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"Organisationsversagen der SPÖ"

Von Alexander U. Mathé

Politik

Der Politologe Peter Filzmaier erklärt, was das Wahlergebnis in der Leopoldstadt für Rote und Grüne bedeutet.


"Wiener Zeitung":Nach der Wien-
Wahl im vergangenen Oktober hat Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gesagt, dass die SPÖ nur aufgrund der Zuspitzung des Wahlkampfs auf ein Duell gegen FPÖ gewonnen hat. Gibt ihr die Wahlwiederholung recht?Peter Filzmaier: Jein. Richtig ist, dass die Inszenierung eines Duells - egal, ob es tatsächlich stattfindet oder nur scheinbar - zu Lasten der dritten, vierten, fünften Partei geht. Inhaltlich falsch ist hingegen der Ausdruck Leihstimmen, der ja von den Grünen auch schon argumentiert wurde. In der Leopoldstadt hat nämlich nicht der Wechselwähler-Austausch entschieden, sondern der Austausch mit dem Lager der Nicht-Wähler. Jede Partei hätte ihr Ergebnis dramatisch verbessern können, wenn sie bei den Nicht-Wählern besser abgeschnitten hätte - auch die Grünen haben da noch Luft nach oben gehabt. Nicht ausschlaggebend waren hingegen die Stimmen, die man sich von irgendeiner anderen Partei geholt hat.

Kann man von der Leopoldstadt-Wahl Rückschlüsse auf die Bundespräsidentenwahl ziehen?

Nein, das ist Teil des Kommunikationsspiels der Parteien. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die Grünen gut beraten sind, das als Musterbeispiel herzunehmen. Stichwort: Mobilisierung. Sich zu früh zurückzulehnen, ist der erste Schritt zur Niederlage. Rückschlüsse kommen auch deshalb nicht in Frage, weil die Wähler in der Leopoldstadt weniger als ein halbes Prozent aller Wahlberechtigten der Bundespräsidentschaftswahl repräsentieren. Vor allem hat Alexander Van der Bellen bei der aufgehobenen Wahl in der Leopoldstadt mit 71,4 Prozent der Stimmen gewonnen. Das heißt, er hat dort ohnedies schon alle Nicht-FPÖ-Wähler auf seiner Seite gehabt. Die Entscheidung wird wohl eher bei der Aufteilung der an sich ÖVP-affinen Wähler im ländlichen Raum fallen. Und dass die elf Wochen später zwischen Grün und Blau so entscheiden wie ein Wiener Gemeindebezirk, dafür gibt es keinerlei haltbare rechnerische These.

Der SPÖ ist es ja recht gut gelungen, die Wien-Wahl auf das Duell gegen die FPÖ zu fokussieren. Könnten die Grünen bei der nächsten Wahl besser und glaubhaft vermitteln, dass man nicht Rot wählen muss, um Blau zu verhindern?

Wir blicken hier schon sehr weit in die Zukunft - 2020. Es ist natürlich zentral, den Wählern zu kommunizieren, worum es für die Partei geht. Ein Prozentpunkt oder ein Mandat mehr oder weniger beeindruckt den Mandatar, aber nicht den Wähler. Ich bezweifle, dass die Grünen ein Duell um den ersten Platz inszenieren werden können. Aus jetziger Sicht können sie das nicht einmal um den zweiten Platz; und einem Duell um den dritten Platz fehlt der Charme. Was sie aber könnten - und das hat zuletzt nicht geklappt -, ist, eine Richtungsentscheidung zu forcieren. Die Frage wäre dann: Rot-Grün oder Blau-Schwarz? Das ist eher das Potenzial der Grünen als Gegenmaßnahme zu einer möglich Wiederinszenierung eines Bürgermeisterduells zwischen Rot und Blau - obwohl es diese Wahl eines Bürgermeisters ja gar nicht gibt. Das wäre schon was: In allen anderen Bundesländern wäre der Lagerwahlkampf eine Hochrisikovariante, weil wir sonst eher klare Mitte-Rechts-Mehrheiten haben. In Wien hingegen ist als einzigem Bundesland der Lagerwahlkampf Links gegen Rechts machbar, weil es eine Mitte-Links-Mehrheit gibt. Aber auf der reinen Parteiebene wird es für die Grünen schwierig, denn sich als Dritter in das Rennen um den ersten Platz reinzureklamieren, das ist bei aller Anerkennung von Erfolgen in der Leopoldstadt, Neubau und Währing (wo sie die Bezirksvorsteher stellen), auf der Gesamtstadtebene lächerlich.

Was hat die SPÖ in der Leopoldstadt falsch gemacht?

Das Problem der SPÖ ist ein organisatorisches, wobei ich nicht weiß, ob es sich um einen Struktur- oder einen Managementfehler handelt. Verständlicherweise hat man die Wahl unterschätzt und geglaubt, dass der Vorsprung groß genug ist. Fairerweise muss man hier das Duell-Argument ins Treffen führen. So wie es für die Grünen bei der Gemeinderatswahl schwieriger war, in dieser Situation zu punkten, war es jetzt in der Leopoldstadt für die vermeintlich erstplatzierte SPÖ schwieriger. Die bessere Strategie der SPÖ wäre weniger in der Medienarbeit gelegen, sondern darin, die Stärke ihrer Organisationsstruktur zu nutzen. In Wien ist sie eine der stärksten und am straffsten organisierten Parteien überhaupt. Gerade bei einer niedrigen Wahlbeteiligung hätte sie ihre Leute an die Urnen bringen müssen - vor allem ältere Stammwählerschichten. Die gibt es ja bei allen demografischen Veränderungen in der Leopoldstadt immer noch. Und da hat man schlicht und einfach versagt.

Worauf ist das zurückzuführen?

Das kann einfach ein Managementfehler gewesen sein - man hat zu halbherzig agiert, beziehungsweise die Landesorganisation hat zu spät einen Tritt in den Hintern der Bezirksorganisation gegeben. Am schlimmsten wäre aber ein Strukturfehler, das heißt, die Organisationsstruktur für Mitgliederansprache ist gar nicht mehr so stark. Auf jeden Fall muss das Problem auf dieser Ebene gelöst werden und nicht etwa beim Medienwahlkampf angesetzt werden. Es besteht ja grundsätzlich immer Ausredeverdacht, wenn man den Medien die Schuld gibt. Aber bei einer so relativ kleinen Wahl steht die direkte Wähleransprache ungleich mehr im Mittelpunkt als bei der Nationalratswahl. Wenn man alle SPÖ-affinen Wähler an die Urne gebracht hätte, wäre das nicht passiert - auch wenn es nicht mehr so viele sind wie früher.

Zur Person

Peter

Filzmaier

ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems und für Politische Kommunikation an der Karl-Franzens-Universität Graz.