Wien. (apa/rös) Wien übernimmt ab November das bisherige Asyl-Bundesquartier im Stadtteil Erdberg. Das erklärten Bürgermeister Michael Häupl, Sozialstadträtin Sonja Wehsely und der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker am Dienstag. Organisatorisch soll sich einiges ändern: Die Betreuung erfolgt durch NGOs, auch die Plätze sollen deutlich reduziert werden.
"Wir wollen das mit 1. November über die Bühne bringen, das Quartier wird eine Einrichtung der Grundversorgung in Wien", kündigte Hacker an. Die (auch für Traiskirchen zuständige, Anm.) Betreiberfirma ORS kommt nicht mehr zum Einsatz. "Das war eine der Grundbedingungen für die Übernahme", stellte Wehsely klar. Stattdessen sollen sich die in Wien tätigen Hilfseinrichtungen um die Unterkunft in der ehemaligen Zollamtsschule kümmern.
Derzeit befinden sich laut Hacker rund 700 Menschen in dem Haus - darunter "viel zu viele Jugendliche". Diese in kleinere Einrichtungen zu verlegen, ist laut Stadt nun oberste Prämisse, genauso wie die Situation in dem Quartier zu "stabilisieren". Danach soll in Erdberg umgebaut werden. In dem Massenquartier könnten kleine, einfache Wohnungen für Familien entstehen, skizzierte Hacker die entsprechenden Pläne.
Jede Nacht 8000 Plätze bereit
Abgesehen von den Asylwerbern in Grundversorgung - es sind rund 14.000 Menschen in der gesamten Stadt - werden in Wien derzeit auch täglich tausende Personen in Notunterkünften versorgt. Von den 14.000 Menschen sind 3000 Kinder und Jugendliche, 700 davon unbegleitet. Laut Hacker stünden jede Nacht an die 8000 Plätze bereit, die derzeit jedoch nicht alle benötigt würden. Es gebe in Sachen Andrang momentan einen kleinen "Durchhänger". Rund 60 Prozent der Asylwerber würden sich derzeit in Privatunterkünften befinden, 40 Prozent in organisierten.
Insgesamt haben während der aktuellen Flüchtlingskrise rund 130.000 Betroffene in Wien Station gemacht, exakt 113.491 Übernachtungen wurden gezählt. 2000 Flüchtlinge haben laut Wehsely um Asyl angesucht. "Weniger, als wir erwartet hätten, bleiben hier", meinte Hacker. Spitzenreiter bei den grundversorgten Personen in Wien sind Syrer vor Afghanen. Dahinter folgen Personen aus der Russischen Föderation und Iraker, wie man beim Fonds Soziales Wien auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" erklärte. Deutschkurse sollen im Übrigen laut Wehsely künftig sofort angeboten werden und nicht erst nach einem abgeschlossenen Asylverfahren, das mitunter zwölf Monate dauern könne. Weiters kündigte die Sozialstadträtin an, 2016 das Angebot an Deutschkursen um "tausende Plätze" erweitern zu wollen.
Aufgeschlüsselt wurden am Dienstag auch die Kosten für die Grundversorgung: Der Anteil Wiens für die Grundversorgung beträgt heuer 27 Millionen Euro - den Rest des Aufwands (75 Millionen Euro insgesamt) trägt der Bund. Die Erfordernisse für die Organisation der Notunterkünfte wurde mit zusätzlich 25 Millionen Euro beziffert. Sie sollten letztendlich auch vom Bund übernommen werden.
Keine Auseinandersetzungen
Zum Thema Sicherheit meinte Hacker, dass es in allen Unterkünften sehr friedlich zugehe. Religiöse Auseinandersetzung seien ihm bisher keine bekannt. Ausschreitungen wie etwa in Deutschland seien jedenfalls nicht zu befürchten, solange nicht mehr als 100 Personen an einem Ort untergebracht werden. Das Konfliktpotenzial steigere sich demnach mit Zahl der untergebrachten Menschen an einem Ort. "Das ist in einem Zelt beim Oktoberfest genauso", meinte Hacker. Konfliktpotenzial sieht der Wiener Flüchtlingskoordinator aber sehr wohl in Traiskirchen, "deshalb wollen wir das auch schon lange weghaben."
Bürgermeister Häupl bedankte sich bei den freiwilligen Helfern, die in den vergangenen Wochen bei der Betreuung der Menschen auf den Bahnhöfen oder in den Unterkünften im Einsatz gewesen sind. "Eigentlich müsste die Wiener Bevölkerung den Friedensnobelpreis kriegen", befand er. Die Hilfsbereitschaft habe gezeigt, dass das goldene Wienerherz kein steinhartes sei. Häupl zeigte sich erneut entsetzt über Demonstrationen vor Flüchtlingsunterkünften. Wer dies angesichts von Bildern wie jenem vom Lkw mit den Toten auf der Autobahn oder von ertrunkenen Kindern tue, sei "herz- und seelenlos".
Dass die FPÖ kritisiere, dass es zwar Geld für Flüchtlinge, aber nicht für "unsere Leute" gebe, ist seines Erachtens "pure und lupenreine Polemik". Denn die Blauen hätten stets gegen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung - wie etwa die bedarfsorientierte Mindestsicherung - gestimmt. Auch Deutschkursen würden sie die Zustimmung verweigern.