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Verdacht auf Geldwäsche bei Immobilien-Deal der Stadt

Von Bernd Vasari

Politik
Einer der drei verkauften Pavillons. Auszüge aus Dokumenten aus Geheimdienstkreisen über Investor Richard Chandler.
© Luiza Puiu, WZ-Montage

Undurchsichtige Investoren, Eliteschule, Geheimdienste: Wusste die Stadt, an wen sie die Semmelweis-Pavillons verkaufte?


Zwei Pavillons wurden renoviert (o.). Der dritte Pavillon verfällt (u.r.).
© Luiza Puiu

Wien. Innerhalb weniger Tage war der Deal unter Dach und Fach. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) flog sogar persönlich nach Singapur, um die Privatisierung des Währinger Semmelweisareals abzuwickeln. Zum Verkauf standen drei von sechs Pavillons. Hohe, denkmalgeschützte Gebäude, idyllisch eingebettet in einer großzügig angelegten Parkanlage. Über Jahrzehnte erblickten hier zigtausende Wiener die Welt. Eine Investorengruppe rund um den Immobilienentwickler Peter Nikolaus Lengersdorff und den neuseeländischen Milliardär Richard Chandler erwarben die Gebäude von der Stadt.

Vor mehr als drei Jahren wurde der Vertrag unterschrieben. Heute geht es um Bestechungs- und Spekulationsvorwürfe und es liegt nach Recherchen der "Wiener Zeitung" der Verdacht nahe, dass hier von russischen Oligarchen Schwarzgeld gewaschen wurde. Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft Zürich sowie europäische Geheimdienste und die CIA ermittelten.

Zu ersten Ungereimtheiten kam es bereits bei der Vertragsunterzeichnung Anfang Sommer 2012. Die Investoren vereinbarten mit der Stadt, dass sie die Pavillons auf 15 Jahre an die neu gegründete Amadeus International School Vienna vermieten werden - eine private Elite-Musikschule mit Schulgebühren in Höhe von bis zu 43.000 Euro im Jahr. Dafür bekamen die Käufer die Immobilien um 14,2 Millionen Euro - unter dem tatsächlichen Wert, wie auch Sandro Forst, Büroleiter von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) der "Wiener Zeitung" bestätigte. Der Gutachter der Stadt, der den Kaufpreis ermittelte, erstand seinerseits ein zweistöckiges Zinshaus auf dem Areal um 500.000 Euro, ebenfalls weit unter dem tatsächlichen Wert. Alle Verträge liegen der "Wiener Zeitung" vor. Warum der sozialdemokratische Bürgermeister sich für eine Eliteschule einsetzte, bleibt ebenso offen wie die Frage, warum die Stadt eines ihrer Baujuwele billig an Investoren verkaufte und nicht selbst an die Schule vermietete.

Häupl informierte Öffentlichkeit aus Singapur

Unklar ist auch, warum die Stadt auf eine Ausschreibung verzichtete und das versprochene Bürgerbeteiligungsverfahren unter den Tisch fallen ließ. Gemeinsam mit Bezirk, Anrainern und Bürgerinitiativen sollte ursprünglich eine ideale Verwertung gefunden werden. Doch daraus wurde nichts. Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Deal per Presseaussendung, die das Bürgermeisterbüro noch aus Singapur verschickte.

Für Häupl war der Deal mit den Investoren jedenfalls goldrichtig. "Wien wird damit seine musikalische Kernkompetenz steigern können", schwärmte er. Und: Die Schule sei ein Vorzeigeprojekt mit "Musikunterricht auf höchstem Niveau".

Die Idee für das Schulkonzept hatte Jürgen Kremb. Er war der Kopf der Amadeus-Schule, der auch bei der Pressekonferenz in Wien, etwa eine Woche nach der Singapur-Reise, als Vertreter des Projekts anwesend war. Kremb arbeitete jahrzehntelang als Spiegel-Korrespondent in Asien und wollte die Schule mithilfe seiner zahlreichen Kontakte zum Erfolg führen. Mit Singapurs führender öffentlicher Schule, der "Raffles Institution", plante er einen Schüleraustausch. Rund die Hälfte der Amadeus-Schüler sollte aus Asien kommen.

Unterbringen wollte man die Schüler in einem Internat auf dem Semmelweis-Areal. "Unser Ziel ist es, eine Brücke der Kulturen zwischen dem boomenden Asien und Europa zu schlagen und dem Faktor Kreativität mehr Raum zu geben", sagte Kremb damals. Geplant waren Stipendien für jene Schüler, die musikalisch begabt waren, aber nicht das nötige Kleingeld für die Schule hatten. Die Wiener Musikszene sollte mit der Amadeus-Schule ebenso belebt werden.

Neben der Raffles-Schule sollten auch mithilfe des neu gegründeten internationalen Schulnetzwerks Nobel Education Network (NEN) Schüler angelockt werden. Das Geld für NEN, das Anteile an der Amadeus-Schule hält und somit die Schule mitfinanziert, stammt von Richard Chandler. Häupl wusste davon, wie eine Pressemitteilung des Bürgermeisterbüros bestätigt. Doch wusste er auch, wer Chandler ist? War es Häupl egal, an wen die Stadt ihre Immobilien verkaufte und wer hinter dem "Vorzeigeprojekt" steht?

Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Investor Chandler

Einblick geben Dokumente aus europäischen Geheimdienstkreisen, die der "Wiener Zeitung" vorliegen. Auch die CIA ermittelte. In den Dokumenten wird Chandler Geldwäsche im großen Stil vorgeworfen. Es geht um Schwarzgeld von russischen Oligarchen. Ermittlungen der russischen Behörden gegen Chandler seien jedes Mal von oben gestoppt worden, heißt es. "Chandler ist von der russischen Polizei und den Aufsichtsbehörden praktisch unantastbar." Auch die Zürcher Staatsanwaltschaft war wegen des Verdachts auf Geldwäsche hinter ihm her. Er hat jedoch bald darauf die Schweiz verlassen. Die Verfahren wurden ergebnislos eingestellt.

Für Jürgen Kremb war der Deal mit den Investoren ein folgenschwerer Pakt. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung und dem Erwerb der Pavillons von der Stadt Wien warfen sie ihn aus seinem eigenen Projekt. Man sei mit seiner Arbeit nicht zufrieden gewesen, sagt Lengersdorff. Jürgen Kremb erhebt den Vorwurf, dass die Investoren versucht hätten, ihn zu bestechen.

13 österreichische Staatsbürgerschaften gefordert

Investoren Peter Lengersdorff, Richard Chandler.
© Ludwig Schedl, Bloomberg,Munshi Ahmed

Einer der kleineren Investoren der Schule habe für sein Investment 13 österreichische Staatsbürgerschaften, darunter für sich selbst und seine Familie gefordert. 500.000 Euro wurden Kremb geboten, wenn er dies unterstützen würde. Doch er ging nicht darauf ein. Für Kremb der Grund für seine fristlose Entlassung. Außerdem hegt er den Verdacht, dass Lengersdorff auf dem Areal langfristig Luxusimmobilien machen will.

Ein Brief an Häupl, in dem er den Bürgermeister bittet, ein "Machtwort" zu sprechen, war vergebens. Häupl hätte noch einmal alles herumreißen können, sagt Kremb heute zur "Wiener Zeitung". Doch Häupl kümmerte es anscheinend nicht, was hinter den Mauern der Schule vor sich ging. Zum Erstaunen von Kremb. "Ich war überrascht, wie schnell und einfach die Türen aufgingen, als wir mit dem Projekt anfragten", erzählt der Amadeus-Schulgründer. Und wie schnell die Türen auch wieder zu waren, nachdem er auf der Straße stand. Nach dem letztinstanzlichen Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom Februar 2014 darf Kremb behaupten, dass er von seinen "ehemaligen Mitstreitern betrogen" wurde.

Warum wollten die Investoren Kremb loswerden? Mit dem Rausschmiss des Ideengebers kappten sie schließlich die Verbindung nach Asien. Haben die Investoren überhaupt Interesse an einem Erfolg des Schulprojekts?

Auch drei Schuljahre später kämpft die Schule noch mit Schwierigkeiten. Wie ein ehemaliger Lehrer erzählt, der nicht genannt werden will, sei die Stimmung am Boden. Die Mitarbeiter würden nicht lange bleiben, in drei Jahren gab es drei Direktoren. Die Schülerzahlen sind weiterhin gering. Nur zwei Pavillons wurden renoviert. Der dritte ist leer und heruntergekommen.

Im Hintergrund spielen sich unterdessen weitere fragwürdige Vorgänge ab. So wurde Ende 2014 das von Richard Chandler finanzierte Nobel Education Network verkauft. Der Käufer ist Rising Tide, eine Investmentgesellschaft mit Sitz in der Schweiz und in Singapur, die behauptet, eine wohltätige Krebsstiftung zu sein. Anfragen der "Wiener Zeitung", warum eine wohltätige Krebsstiftung ein Eliten-Schulprojekt aufkauft, wurden genauso unkommentiert gelassen wie Fragen über eventuelle krebsbehandelnde Einrichtungen, die von der Stiftung unterstützt werden. Dazu gibt es keine Stellungnahme von Rising Tide. Für eine gemeinnützige Stiftung in der Schweiz ein ungewöhnliches Verhalten gegenüber Medien.

Zweistelliger Millionenbetrag an wahlkämpfende Tea Party

Weitere Recherchen offenbarten eine andere Seite der "Wohltätigkeitsstiftung". Laut der Schweizer "Tagesanzeiger-Sonntagszeitung" hat der Chef der Stiftung des Schweizer Standorts, Shawn Stephenson, einen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag an die in den USA wahlkämpfende Tea Party gespendet. Laut Experten eine illegale Finanzierung, da Geld aus dem Ausland in einem US-Wahlkampf nicht verwendet werden darf. Auch dazu gibt es keine Stellungnahme von Rising Tide.

