Wien. (apa/rös) Seit Ende Juli ist der viel debattierte Umbau der Wiener Mariahilfer Straße in eine Fußgänger- bzw. Begegnungszone abgeschlossen. Die Änderung ist laut Wiener Wirtschaftskammer an den Händlern auf der Shoppingmeile nicht spurlos vorübergegangen: "Wir haben zum Teil mehr Frequenz und weniger Kaufkraft", berichtet der Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte Handel, Rainer Trefelik am Mittwoch. Das bedeutet laut Trefelik: Es wird weniger teuer gekauft.

Von Stadtregierungsseite vermutet man politisches Kalkül hinter diesen Behauptungen: "Vermutlich wird da jetzt gezündelt, weil man bei der ÖVP doch noch die Chance auf Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ sieht", heißt es da. Abgesehen davon wird kritisiert, dass Trefelik über keinerlei Datenmaterial verfügt, das seine Behauptungen untermauern könnte. "Zwei Wochen vor dem Start des Weihnachtsgeschäfts zu jammern, ohne konkrete Zahlen vorzulegen, ist peinlich", meint man in grünen Kreisen. Hier werde Parteipolitik auf dem Rücken der Unternehmer gemacht. Wirtschaftliche Kaufkraft durch politische ersetzt. Und auch aus dem Büro von Planungsstadträtin Maria Vassilakou heißt es dazu: Wenn es dazu valide Daten gibt, möge man sie uns bitte zukommen lassen, damit wir das entsprechend bewerten können."

"Jetzt jüngere Kunden"


Trefelik führt seine Aussagen unter anderem darauf zurück, dass im Vergleich zu früher jetzt jüngere Kunden auf der Mariahilfer Straße unterwegs seien. Und deren Kaufverhalten soll auch Auswirkungen auf das Angebot haben: "Es dreht sich das Segment", analysiert der Spartenobmann. Das veranschaulicht er anhand eines Beispiels: "Wenn ich die teure Tasche nicht verkaufen kann, sondern mehr aus dem billigeren Genre, dann muss ich mich drauf einstellen."

Der Umsatzrückgang werde aber auch dadurch verursacht, dass schwer transportable Gegenstände nun weniger häufig gekauft würden. Wobei Trefelik versichert, dass die Hauptstraße, sprich die Mariahilfer Straße, funktioniere. Anders ist dagegen das Bild abseits davon: In den Nebenstraßen gebe es "massive Umsatzrückgänge": "Die zahlen den Preis." Auch die Garagen seien massiv weniger ausgelastet.

Dass sich das Publikum verjüngt hat, hat auch der Bezirksvorsteher von Mariahilf, Markus Rumelhart (SPÖ) beobachten können. Dass es dadurch aber zu einem Kaufkraftverlust gekommen ist, diese Meinung kann er nicht teilen. "Es würden sich sicher keine neue Betriebe ansiedeln oder bestehende Betriebe aus- oder umbauen, wenn das so wäre", erklärt Rumelhart der "Wiener Zeitung". Dass hier zurzeit kräftig investiert werde, sei für ihn der faktorische Beweis, dass die Mariahilfer Straße funktioniere.

Allerdings räumt der Bezirkschef auch ein, dass bestimmte Luxusmarken in das Goldene Quartier am Graben abgewandert seien oder sich etwa der Slama ins Auhof Center begeben hat. Ob das aber große Auswirkungen auf die Kaufkraft der Besucher hat, will Rumelhart bezweifeln. Auch der Bezirksvorsteher von Neubau, Thomas Blimlinger hat vonseiten der Unternehmer kein Feedback in diese Richtung erhalten.

Keiler als weiteres Problem


Weitere Probleme sieht man bei der Wiener Wirtschaftskammer im Übrigen auch in den "Keilerorganisationen", deren Mitglieder auf der Mariahilfer Straße unterwegs seien. Wenn sich dauernd Keiler vor den Passanten aufbauen, "dann wird das Shoppingerlebnis ein bisschen grenzwertig", meint Trefelik dazu. Sein Ziel ist es, dies in "geordnete Bahnen" zu lenken, meint Rainer Trefelik und verweist dabei auf bereits bestehende Regelungen für Straßenmusiker.

Dieses Problem ist Rumelhart wiederum bewusst. "Verbieten können wir es leider nicht", meint er. Schließlich sei etwa Spendenaquisition, wie sie auf der Mariahilfer Straße praktiziert werde, nicht genehmigungspflichtig. Hier würden aber die Bezirke Mariahilf und Neubau gemeinsam mit den Behörden aktiv nach Lösungen suchen, versichert Rumelhart. Das Flyer-Verteilen hingegen sei geregelt: Das dürfte eigentlich nur jeweils vor dem eigenen Geschäft stattfinden.

Und obwohl Trefelik selbst das Thema wieder aufgegriffen hat, wünscht er sich, dass die Mariahilfer Straße "aus der Diskussion" genommen wird: "Das Gerede hat der Straße nur geschadet. Das war unsinnig", erklärte am Dienstag. Denn es sei das Schlechteste für ein Einkaufsgebiet, wenn ständig darüber geredet und gestritten werde. Trefelik fordert: "Lernen wir, was in diesem Prozess suboptimal verlaufen ist."