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Geld versus Kultur

Von Teresa Reiter

Politik
Die Vereinsräume sollen Loftwohnungen weichen.
© mo.e/Alexander Felch

Der Mietvertrag für den Kulturverein mo.e in Hernals ist ausgelaufen - aber er will nicht gehen.


Wien. Wir möchten hierbleiben", sagt der Vorstand des kleinen Kulturvereins mo.e in der Thelemanngasse 4 in Wien Hernals. Nur manchmal benutzen sie zaghaft die Formel "mo.e bleibt", wie man sie von Hausbesetzern kennt. Man ist zu höflich, um Kriegstrommeln zu rühren. Noch jedenfalls.

Das Haus, in dem sich die Galerie, die Ateliers und Proberäume des Vereins befinden, wurde bereits vor drei Jahren von der Immobilienfirma Vestwerk erworben, die den Verein damals noch nicht an die Luft setzen konnte, weil ein befristeter Mietvertrag bestand. Dieser endete jedoch mit 31. Dezember 2015, womit mo.e verpflichtet gewesen wäre, die Räumlichkeiten an den Eigentümer zurückzustellen. Genau das hat der Verein aber bisher nicht getan, denn man möchte bleiben. Ein Problem für den Investor, der genau den Teil des Hauses, der bisher der freien Kulturszene zur Verfügung gestanden war, ausgerechnet zu Loftwohnungen umbauen möchte.

Andere Räume angeboten

So kommt es, dass sich am Montag Vertreter beider Konfliktparteien bei einer Pressekonferenz gegenüberstehen, die Nestroy nicht besser inszenieren hätte können. Auf der linken Seite sitzen die Künstler, die ihren Raum behalten wollen, der ihrer Meinung nach in der bisherigen Verwendung einen weit höheren gesellschaftspolitischen Wert hat als teure Wohnungen. Sie werfen Vestwerk vor, sich rein für Profit zu interessieren und wollen sich dagegen wehren, dass der öffentliche Raum in Hernals von dieser Firma angenagt wird. Außerdem sei der Ort ein Teil der Bezirksgeschichte, er ist nämlich das Vorbild des in Frederic Mortons Roman "Ewigkeitsgasse" beschriebenen "Türkenplatzls".

Auf der anderen Seite taucht plötzlich Klaus Molisch, einer der Geschäftsführer von Vestwerk ,im Publikum auf. Er pocht darauf, dass der Mietvertrag befristet gewesen sei. Er sei sogar "eh nett" gewesen und habe dem Verein Räume angeboten, auf die er vorübergehend ausweichen könnte.

Molisch mag nicht der sympathischste Akteur in diesem Stück sein, doch scheint er das Mietrecht auf seiner Seite zu haben. Sollte es zu keiner Einigung mit dem Verein kommen, werde die Firma eine Räumungsklage einbringen. Und dann? mo.e hat in seiner Aussendung auf Facebook auf die Pizzeria Anarchia angespielt, das Haus, das nach seiner Besetzung filmreif mittels Einsatz einer Unmenge an Polizisten geräumt wurde. Darauf angesprochen reagieren Vertreter des Vereins peinlich berührt. Es gäbe verschiedene Szenarien. "Wir, die mo.e betreiben, haben nicht vor, hier die Pizzeria Anarchia nachzuspielen. Wir wollen auf einer respektvollen Ebene ein Gespräch mit allen Beteiligten führen", so die Vorstandsmitglieder.

Für Klaus Molisch scheint genug geredet geworden zu sein. Das Ganze dauert ihm sichtlich schon zu lange. Seine Firma habe einen Zeitplan und der Baubeginn habe sich nach dem Ende des Mietvertrages gerichtet. Das Vorgehen seiner Firma ist diesbezüglich weder rechtswidrig noch ungewöhnlich.

