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Watergate

Von Hannah Heibl und Solmaz Khorsand

Politik
Hannah Heibl

Das Wasser am Wiener Juridicum ist von Bakterien befallen. Und hat damit keine Trinkwasserqualität mehr. Am Wochenende soll das Problem behoben werden. Die Studentenvertreter werfen dem Dekanat Geheimnistuerei vor.


Wien. Am Juridicum hat man endlich eine Lösung für überlaufene Pflichtveranstaltungen gefunden. Vorbei sind die Zeiten nervenaufreibender Knock-out-Prüfungen. Heute ist das Auswahlverfahren darwinistischer. Ein unbedachter Schluck aus dem Wasserhahn reicht - und siehe da, die überlaufene Vorlesung ist dezimiert zu einer überschaubaren Runde. Solche und andere Witze erzählen sich angehendende Rechtswissenschafter dieser Tage am Juridicum. Der Grund: Seit knapp einer Woche sollen die Studenten das Leitungswasser an ihrem Institut nicht trinken.

Auffällige Werte sollen bei einer "Routineuntersuchung" festgestellt worden sein. Eine "akute Problemsituation" sei hingegen nicht gegeben, so das offizielle Statement der Universitätsleitung am vergangenen Dienstag. Warum das Wasser keine Trinkwasserqualität habe, wurde nicht gesagt. Lediglich, dass man die Situation im Griff habe, das Personal mit Wasserflaschen versorgt sei und sich die Studenten demnächst an Wasserspendern bedienen könnten. Am Wochenende werden die Leitungen noch einmal gereinigt. Am Montag soll dann die nächste Untersuchung stattfinden. An der Universität ist man zuversichtlich das Wasser Mitte nächster Woche wieder freigeben zu können.

Dennoch, die Studenten sind aufgebracht, insbesondere die Studienvertreter. Sie fühlen sich gelinkt von der Informationspolitik der Universitätsleitung. "Mittlerweile wissen wir, dass bereits im Sommer bekannt war, dass ‚mit dem Wasser etwas nicht stimmt‘. Die Geheimnistuerei gegenüber den Studierenden ist für uns keineswegs akzeptabel und erschüttert unser Vertrauensverhältnis zum Dekanat. Festgehalten werden muss, dass die Probeentnahme, die in den Zeitungen und vom ORF als ‚Routinekontrolle‘ bezeichnet wurde, lediglich auf Nachdruck einiger Universitätsmitarbeiter stattfand", schreibt Caroline Lesky, Vorsitzende der Fakultätsvertretung Jus, in einer Stellungnahme. So haben sich Universitätsmitarbeiter bereits am 3. August darüber beschwert, dass braune Flüssigkeit aus den Leitungen kommt. Das Management hat eine Trinkwasseranalyse veranlasst. Sie besagte, dass im Wasser ein erhöhter Eisenwert festgestellt werden konnte. Um den Wert zu normalisieren, wurde das Wasser mit einer Chemikalie durchspült. Laut Auskunft des hauseigenen Arbeitsmediziners sei zu keiner Zeit "eine Gefahr für die Gesundheit bestanden", steht in dem E-Mail, das Mitte Oktober an die Mitarbeiter hinausging und der "Wiener Zeitung" vorliegt. Auf Wunsch der Mitarbeiter wurde eine weitere Untersuchung nach Trinkwasserverordnung zu diesem Zeitpunkt in Auftrag gegeben. Dieses Mal war das Ergebnis beunruhigender: Eine "geringfügige Parameterüberschreitung bei "Pseudomonas Aeruginosa" sei im Wasser festgestellt worden.

Bei "Pseudomonas Aeruginosa" handelt es sich um sehr resistente Bakterien (auch gegen Antibiotika), die insbesondere in Feuchträumen, in Waschbecken, Duschen, aber auch destilliertem Wasser zu finden ist. Für gesunde Menschen sind die Bakterien weitestgehend harmlos, meine Experten der Ages, der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Bei abwehrgeschwächten Personen hingegen könnte der "Pfützenkeim" zu schwerwiegenden Infektionen wie beispielsweise Lungen-und Harnwegsentzündungen führen.

Wasser beioffenen Wunden bedenklich

Am 23. Oktober wurden die Mitarbeiter und die Studienvertreter der Universität von dem Gutachten informiert. Im Mail, das der "Wiener Zeitung" ebenfalls vorliegt, wird festgehalten, dass es sich bei der festgestellten Menge der Bakterien um keine "akute Gesundheitsgefährdung" handelt, aber laut "Trinkwasser VO unzulässig ist. Wir müssen Sie daher bitten, bis zur Behebung der Ursachen auf das Trinken des Wassers zu verzichten und dies auch an alle Nutzer weiterzuleiten."

Die Studenten wurden mittels Warnschilder von der Qualität des Trinkwassers in Kenntnis gesetzt. Warum sie das Wasser künftig nicht mehr trinken sollen, wurde ihnen nicht kommuniziert. Von den Bakterien war auf den Schildern keine Rede. In Internetforen wurde daraufhin heftig diskutiert, um was es sich bei dem kontaminierten Wasser handeln könnte. Ob eine Gefahr davon ausgeht? Ob die Kaffeeautomaten und die Kantine weiterhin mit dem verseuchten Wasser versorgt werden? Binnen kürzester Zeit kam das Mail, das an die Mitarbeiter verschickt worden war, an die Öffentlichkeit, und man fragte sich, was es mit den mysteriösen Bakterien auf sich hätte. Kann man sich damit noch die Hände waschen? Was, wenn man sich im Anschluss daran die Kontaktlinsen oder ein Tampon wechselt? Ist das nicht gefährlich?

"Wenn die Haut vorgeschädigt ist oder großflächig zerstört ist, kann das ein Problem werden, weil Keime ungehindert eindringen können, aber einem gesunden Menschen passiert nichts", beruhigt ein Ages-Sprecher.

Warnschilder müssten den Studenten reichen

Für Paul Oberhammer, dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, ist das hauseigene "Watergate", wie die Causa unter Studenten scherzhaft genannt wird, seitens der Studienvertretung hochgespielt worden. Immer wieder habe das Dekanat das Gespräch mit den Vertretern gesucht, so auch bereits nach der ersten Untersuchung des Trinkwassers, als hohe Eisenwerte im Wasser diagnostiziert worden waren. "Wir haben auf diese Einladung keine Antwort bekommen", sagt Oberhammer. "Die erste direkte Kontaktaufnahme zu mir gab es erst in der Nacht vom 28.10.2015 anlässlich unserer Stellungnahme. Bis dahin habe ich vom Dekanat keine einzige E-Mail bezüglich der Wasserproblematik erhalten", sagt Fakultätsvertreterin Lesky.

Oberhammer betont, dass er die Vertreter auch weiterhin über die aktuellen Entwicklungen informieren will. Auch Lesky bestätigt, dass sie mittlerweile in jedem E-Mail-Verteiler, der die Causa betrifft, drinnen steht.

Nur die 14.000 Studenten müssen sich mit den Schildern begnügen, wie Oberhammer erklärt: "Sollen wir 14.000 Studierenden medizinische Gutachten schicken, dass es kleine Abweichungen von der Norm gibt? Es steht auf den Schildern, dass das Wasser nicht getrunken werden darf. Das muss reichen. Zudem ist das ein öffentliches Gebäude, und sehr viele Nutzer sind nicht einmal Jusstudierende."