Wien. "Das ist ein sehr, sehr großer Auftrag für unser Werk - und es sind auf jeden Fall die schönsten Züge, die wir je gebaut haben". Sandra Gott-Karlbauer, Direktorin des Wiener Siemens-Waggonwerks strahlt über den rund 500 Millionen Euro schweren Auftrag aus Saudiarabien: 74 Metrofahrzeuge vom Typ Inspiro für die Hauptstadt Riad werden in Simmering gebaut. Am Dienstagabend wurde das erste Fahrzeug im Werk feierlich - zu den Klängen von Richard Strauß’"Also sprach Zarathustra . . ." - enthüllt, nachdem die Frau Direktor Hand auf Hand mit Projektleiter Alwalid Alekrish von der Riad Metrobehörde den roten Startknopf gedrückt hatte.

Den Wünschen der Auftraggeber entsprechend haben die aus Aluminium gefertigten, auf Normalspur mit bis zu 90 Stundenkilometer fahrenden Züge neben dem durchaus futuristischem Design auch noch weitere Besonderheiten: Sie sind für die extremen klimatischen Bedingungen mit extra starken Klimaanlagen ausgerüstet und gegen Sandstürme mit Spezialdichtungen versehen. Und es wird in den für den öffentlichen Nahverkehr eingesetzten Zügen erstmals weltweit drei Klassen geben, die nach Geschlecht bzw. sozialer Stellung getrennt sind, wie am Rande des Roll-outs erklärt wurde. In der ersten Klasse an der Zugspitze werden auf den in Goldfarbe gehaltenen Sitzen fast ausschließlich Männer Platz nehmen. In Ausnahmefällen könnten auch "hochgestellte Frauen" First Class fahren, hieß es. Die zweite Klasse in der Zugmitte sei die "Family Class", in der Frauen unter Begleitung eines Mannes, des Ehemannes oder eines Familienmitglieds, sowie Kinder fahren werden. Ganz hinten ist dann die "Single" oder "Worker"-Klasse, in der alleinreisende Männer ohne hohe Stellung einsteigen sollen.

Riad hat Einwohnerzahl seit 1990 verdoppelt


Die Frage, ob Frauen in dem Land, das ihnen bisher das Lenken eines Autos verbietet, vielleicht das Steuer eines Metro-Fahrzeugs übernehmen könnten, stellt sich nicht: Die Züge werden fahrerlos teils durch Tunnels und teils oberirdisch auf hohen Betonstelzen quer durch Riad unterwegs sein. Umkehrungen der Züge in den Endstationen sind auch nicht vorgesehen: So werden also auf der Hälfte der Fahrten die Letzten die Ersten sein.

In der Sechs-Millionen-Stadt Riad gibt es bisher keine Metro. Mit dem Großprojekt, bei dem Siemens insgesamt für die ersten - und mit zusammen fast 64 Kilometern auch längsten - Linien 1 und 2 neben den Waggons aus Simmering - mit Drehgestellen aus Graz - auch die elektrische Ausrüstung sowie die Signal und Kommunikation für den fahrerlosen Betrieb im Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro liefern wird, sollen nun sechs Linien mit 175 km Länge errichtet werden.

Der Gesamtumfang des U-Bahn-Projekts Riad - Bauarbeiten, Technik, Züge, Stationen - überschreite bei weitem die 20-Milliarden-Euro-Marke, erläuterte Alwalid Alekrish, der Projektleiter der Riyadh Metro Arriyadh Development Authority: "Die neue Metro soll beim Umweltschutz helfen, die Infrastruktur verbessern, ein soziales Angebot sein und im Betrieb Arbeitsplätze schaffen". Riad wächst rasant: Seit 1990 hat sich die Bevölkerungszahl auf mehr als sechs Millionen Einwohner verdoppelt. Die Bauarbeiten hat der US-Konzern Bechtel mit zahlreichen Subunternehmern übernommen.

Wien ist weltweites Metro-Kompetenzzentrum


"Wir freuen uns sehr, dass wir heute in unserem Siemens-Werk in Wien Simmering den ersten Zug für das Metro-Projekt in Riad präsentieren konnten. Dieser Auftrag unterstreicht einmal mehr die internationale Ausrichtung unseres Wiener Werks und die industriepolitische Bedeutung dieses Standorts", sagt Arnulf Wolfram, Leiter Mobility Siemens Österreich. Das Werk Simmering - der Standort feiert übrigens heuer sein 185-jähriges Bestehen - ist mit 84.000 Quadratmetern Produktionsfläche einer der weltgrößten Fertigungsstandorte von Siemens, Wien ist auch das weltweite Kompetenzzentrum des Konzerns für Metros, Straßenbahnen, Reisezugwagen, vollautomatisierte People-Mover und E-Busse. Derzeit wird der erste Zug für Riad im Klima-Wind-Kanal des Rail Tec Arsenals (RTA) in Wien getestet. Im Frühjahr beginnen die Tests im konzerneigenen Prüf- und Validationcenter in Wegberg-Wildenrath. Per Sattelschlepper und Schiff sollen die ersten Züge dann ab Herbst 2017 nach Saudi-Arabien geliefert werden.