Wien. Die Hand wandert zur Maus. Man liest einen bereitgestellten Beitrag zu einem Thema und fühlt sich bestätigt. Ein "Linksklick" und schon ist ein "Like" verteilt. Sogleich gleiten die Finger flott über die Tastatur und schon wird der geschriebene Kommentar zu einem Teil des Sammelsuriums der Facebook-Welt. Soziale Medien übernehmen immer stärker die Rolle der Informationsbeschaffung. Der sorglose Umgang mit dieser jungen technologischen Errungenschaft öffnet, bei aller Euphorie, aber auch das Tor zu Manipulation, Desinformation und Betrug.
42 Prozent der Wiener Bevölkerung nutzen täglich Facebook. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie der niederländischen Bankengruppe ING. Damit liegt die Hauptstadt österreichweit in dieser Liste im hinteren Drittel (Vorarlberg führt sie mit 57 Prozent an). Während andere Kanäle wie Instagram mit 830.000 oder Twitter mit 140.000 österreichischen Nutzern untergeordnete Rollen spielen, dominiert hierzulande Facebook laut dem "Socialmediaradar" von 2016 mit 3.500.000 registrierten Personen deutlich. Von diesen Usern sind drei Millionen zwischen 14 und 49 Jahre alt.
"Infobubble" als Filter
Das Hauptproblem mit Facebook lässt sich grob auf den sorglosen Umgang und eine selbst geschaffene Informationsblase reduzieren. "Hierbei handelt es sich um einen Raum, in dem sich hauptsächlich Jugendliche, die sich kennen, vernetzen und sich einer Hegemonie unterwerfen, die sich von der Ähnlichkeit dieser Community speist", erklärt Gerit Götzenbrucker, Professorin für Publizistik an der Universität Wien.
"Wenn jemand politisch rechts denkt, dann kommen hauptsächlich auch politisch rechts stehende Informationen vor. Alles, was dem nicht entspricht, gelangt nicht in diesem Raum. Diese Bubble funktioniert fast wie ein Filter", sagt Götzenbrucker und weist auf die nächste große Schwierigkeit im Umgang mit Facebook hin: "Die Menschen kennen sich zu wenig aus und wissen nicht, wie sie dieses komplexe System bedienen sollen, um die Privatsphäre zu schützen. Deshalb kommt es immer wieder zu Kommunikationsunfällen. Das Private wird nach außen getragen, andere Leute lesen mit."
Gerade Bilder, wie diese wandern und was ihnen zugeschrieben wird, zeigen dieses Problem laut Götzenbrucker auf. "Wir Forscher sehen bei diesem generell sorglosen Umgang mit Inhalten starke problematische Strukturen und Inkompetenzen."
Der Begriff "Illiteracy" ist der 49-jährigen Wissenschafterin zufolge zentral bei der Falle der als Fakten getarnten Falschinformation und dem Verfangen in der eigens erstellten "Informationsblase". Es handelt sich um den Mangel einer Schreib- und Lesekompetenz und der Bewusstseinsmachung, wie der Algorithmus der Maschine wirkt.
"Das System denkt mit. Man muss wissen, dass nicht alles, was man an Information bekommt, auch alles ist, was möglich wäre. Es ist vorselektiert, denn die Maschine lernt ja. Wie man an relevante Informationen herankommt, sollte nicht bloß der Technologie überlassen, sondern auch gelernt werden", empfiehlt Götzenbrucker. Methoden der "intellektuellen Selbstverteidigung" sind keinesfalls komplexe Unterfangen und in kurzen Schritten leicht erledigt: "Wenn man eine gute Allgemeinbildung hat, reicht bereits der einfache Plausibilitätscheck. Kann die vorliegende Information wirklich wahr sein? Wie sieht es mit der Glaubwürdigkeit der Quelle aus? Taucht diese Behauptung auch in anderen glaubwürdigen Quellen auf?", sagt die Sozialwissenschafterin und verweist darauf, dass in ihrem Umfeld die BBC zu den weltweit aktivsten und größten Netzwerken zählt.
"Alternativ kann man sich in seinem sozialen Umfeld umhören, ob so etwas stimmen kann oder nicht. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit Experten zu befragen oder nach deren vielfältigen Meinungen im Netz suchen. Befolgt man das, schützt man sich schon gewaltig vor Desinformation."
Wege der Netzskepsis
Abseits von diesen Schutzmechanismen bietet das Netz ebenfalls ein paar kostenlose Werkezuge an, um sich bei Unsicherheiten "intellektuell" zu wehren. Sie sollen dazu dienen, bearbeitete oder aus dem Zusammenhang gerissene Bilder und Videos, die bestimmte Eindrücke erwecken sollen, und frei erfundene Falschmeldungen als Mittel der Manipulation offenzulegen. "Mimikama" ist der Selbstbezeichnung nach "ein gemeinnütziger Verein, der sich online mit Falschmeldungen, Abo-Fallen, Spam, Fake-Gewinnspielen, schädlichen Links und viel mehr im Internet beschäftigt. Der Hauptfokus ist dabei auf Facebook gerichtet".
"Google.com/imghp" ermöglicht indes dem Skeptiker, eine Bild-Datei hochzuladen und sie auf das Veröffentlichungsdatum oder einen anderen Zusammenhang zu überprüfen. Auf die gleiche Weise agiert der "YouTube DataViewer" von Amnesty International für gepostetes Videomaterial. Nutzt man all diese Werkzeuge und die obigen Ratschläge, so kann man verhindern, den verschiedenen gesellschaftsrelevanten Facebook-Phänomenen, wie dem Glauben einer Falschmeldung, missbräuchlich verwendeten Videos und dem Erstellen eines sogenannten "Hass-Postings", zum Opfer zu fallen.