Zudem liegt der Verdacht nahe, dass Chandler bei Rising Tide seine Finger im Spiel hat. Nur einen Steinwurf von seinem Büro entfernt, befindet sich die asiatische Ausgabe der Krebsstiftung. Ihr CEO ist John Forsyth, ein langjähriger Wegbegleiter und enger Mitarbeiter von Chandler, von dem er "mein Vollstrecker" genannt wird. Ist Chandler gar der Kopf von Rising Tide und die Krebsstiftung nur ein Feigenblatt, um Schwarzgeld von russischen Oligarchen zu waschen? Wurde beim Kauf der Nobel Education Network, das die Amadeus-Schule mitfinanziert, Geld gewaschen? All diese Fragen stellte die "Wiener Zeitung" der Pressestelle der Krebsstiftung, erhielt aber keine Antwort. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wie geht es nun mit der Amadeus-Schule weiter? Wird die Stadt auch die restlichen drei Pavillons des Semmelweis-Areals an Lengersdorff und Chandler verkaufen? Derzeit befindet sich darin noch die Geburtsklinik. Sie soll in das Krankenhaus Nord übersiedelt werden, sobald dieses fertiggestellt ist. Laut dem städtischen Krankenanstaltenverbund (KAV) wird es Ende 2017 so weit sein.

Lengersdorff ist zuversichtlich. Die Schule sei ein Erfolgsprojekt, sagt er. "Ich bin optimistisch, dass im Schuljahr 2015/16 der Break Even Point (Gewinnschwelle, Anm.) erreicht wird." Für ihn steht außer Frage, dass die Investoren alle sechs Pavillons bekommen werden. Das sei auch immer schon das Gesamtkonzept gewesen. Und: "Es gibt schon eindeutige Zusagen von der Politik." Von wem wollte er aber nicht verraten.

Auch im Rathaus erhält man keine Antwort über die Zukunft des Semmelweis-Areals. Drei Jahre, nachdem Häupl die Amadeus-Schule als "Vorzeigeprojekt" angepriesen hat, will man anscheinend nichts mehr damit zu tun haben. "Es wird darüber nicht gesprochen", sagt ein Mitarbeiter des KAV, der nicht genannt werden will. Er verweist auf KAV-Generaldirektor Udo Janßen, der Bescheid wissen müsste. Doch dieser spielt den Ball weiter: "Das Nachnutzungsthema ist in den Obliegenheiten der Stadt Wien zu sehen. Der KAV hat es zwar genutzt, es sind aber Immobilien der Stadt Wien. Die Frage der Nachnutzung liegt nicht in unserer Kernkompetenz." Wer dafür zuständig ist, kann er nicht sagen. Die politische Verantwortung für den KAV liegt bei Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Was mit den drei Pavillons passieren wird, sei Sache des KAV, spielt sie den Ball zurück. Sie habe jedenfalls nichts damit zu tun.

Verantwortung wird im Rathaus weitergeschoben

Für die "zweckmäßige Verwertung der Semmelweis Frauenklinik" ist die Wiener Stadtentwicklungsgesellschaft (WSE) zuständig. So steht es auf der eigenen Homepage. Doch auch bei der WSE winkt man ab. Um frei werdende kommunale Immobilien kümmere sich die Magistratsabteilung 69, heißt es.

Bei der MA 69 weist man ebenso jegliche Verantwortung von sich. Das sei eine politische Entscheidung, so die Begründung. Die MA 69 gehört zum Büro des Wohnbaustadtrats Michael Ludwig (SPÖ). "Das betrifft das Gesundheitsressort", winkt man auch hier ab.

Ein Rathaus-Insider, der nicht genannt werden will, weiß von Verhandlungen zwischen der Amadeus-Schule und der Stadt Wien. Die Gespräche stecken derzeit aber fest, weil Lengersdorff die Flächen von Bildung auf Wohnen umgewidmet haben möchte. Damit könne er in den Pavillons weitere Internate unterbringen, so seine Begründung.

Die Forderung des Investors lässt einmal mehr an seinem Interesse des Schulprojekts zweifeln. Bestätigt sich der Verdacht von Kremb, dass Lengersdorff sich die Immobilie mit freifinanzierten Eigentumswohnungen vergolden will? Bei einem in der Gegend üblichen Quadratmeterpreis von 6500 Euro pro Quadratmeter würden die Investoren für die 15.000 Quadratmeter Nutzfläche 97,5 Millionen Euro verlangen können. Von der Stadt bekamen sie die drei Pavillons, wie bereits erwähnt, um 14,2 Millionen Euro.

Für Internatswohnungen ist eine Umwidmung hingegen nicht notwendig. Im Kaufvertrag zwischen der Stadt Wien und Amadeus Vienna Campus Eigentümergesellschafts mbH steht, dass "die Schaffung von temporären Wohnmöglichkeiten für Auszubildende, Lehrende, Gäste und im Rahmen des Betriebs tätige Personen" möglich sind.

Und Häupl? Heute will er nichts mehr davon wissen. "Für die Grundstücke des Semmelweis-Areals ist allein der KAV zuständig", sagt er der "Wiener Zeitung". "Sie müssen dort nachfragen. Das ist nicht meine Angelegenheit."

Mitarbeit: Saskia Blatakes

Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) weist Vorwürfe in einer Aussendung zurück.