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Auf Hausbesuch

Von Siobhan Geets

Politik
SPÖ-Freiwillige ziehen in knallroten Jacken in der Seestadt in der Donaustadt von Tür zu Tür.Stanislav Jenis

Die "Wiener Zeitung" begleitete die SPÖ in Aspern - in der Donaustadt | liegt die FPÖ an zweiter Stelle, in der Seestadt scheint sie jedoch kaum Chancen zu haben.


Wien. Gerade jetzt, nach den Wahlen in Oberösterreich und knapp vor der Wien-Wahl, gibt sich die FPÖ siegessicher. In der Hauptstadt will sie vor allem in traditionellen SPÖ-Hochburgen punkten. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache will bekanntlich Bürgermeister werden - er hofft darauf, dass seine Partei in Wien stärkste Kraft wird. Deshalb setzt die FPÖ ihren Schwerpunkt im heurigen Wahlkampf auf die bevölkerungsreichen, traditionell roten Flächenbezirke.

In der Donaustadt besetzte die FPÖ bereits 2010 den zweiten Platz hinter der SPÖ. Sie verlor neun Prozentpunkte, die Blauen konnten sich mit fast 30 Prozent fast verdoppeln. Prognosen gehen davon aus, dass die FPÖ am 11. Oktober auch hier weiter dazugewinnen wird.

Die SPÖ Donaustadt gibt sich dennoch zuversichtlich. Täglich finden Hausbesuche und Grätzl-Aktionen statt, Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy isst jeden Tag in einem anderen Lokal zu Mittag und plaudert dabei mit dem Volk. Bei den Hausbesuchen helfen rund 20 Freiwillige. Sie ziehen in knallroten SPÖ-Jacken von Tür zu Tür, an diesem Tag ist die Seestadt Aspern an der Reihe. 2014 sind die ersten Bewohner eingezogen, bis 2016 sollen 2600 Wohnungen für rund 6100 Menschen entstehen. Wie die Seestädter sich am 11. Oktober entscheiden, bleibt abzuwarten, denn bei den letzten Wahlen gab es die Wohnsiedlung noch nicht. Die Genossen in der Seestädter SPÖ-Zentrale sind optimistisch: Die Menschen seien zufrieden mit der Lebensqualität, man erwarte eine rot-grüne Mehrheit. Die FPÖ habe sich nur ein einziges Mal blicken lassen.

Kurz nach 18 Uhr machen sich die SPÖ-Freiwilligen Christian und Nooshin auf den Weg. Es ist nicht viel Zeit für Hausbesuche, bis 20 Uhr höchstens, danach würden die Menschen ihre Ruhe haben wollen und interessierten sich eher für das Hauptabendprogramm. Die beiden fahren mit dem Aufzug in den fünften Stock und arbeiten sich von dort abwärts. "Guten Tag", sagt Christian, nachdem die erste Tür geöffnet wird, "Sie leben ja erst seit kurzem hier. Wie zufrieden sind Sie mit der Lebensqualität in der Gegend?"

Dass der See öffentlich ist,ist vielen ein Dorn im Auge

Gejammert wird kaum in der Seestadt. Lediglich der Lärm, den feiernde Jugendliche über den Sommer am See verbreitet haben, scheint die Zufriedenheit der Bewohner getrübt zu haben. "Wir sind schon im Gespräch mit der Exekutive", wirft Christian ein. Vielen Seestädtern scheint es ein Dorn im Auge zu sein, dass ihr See öffentlich zugänglich ist. "Es ist nicht nur der Lärm", sagt eine Mutter, "es kommen zu viele Leute, das Wasser wird schmutzig."

Bei den Hausbesuchen wird nicht nur die Zufriedenheit der Menschen mit der Lebensqualität abgefragt. "Wem trauen Sie am ehesten zu, für sichere Arbeitsplätze in Wien zu sorgen?", fragt Christian. Die Antwortmöglichkeiten sind auf die Spitzenkandidaten von Rot, Grün und Blau beschränkt. "Strache", sagt die Mutter, überlegt es sich aber auf Nachfrage noch einmal. Dann doch lieber Michael Häupl.

FPÖ-Wähler scheint es in diesem Haus kaum zu geben. Lediglich ein junger Mann, der in Boxershorts erscheint, sagt, er wisse jetzt schon, wen er wähle. "Ich tippe auf Blau", sagt Christian, nachdem der Mann ihm die Tür vor der Nase zuschlägt. Seine Nachbarin gehört wohl auch nicht zu den typischen Rotwählern. Die junge Kärntnerin beschwert sich über mangelnde Parkplätze in der Seestadt. Wo sollen denn die Eltern parken, wenn sie zu Besuch kommen? Der Hinweis, dass in Kürze Parkmöglichkeiten für solche Zwecke geschaffen werden, hilft nicht: Die Dame hat schon per Wahlkarte gewählt. Wem sie ihre Stimme gegeben hat, möchte sie nicht verraten.

Die Frau ein Stockwerk tiefer kann hingegen gar nicht aufhören, von ihrer neuen Wohngegend zu schwärmen. Strache wähle sie sicher nicht, viel eher grün. Oder doch rot? Es sind Gespräche wie diese, die Christian und Nooshin suchen. Um Quantität ginge es hier nicht, viel eher darum, den ein oder anderen Schwankenden doch noch zu überzeugen, die Roten zu wählen.

Das längste Gespräch führen die Freiwilligen mit einem Vater im zweiten Stock. Ihn stört in der Seestadt gar nichts, "außer vielleicht die Hundstrümmerln im Park" - doch auch hier hat Christian etwas zu entgegnen. Es gebe ja schon die Sackerl, wer sie nicht nutzt, werde bestraft.

Horrorvorstellungen überein nicht-rotes Wien

Der Vater scheint Zeit zu haben, er will wissen, was hier früher war, vor der Seestadt. "Das war hier alles Wiese", beginnt Christian, es folgt eine Einführung in die Seestädter Entwicklungsgeschichte. "Mit der Wiener SPÖ bin ich eh zufrieden", meint der Vater dann, "ich werde aber Grün wählen." Christian wirft das SPÖ-Argument ins Rennen, wer Rot-Grün will, müsse Rot wählen, um Strache zu verhindern. Horrorvorstellungen über ein nicht-rotes Wien werden bemüht: Es gebe keine städtischen Wohnungen mehr, es bliebe der überteuerte Privatmarkt, es werde dann überhaupt alles privatisiert. Am Ende finden die beiden doch noch einen Konsens. Christian erklärt, dass man zwei Wahlzettel bekomme und daher zwei Parteien ankreuzen könne: eine für die Gemeindewahl, die andere für den Bezirk. Der Vater überlegt. "Na gut", sagt er, "nach diesem Gespräch wähle ich vielleicht einmal rot."