Wien. "Kann ich einen Blick in deine Tasche werfen?" Die Stimme des Security-Mannes ist freundlich, aber bestimmt. Zögerlich öffnet die junge Frau ihr Stoffsackerl. Zwei Bierdosen kommen zum Vorschein. "Also mit denen kannst du hier nicht rein", sagt der Türsteher. Wie auf frischer Tat ertappt liefert sie ihm die Dosen aus. Unter den grell leuchtenden Buchstaben "Flex" tritt sie verdattert ins Innere des gleichnamigen Clubs.

Das Flex ist streng, wenn es um Regeln geht. Hinter den heiligen Mauern von Wiens bekanntestem Musikclub sind mitgebrachte Getränke tabu. Verständlicherweise, das ist überall Usus. Doch hier ist die Sache komplizierter. Denn wo das Flex beginnt und wo es aufhört, ist nicht so einfach zu bestimmen. Die Grenzen verwischen. Jahr für Jahr wuchs der Club weiter in den öffentlichen Raum. Jahr für Jahr schnitt er sich ein weiteres Stück des Naherholungsgebiets Donaukanal ab. Doch beginnen wir von vorne.

Anfang der 1990er Jahre stopfte Thomas Eller ein riesiges Loch in Wiens Clubkultur. Mit viel antikapitalistischer Ideologie und im Geiste der Gegenkultur hob er das Flex in einem baufälligen Haus im 12. Bezirk aus der Taufe. Wiens erster Musikclub abseits des Mainstreams etablierte sich schnell als fruchtbarer Nährboden einer aktiven Hardcorepunkszene.

Doch der Boulevard schäumte über die mutmaßliche Brutstätte des Lasters. Beinahe täglich riefen Anrainer die Polizei. Schließlich stellte die Stadtregierung - die sich der Bedeutung des Flex für die Subkultur Wiens durchaus bewusst war - einen leerstehenden U-Bahnschacht am Ufer des Donaukanals zur Verfügung und unterstützte den Club mit drei Millionen Schilling (rund 220.000 Euro). Eine gute Verbindung zum Rathaus war hergestellt - sie scheint bis heute zu halten. Denn obwohl die schwarze Bezirksvertretung der Inneren Stadt immer wieder gegen das Flex intervenierte, stand die SPÖ stets hinter dem Club.

Eine Art Alternativ-Disneyland

Es lief gut für Thomas Eller und sein Flex. Nach der Wiedereröffnung am Donaukanal 1995 stand es in jedem Reiseführer. Hunderttausende Gäste aus aller Welt strömten jährlich in den Club. Doch mit der Zeit veränderte sich das Flex. Die Türsteher standen immer wieder unter Verdacht, schnell handgreiflich zu werden. Über der Bar prangte plötzlich das Reklameschild eines Alkoholkonzerns. Von der Subversion vergangener Tage war nichts mehr geblieben.

Gleichzeitig expandierte das Flex zu einer Art Alternativ-Disneyland. 2007 eröffnete ein Pavillon neben dem Eingang - das "Flex-Cafe". Zu Fußball-Großveranstaltungen lud man zum Public-Viewing auf einer rund 500 Quadratmeter großen Fläche neben dem eigentlichen Club. Irgendwann wurde sie zum permanenten "Flex-Garten".

Im heurigen Spätsommer riegelte man das Areal schließlich mit einer Bretterwand ab. Bunt abstrahierte Schädel zieren die drei Meter hohen Holzplanken. Von außen sieht man gar nicht mehr in den "Flex-Garten" - und die Gäste im Inneren nicht mehr den Donaukanal. Daneben, unter dem Brückenkopf der Augartenbrücke, lagern Tisch und Gastromöbel hinter einem Baustellenzaun. Für Spaziergänger und Radfahrer bleibt ein vier Meter schmaler Streifen zwischen Bretterwand und Kante der Kaimauer. Ob und wie viel der Club für das abgeschottete Terrain Miete bezahlt, ist ungewiss, denn die Verträge werden geheim gehalten. Der Umgang mit einst öffentlichem Grund und Boden ist intransparent.

Die Donauhochwasserschutz-Konkurrenz (DHK) - einer dem Verkehrsministerium unterstellten Gesellschaft - verwaltet den Großteil der Liegenschaften am Donaukanal, so auch die Gründe beim Flex. Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" wollte die zuständige Abteilung keine Angaben zur Höhe des Mietzinses machen - Argument: Datenschutz. Lediglich die Größe der vermieteten Fläche wurde verraten. Demnach vermietet die DHK dem Flex einen 400 Quadratmeter großen Bereich, auf dem ein Pavillon stehen soll. Das "Flex-Cafe" hat in etwa diese Größe. Für den Rest des benutzten Geländes liegen laut DHK keine Verträge vor. Was ist also mit dem, mindestens genauso großen, "Flex-Garten"?

Hat sich das Flex ein Stück öffentlicher Grund einfach einverleibt, abgeriegelt, und mit Security-Personal umstellt? Beim - für die Betriebsgenehmigungen zuständigen - Magistratischen Bezirksamt für den 1. Bezirk weiß man nichts von einer Schanigarten-Genehmigung. Der Club hätte lediglich Pläne für eine Änderung der Betriebsanlage eingereicht. Diese werden jedoch noch geprüft und seien noch nicht abgesegnet.

Gabu Heindl hat bei Bretterwänden und Müllhalden am Donaukanal generell Bedenken. Die Architektin konzipierte im Auftrag der Stadt die sogenannte Donaukanal Partitur - Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien für den Donaukanal. "Raumbildende Abgrenzungen wie Wände zur Begrenzung von Gastgärten sind in den Leitlinien über den gesamten Raum am Donaukanal nicht vorgesehen", sagt sie. "Wertvolle Freiräume können nicht einfach eingezäunt, geschweige denn mit einer raumhohen Bretterwand abgegrenzt werden. Die einmaligen stadträumlichen Qualitäten am Donaukanal sind Freiraum, Weitblick und die freie Sicht aufs Wasser."