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Revolution mit dem Einkaufszettel

Von Daniel Bischof

Politik
Diskutierten über Nahrungsmittelproduktion : Helga Kromp-Kolb, Karin Büchl-Krammerstätter, Eva Persy, Georg Patak, Kurt Remele, Melanie Joy, Franz-Josef Kögel (v.l.n.r.) .
© Fotolia (BillionPhotos.com)/Stanislav Jenis

Mit einer Tagung starteten MA 22 und Tierschutzombudsstelle Initiative für Tier- und Umweltschutz in Lebensmittelproduktion.


Wien. "Kopf halts Maul, jetzt ist die Zeit zu tun, was das Herz sagt", ist einer der Leitsprüche des Urkraft-Bauern Franz-Josef Kögel. Mit Überzeugung verteidigt Kögel, der einen Bio-Bauernhof in Leiterberg im deutschen Allgäu bewirtschaft, seine Arbeitsweise und Ideen. In Tracht gekleidet, wettert Kögel - in fast schon revolutionärer Manier - gegen die Lebensmittelverschwendung, Überproduktion und das Aussterben der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe.

"Im Supermarkt bekomme ich alles zu jeder Zeit in x-beliebiger Menge", sagt Kögel. Doch bei einem Produkt, das nie ausgehe, müsse man sich Gedanken machen. "In Deutschland ist beim Bäcker die Theke um 7 Uhr morgens genausogut gefüllt wie am Abend. Alles was am Abend dann noch da ist, wird weggeschmissen." Man müsse deshalb die Geschäfte bevorzugen, wo auch einmal etwas nicht vorhanden sei. Der Bio-Bauer plädiert an die Konsumenten, "wieder kochen zu lernen" und Eigenverantwortung zu zeigen: "Jeder Einkaufszettel ist eine Stimme für das eine oder das andere System."

Umweltschäden und Tierleid

Der Landwirt sprach im Rahmen der Tagung "Guter Geschmack ..." am Mittwoch im Parkhotel Schönbrunn. Die Veranstaltung wurde von der Wiener Umweltschutzabteilung der Stadt Wien (MA 22) und der Tierschutzombudsstelle Wien organisiert, die damit die Initiative "Guter Geschmack - Gutes Gewissen" für Tier- und Umweltschutz in der Lebensmittelproduktion startete. Denn die Massentierhaltung würde Umweltschäden und Tierleid als auch die Zerstörung von kleinbäuerlichen Strukturen verursachen, sagt die Chefin der MA 22, Karin Büchl-Krammerstätter.

Um einen Beitrag dagegen zu leisten, setze die Stadt Wien unter anderem auf die ökologische Beschaffung von Lebensmitteln, etwa für Kindergärten, Schulen als auch Krankenanstalten der Stadt. Es gebe das Bekenntnis, dass mindestens 30 Prozent der dort konsumierten Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft kommen müssen. Diesen Prozentsatz wolle man nun erhöhen. Zudem müssten sich die verschiedenen privaten als auch öffentlichen Initativen - wie etwa jene gegen die Enthornung von Rindern oder gegen das Wegschmeißen von Lebensmitteln - besser vernetzen.

Krammerstätter appellierte zudem an die Macht der Konsumenten: "Es ist wichtig, die Kräfte zu bündeln. Jeder beeinflusst jeden Tag mit all seinen Handlungen unsere weitere Entwicklung." So sei ökologisch einzukaufen eine Möglichkeit, nachhaltig etwas zu verändern.

Auch über Vegetarismus und Veganismus wurde ausgiebig diskutiert. Der Theologe und Ethiker Kurt Remele von der Universität Graz meint, dass "Veganismus ein Phänomen westlicher Bildungseliten" sei. Doch das sei geschichtlich nichts Ungewöhnliches: So sei etwa das Wahlrecht für Frauen von Akademikerinnen und nicht von Frauen der Arbeiterklasse, erkämpft worden.

Auch seien die wirtschaftlichen und medizinischen Rahmenbedingungen im Westen für den veganen Trend gegeben: "Ich kann mich gesund ernähren, ohne Fleisch zu essen. Bekomme ich zu wenig Vitamin B12, kann ich Nahrungsergänzungsmittel nehmen." Das könnten Menschen aus der sogenannten Dritten Welt nicht.

Laut Remele gäbe es aber keinen Automatismus hin zum Veganismus. Vielmehr müssten sich dafür erst die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. So müsste etwa Fleisch teurer und die Gesundheitsfolgen des Fleischkonsums stärker bewusst werden. Remele selbst ist Vegetarier: "Individualethisch muss man Vegetarier oder sogar Veganer sein. Meine Lust, ein Tier zu essen, ist nichts im Vergleich zum Interesse des Schweines zu leben."

Konsum mit Folgen

"Was wir essen, entscheidet wesentlich mit, wie sich unser Klima entwickelt", sagt die Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Für die Professorin der Universität für Bodenkultur in Wien ist das Essen von Fleisch mit vielen Themenbereichen vernetzt. So würde verantwortungsvoller Konsum gleichzeitig auch dem Klimaschutz, der eigenen Gesundheit als auch dem guten Gewissen, nützen. Man dürfe nicht alles auf nur einem Punkt fokussieren: "Was wir aus einem Grund tun, ist auch aus anderen Gründen wertvoll."

Doch ist die biologische Landwirtschaft ein Allheilmittel? Bio sei ein genialer Einstieg, um die Produktion als auch das Einkaufsverhalten zu verändern, meint Kögel. Wichtig sei aber, dass sich Bio weiterentwickeln würde. Denn momentan sei die biologische Landwirtschaft an der Schwelle, zu einem reinen Geschäftsmodell zu verkommen. Milliarden von Euro würden mit Bioprodukten umgesetzt werden. "Das lässt sich der Handel natürlich nicht entgehen", sagt Kögel.