Wien. "Sie haben ein Tattoo am Knöchel: Was steht da?", fragt Staatsanwalt Volkert Sackmann den Angeklagten. "Ruhm und Ehre", antwortet dieser. "Aber das gab es ja schon bei den Römern", fügt der 39-Jährige hinzu. "Das Tattoo haben sie ja aber nicht wegen Gaius und Cassius. Wessen Spruch war das noch?", will Sackmann wissen. "Waffen-SS", sagt der Angeklagte knapp.
Das Posten von nationalsozialistischer Propaganda auf Facebook, die Anhäufung von NS-Devotionalien, die beinahe täglichen "Heil Hitler!"-Rufe: Es sind einige der Wiederbetätigungsvorwürfe, welche die Staatsanwaltschaft Wien dem Angeklagten zur Last legt. Er soll gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. "Der Angeklagte hat den Vorsatz, NS-Gedankengut zu revitalisieren und zu propagandieren", führt Sackmann in seinem Eröffnungsplädoyer aus. Am Donnerstag hatte sich der Angeklagte im Straflandesgericht Wien vor einem Geschworenengericht (Vorsitzender Richter: Georg Olschak) zu verantworten.
Der Angeklagte - er befindet sich derzeit in Untersuchungshaft - erscheint in einem violetten Pullover und mit kurzen Haaren vor Gericht. Früher habe er lange Haare gehabt, wird er später erzählen. Er habe "Heavy-Metal-Musik" gehört, sagt er. Laut Anklage besaß der 39-Jährige mehrere CDs nationalsozialistischer Rockgruppen sowie ein Hörbuch der Waffen-SS. "Da gibt es aber bessere Bands", sagt Richter Olschak.
Von Großvätern radikalisiert
"Wie kommen Sie zu dem Gedankengut?", fragt Olschak. Bevor er antwortet, verweist der Angeklagte auf seinen Sprachfehler. Dieser falle besonders dann auf, wenn er nervös sei. Bei seiner Vernehmung stottert er mehrmals. Seine Sätze muss er öfters unterbrechen, um sich neu zu fassen.
Seine Großeltern hätten ihn aufgezogen, beide Opas seien "SSler" gewesen, erzählt der 39-Jährige dann. Ständig habe er vom Russlandfeldzug der Nazis gehört, SS-Uniformen seien in der Wohnung gehangen. Fotos in NS-Posen seien gemacht worden. "Für einen Jungen war das schon interessant", sagt er. In seine Schulhefte habe er immer den Reichsadler gemalt. Es habe deswegen "Probleme gegeben".
Mit der Arbeit habe aber die Faszination für die NS-Zeit aufgehört, gibt er an. Er habe die Installateurslehre abgeschlossen und für die Stadt Wien gearbeitet. 1995 habe er geheiratet und später zwei Söhne bekommen.
Dann aber habe er sich scheiden lassen und einen Arbeitsunfall gehabt. Im AKH habe man ihn mit Morphium behandelt, dadurch sei er arzneimittelsüchtig und später drogenabhängig und arbeitslos geworden. "Wie sind sie wieder zu den NS-Ideen gekommen?", unterbricht Olschak den Redefluss des Angeklagten. Er habe eine Gemeindewohnung gesucht, sich Hoffnungen gemacht, da er doch jahrelang für die Stadt gearbeitet hatte. Doch die "haben immer den Ausländern die Wohnung gegeben", behauptet er.
Drohung mit Klappmesser
Der Angeklagte kam in einem Obdachlosenheim unter. Dort soll er mit nationalsozialistischen Parolen aufgefallen sein, was er bestreitet. Als ihn ein Obdachloser wegen seiner Äußerungen angesprochen habe, soll er diesen bedroht und ihm ein Klappmesser an den Hals gehalten haben. Die Staatsanwaltschaft legt ihm deshalb schwere Nötigung zur Last.
Seine Verantwortung relativiert er mehrmals: Er gibt zwar zu, "rechte Sachen" gesagt zu haben, diese seien aber nur im privaten Bereich gefallen. Er habe nie "jemanden anderen aufgestachelt", sagt der 39-Jährige.
"Wie stehen Sie jetzt zum NS-Gedankengut?", fragt Olschak. "Die haben mich zu zwei Arabern eingesperrt, weil nix anderes frei war." Diese seien aber "super" und würden ihm Essen und Tabak geben. "Da habe ich erstmals gesehen, dass die nicht alle zuwider sind." Er könne aber nicht sagen, "dass ich mich komplett geändert habe". Er würde das heute aber "nicht mehr so handhaben", sagt er, ohne Details zu nennen. Ein Urteil gab es am Donnerstag nicht. Da nur einer der fünf geladenen Zeugen erscheint, wurde die Verhandlung auf den 12. Dezember vertagt.