Goldgrube für Investoren

Aufstrebende Viertel, wie jenes um den Yppenplatz, zu dem auch die Thelemangasse gehört, sind eine Goldgrube für Investoren. Während die Immobilienpreise hier noch vergleichsweise niedrig sind, verfügt die Gegend über eine gute Verkehrsanbindung und liegt vergleichsweise zentral. Für Vestwerk ist nach Sanierung und Umbau des Hauses hier viel Geld zu verdienen, das ist kein Geheimnis, auch wenn Molisch es vorzieht, keine Zahlen zu nennen. Um "leistbares Wohnen" handelt es sich hier jedenfalls nicht.

Für den Verein geht es dabei aber um mehr als nur diesen Einzelfall. "Der Konflikt läuft aus unserer Sicht darauf hinaus, wem oder was hier mehr Wert beigemessen wird. Den privatwirtschaftlichen Interessen oder der Nutzbarkeit eines Raumes durch die Öffentlichkeit", so Alisa Beck von mo.e. Man wolle eine breitere Diskussion beginnen.

In gewisser Weise findet diese Debatte bereits statt. Die IG Kultur etwa, Interessengemeinschaft der freien und autonomen KulturarbeiterInnen, beschäftigt sich schon länger damit, wie Räume wie dieser aber auch leerstehende Räume genutzt werden sollen. IG-Vorstandsmitglied Willi Hejda sagt: "Wenn in ein Grätzl immer mehr Leute zuziehen, die einfach Geld haben, dann macht das auch eine andere Umgebung. Das ist eine Wertediskussion. Wenn Wien die lebenswerteste Stadt Europas bleiben soll, dann braucht es auch soziale Durchmischung." Das bedeute nicht, dass es daneben nicht hochwertiges Wohnen geben könne. Es sei ihm schon klar, dass Firmen Geld verdienen wollen, "aber man kann auch als Mensch, der Geld verdienen möchte, anders mit Leuten und Sachen umgehen", so Hejda.

Auch Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny kennt den Konflikt um das mo.e. Man habe versucht, zu vermitteln und immer wieder Gespräche mit den Beteiligten geführt. "Wir schätzen das mo.e und was sie tun und fördern sie auch. Aber es geht hier um ein privates Mietverhältnis", heißt es aus dem Büro des Stadtrats. Man bemühe sich nun einerseits, dem mo.e bei der Suche von neuen Räumlichkeiten zu helfen und andererseits darum, solche Probleme in Zukunft zu vermeiden.

Ein für die IG Kultur verwandtes Thema ist die (Zwischen-)Nutzung von leerstehenden Gebäuden in Wien. Diesbezüglich brachte sie eine Bürgerinitiative ein, die momentan in im Nationalrat auf Bearbeitung wartet. Darin wird gefordert, dass leerstehende Räume, aber einer gewissen Zeitspanne für nichtkommerzielle Nutzung geöffnet werden sollen.

Das Wort Zwischennutzung findet sich im Text der Initiative kein einziges Mal. "Zwischennutzung ist für uns schon auch ein Thema. Manche Initiativen brauchen Raum nur für begrenzte Zeit. Aber die meisten Initiativen, die sich auf Zwischennutzung einlassen, suchen etwas Langfristiges und es ist eine Notlösung für sie", so Willi Hejda.

Bedeutet das nun, das jeder Eigentümer, der sich auf Zwischennutzung einlässt, fürchten muss, sich in einer ähnlichen Situation findet, wie die Eigentümer des mo.e Hauses? Hejda glaubt das nicht. Es gäbe sehr unterschiedliche Arten von Raumbesitzern und in den meisten Fällen funktioniere die Zusammenarbeit gut.

Hilfe bei Zwischennutzung

Vonseiten der Stadt Wien wurde eine Maßnahme gesetzt, die vor allem die Kommunikation und das Zusammenführen von Gebäudeeigentümern und potenziellen Zwischennutzern zu verbessern. Eine eigens dafür eingerichtete Agentur soll noch im ersten Quartal dieses Jahres die Arbeit aufnehmen und sich unter anderem darum kümmern, Vertrauen zu schaffen und Überzeugungsarbeit zu leisten, damit leerstehende Räume einem sinnvollen Nutzen zugeführt werden können.