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Gemeindebau goes Europe

Von Alexander Maurer

Politik
Geht es nach Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, sollte sozialer Wohnbau wie dieser Gemeindebau am Friedrich-Engels-Platz in Brigittenau auch europaweit Schule machen.
© Stanislav Jenis

Die "Wiener Initiative" - bestehend aus 30 Städten - will den gemeinnützigen Wohnbau in Europa sichern.


Wien. 30 europäische Städte "von Amsterdam bis Zagreb" haben sich einer Wiener Initiative angeschlossen, um den gemeinnützigen Wohnbau in Europa zu sichern. Das erklärt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig am Donnerstag vor dem 15. Wiener Wohnbauforschungstag an der TU Wien, wo internationale Experten über eine europaweite Verbreitung des Konzepts diskutieren.

"Bereits seit den Lissabonner Verträgen gibt es auf europäischer Ebene immer wieder Bestrebungen, den geförderten Wohnbau nur für sozial schwache Menschen zugänglich zu machen", erklärt Ludwig. Als Argument werde vor allem der freie Wettbewerb ins Feld geführt, da geförderter Wohnbau laut dessen Kritikern private Vermieter und Bauherren benachteilige. In einigen Mitgliedsstaaten sei die Gesetzeslage bereits zugunsten privater Interessen gekippt. In den Niederlanden wurden beispielsweise die Einkommensgrenzen für den Bezug einer geförderten Wohnung drastisch gesenkt. Tausende vor allem junge Menschen mussten ihre Gemeindewohnungen daraufhin verlassen, weil sie auf einmal zu viel verdienten. Aber auch Schweden und Frankreich verzeichneten Einschnitte im geförderten Wohnbau.

Gemeinnützigkeit statt Neiddebatte

Auch der deutsche Staatssekretär Gunther Adler von der SPD, der unter anderem für das Bauwesen zuständig ist, sieht derartige Entwicklungen problematisch. "Wenn man den sozialen Wohnbau in ein bestimmtes Segment abdrängt, kommt es irgendwann zu Unruhen. Die Leute sollen dort bleiben dürfen, wo sie sind", betont er. Er wünscht sich, dass das Modell der Gemeinnützigkeit, das vor allem auf Kostendeckung und Gewinnbeschränkung seitens der Bauträger abzielt, in Europa weiterhin Bestand haben solle. Gerade dieses wurde aber in Deutschland 1990 im Zuge eines Pakets zum Abbau von Steuervorteilen abgeschafft. Jetzt wird eine Wiedereinführung diskutiert.

Die Beschränkung des geförderten Wohnbaus für sozial schwache Menschen sieht auch Karl Wurm, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, als "gesellschaftspolitisch bedenklich". Derartige Maßnahmen würden Neiddebatten schüren. "Die ausgeschlossenen Leute werden sich fragen: ,Warum bekommt gerade diese Gruppe so viel?‘" Geschürt werde dies auch von der Sorge, man könne den Kindern zukünftig nicht den gleichen Wohlstand bieten. "Diese Verunsicherungen reichen bis tief in den Mittelstand", so Wurm.

Während in Wien trotz Wohnbauoffensive und Wohnticket (alteingesessene Wiener werden in der Warteliste vorgereiht) leistbares Wohnen immer noch nicht für alle selbstverständlich ist, herrschen im deutschen Leipzig scheinbar paradiesische Zustände. Dort stehen trotz rasanten Bevölkerungswachstums immer noch Wohnungen leer. Dies habe historische Gründe, erklärt Dorothee Dubrau. Sie ist seit Sommer 2013 Leipziger Bürgermeisterin und Beauftragte für Bau und Stadtentwicklung. Auch sie unterstützt die Wiener Initiative zur europaweiten Sicherung des geförderten Wohnbaus. "Nach der Wende ist die gesamte Industrie in der Stadt zusammengebrochen und mehr als 100.000 Menschen sind weggezogen. Wohnen war sehr preiswert und die Menschen konnten sich lange aussuchen, wo sie hinwollten", so Dubrau.

"Geförderter Abriss" in Leipzig

Die städtische Wohnbaugesellschaft geriet aufgrund der vielen Leerstände vor allem in den Neubaugebieten sogar in finanzielle Not. Um sie vor dem Bankrott zu retten, wurde um die Jahrtausendwende geförderter Abriss angeregt, dem 7500 geförderte Wohnungen zum Opfer fielen. "Aus heutiger Sicht schüttelt man den Kopf, aber damals war das die einzige Möglichkeit, ein wenig Entwicklung in die Stadt zu bringen und Wohnumfeldverbesserungen zu erreichen", gibt Dubrau zu bedenken. Mittlerweile ist Leipzig von der am stärksten schrumpfenden Stadt zur am stärksten wachsenden Stadt Deutschlands avanciert. In den kommenden fünf Jahren wird ein Einwohnerzuwachs von 200.000 auf insgesamt 730.000 Bewohner erwartet. "Auch wenn derzeit noch die Leerstände schrumpfen, ist eine Zuspitzung des Wohnungsmarkts absehbar", meint Dorothee Dubrau. Daher habe man sich mit dem Land Sachsen darauf geeinigt, dass Leipzig jährlich Fördergelder für 550 neue Wohnungen erhält. "Dabei handelt es sich auch um Wohnungen verschiedener Kategorien, da soziale Durchmischung in Deutschland genau wie in Österreich ein wichtiges Thema ist", betont die Leipziger Bürgermeisterin.

Die Eröffnungsrede des Wohnbauforschungstags hält übrigens der ehemalige Wohnbaustadtrat und Ex-Kanzler Werner Faymann. Der langjährige Parteikollege Michael Ludwigs will sich auf europäischer Ebene für die Wohnbauinitiative einsetzen.