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Der fehlgeleitete Patient

Von Ina Weber

Politik

Ein wesentliches Puzzle im Ärzte-Streit ist die langfristige Entlastung der "teuren" Spitäler - dafür wird der Ärztefunkdienst ausgebaut und eine neue Anlaufstelle soll den Patienten auf den richtigen Weg im Gesundheitsdschungel bringen.


Wien. Paul Prem ist erleichtert. Der Wiener Ärztefunkdienst, dem es in den vergangenen Jahren finanziell und personell nicht immer gut ging, hat im heurigen Jahr einen Aufschwung erfahren. Seit 1. Jänner 2016 gibt es nun schon eine höhere Bezahlung für die fahrenden Ärzte und sie sind mehr geworden. "Früher hatten wir 120 Ärzte. Das ging gar nicht gut. Jetzt sind es 154 mit steigender Tendenz", sagt Prem, der Leiter des Ärztefunkdienstes, zur "Wiener Zeitung".

Der Ärztefunkdienst ist sozusagen der Hausarzt fürs Wochenende und für die Nachtstunden. Er ist in den Nachtstunden von 19 bis 7 Uhr, an Wochenenden von Freitag 19 bis Montag 7 Uhr sowie an Feiertagen ganztägig besetzt und mit der Nummer 141 erreichbar. Für Prem ist es wichtig zu erwähnen, dass bei Notfällen, etwa wenn das Bewusstsein oder die Atmung nicht passen, natürlich 144 zu wählen ist.

"Wir haben einen Ansturm von Neuanmeldungen", freut sich der ärztliche Leiter. Viele der mitarbeitenden Ärzte, auch pensionierte Ärzte sind dabei, arbeiten jede zweite Nacht. Sie werden pro Visite von der WGKK bezahlt. In einer Stunde sind eineinhalb Visiten möglich. Mit 2016 bekommen die Ärzte 39 Euro pro Visite, im Jahr 2017 wird der Satz auf 53 Euro erhöht und 2018 erhält jeder Arzt 55 Euro. "Das ist schon ein guter Verdienst", so Prem.

Auch mit der Einführung des sogenannten Manchester Score, einem standardisierten Verfahren zur Ersteinschätzung in der Notaufnahme, sei es leichter geworden. Die Ärzte gehen dabei nicht mehr selbst ans Telefon, sondern das macht ein Telefondienst, der nach schematischen Fragen beurteilt, was als Nächstes zu tun ist. Der Patient wird dabei nach den Symptomen wie Schmerzen, Blutverlust, Temperatur oder Krankheitsdauer eingeschätzt und entsprechend dieser Einschätzung einer von fünf Stufen der Dringlichkeit zugewiesen. "Diese Schemata haben sich international durchgesetzt und sind sicherlich aufgrund von Sparmaßnahmen eingeführt worden", sagt Prem.

Ab Jänner 2017 soll der Ärztefunkdienst eine zusätzliche Funktion bekommen. Er soll auch am Tag unterstützend mitwirken. "Jene Hausärzte, die an einem Halbtag freie Kapazitäten besitzen, geben uns ihre Mobilnummer bekannt und werden von unserer Leitstelle kontaktiert, wenn in ihrem Bezirk oder Nachbarbezirk eine Visite anfällt", erklärt Prem.

Ärztefunkdienst auch tagsüber

Der Ärztefunkdienst soll aber zukünftig tagsüber nicht nur vermitteln, sondern auch Visiten machen. Dann nämlich, wenn das Pilotprojekt für die neue Telefonhotline "Teweb" starten wird. Ab Jänner 2017 soll das "telefon- und webbasierte Erstkontakt- und Beratungsservice" (Teweb) in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg in den Probebetrieb gehen. Angesiedelt werden die Servicestellen in Vorarlberg bei der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle in Feldkirch und beim Rettungsnotruf in Niederösterreich .

In Wien wird die Servicestelle vom Fonds Sozialen Wien betrieben werden (s. Interview unten). Unter einer vorerst noch nicht bekannten vierstelligen Telefonnummer sollen Anrufer rund um die Uhr von einem Fachpersonal medizinische Auskunft erhalten. Diese sollen von Tipps zur Selbstversorgung in einfachen Fällen bis zur Beratung, welchen Arzt man aufsuchen kann, reichen. In Notfällen würde auch die Rettung organisiert werden, heißt es.

Der Patient soll nicht mehr länger selbst entscheiden müssen, wohin er am besten geht. Zu viele würden mit Insektenstichen oder einem fiebernden Kind im Spital landen, sind sich alle einig. Die Ärztekammer kritisierte nur allzu oft, dass es zu wenige niedergelassene Ärzte in Wien gebe und der Ärztefunkdienst nicht oft in Anspruch genommen werde.

Die Stadt will die niedergelassenen Ärzte zwar nicht aufstocken, doch den Patienten in Zukunft zielgerichtet lenken. Doch bis die Menschen Teweb wählen oder den Ärztefunkdienst rufen statt ins Spital zu fahren, wird es wohl noch dauern. Auch im Regionalen Plan Gesundheit 2020 heißt es: "Änderungen im Inanspruchnahmeverhalten der Wiener Bevölkerung sind voraussichtlich nur langfristig erreichbar."