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Reine Interpretationssache

Von Christian Rösner

Politik

Die Vertretungsfrage des Bürgermeisters ist noch immer nicht geklärt, wäre aber schnell und einfach zu lösen.


Wien. Wenn sich selbst Verfassungsjuristen nicht darüber einig sind, wer denn nun in Wien Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Häupl in Abwesenheit vertreten darf, dann wird es schwierig, eine befriedigende Antwort zu finden.

"Wenn der Text nicht ganz klar ist, dann kommt es immer auf den Kontext an", meint dazu der Politik- und Rechtswissenschafter Manfried Welan. Es handelt sich also um eine reine Interpretationsfrage. Laut Welan ist die Stadtverfassung so gut auf die Wiener SPÖ abgestimmt, "dass für die unwichtigen Dinge eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist und für die wichtigen Dinge eine einfache Mehrheit reicht". Also wozu die Aufregung? Eine konkretere Definition über die Vertretungsfrage wäre schnell und sehr einfach von Rot-Grün umsetzbar.

Im Paragraph 94 der Wiener Stadtverfassug heißt es aber derzeit noch wörtlich: "Gehören die Vizebürgermeister verschiedenen Parteien an, dann wird der Bürgermeister von jenem Vizebürgermeister vertreten, der der stärksten Partei des Gemeinderates angehört (...)".

Und hier gibt es schon den ersten juristischen Interpretationsspielraum: Denn die SPÖ hat im aktuellen Fall keinen Vizebürgermeister. So könnte nun eine Seite behaupten, die Vertretung übernimmt jener Vizebürgermeister, der von der stärksten Partei nominiert wird. Und das wäre für Rot-Grün sicherlich Maria Vassilakou.

Die andere Seite wiederum könnte sagen: Vassilakou gehört aber nicht der stärksten Partei im Gemeinderat an, also müsste die zweitstärkste zum Zug kommen.

Viel klarer wird der Paragraph 94 erst wieder, wenn es um die Vertretung der Vertretung geht:
"(...) Ist auch dieser verhindert, so wird der Bürgermeister von dem anderen Vizebürgermeister vertreten."

Immer eine Wunschvertretung

Und bei Punkt 3 heißt es dann ebenfalls relativ unmissverständlich: "Wenn der Bürgermeister und beide Vizebürgermeister verhindert sind, so wird der Bürgermeister durch das von ihm bestimmte oder in Ermangelung einer solchen Bestimmung vom Stadtsenat berufene Mitglied des Stadtsenates vertreten."

Ähnlich verhält es sich im Übrigen auch im Paragraph 132 die Vertretung des Landeshauptmannes betreffend: "Der Bürgermeister wird als Landeshauptmann durch das vom Stadtsenat bestimmte Mitglied vertreten", heißt es in der Stadtverfassung.

Gelebte Praxis ist allerdings, dass sich der Bürgermeister permanent von Personen seiner Wahl vertreten lässt - sei es bei Markteröffnungen, der Überreichung eines Ehrenzeichens oder beim Spatenstich für ein Bauprojekt. Das steht zwar nicht in der Stadtverfassung, wird aber seit Jahrzehnten so gehandhabt.

Ob das auch im Stadtsenat möglich wäre, ist eine andere Frage. Denn dass der Bürgermeister den Vorsitz des Stadtsenates zu führen hat, steht expressis versis in der Stadtverfassung. Ebenso wie der Satz: "Der Gemeinderat tritt auf Einladung des Bürgermeisters zusammen."

Noch nie krank

Allerdings ist es tatsächlich noch nie vorgekommen, dass sich der Bügermeister wegen Krankheit im Stadtsensat vertreten lassen musste. Der Spruch: "Wo kein Kläger, da kein Richter", gilt also in dieser Sache zumindest bis heute.

Im Übrigen steht in der Stadtverfassung auch nicht geschrieben, bis wann der Gemeinderat konstituiert sein muss.