die FPÖ vor fünf Jahren bereits in 14 von 23 Bezirken an zweiter Stelle - und zwar fast ausschließlich in Regionen außerhalb des Gürtels. Mit 35,50 Prozent waren die Blauen in Simmering am erfolgreichsten. In Favoriten, Floridsdorf und Donaustadt kletterte man in den roten Hochburgen sogar über die 30-Prozent-Marke.

Jugend würde wiederRot-Grün wählen

Häupl bleibt dennoch gelassen. "Herr Strache will Bürgermeister von Wien werden. Ich habe aber nicht die Absicht, ihm diesen Job zu geben", sagte er gestern, Montag. Auch wenn es zumindest "rechnerisch" natürlich möglich sei, dass die FPÖ in Wien stärkste Partei werde, wie er hinzufügte. Häupl rechnet nicht mit Verlusten und schließt einmal mehr eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus.

Beruhigend für Rot und Grün in Wien könnte eine aktuelle Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung sein: Würden am 11. Oktober nur Menschen zwischen 16 und 29 Jahren wählen, würden sich 34 Prozent für die SPÖ entscheiden. An zweiter Stelle liegen die Grünen (21 Prozent), die FPÖ erhält mit 19 Prozent Platz drei, die Neos bekamen sieben und die ÖVP vier Prozent.