Monir Ahmadi erzählt aus seinem Leben. - © vwfi/Sophie Kirchner
Monir Ahmadi erzählt aus seinem Leben. - © vwfi/Sophie Kirchner

Wien. Die 12-jährige Emina Piragic ist noch nicht viel größer als das Redepult, das im G11 in der Geringergasse 2 in Simmering für den Redewettbewerb "Sag’s Multi" aufgestellt wurde. Doch ihre Stimme ist voll und kräftig. Sie hält ihre Rede auf Deutsch und Bosnisch und erzählt wie sie die Schule in Bosnien erlebt hat. Damals habe es ihr dort gut gefallen. Erst als sie nach Wien gekommen ist und den Vergleich hatte, stellte sie fest, dass Kinder in Bosnien weniger Chancen haben. Dass die Schule schmutzig war, das Wasser kalt und die Bücher von den Schülerinnen und Schülern aus dem Vorjahr ausgeborgt werden mussten. Immer wieder wechselt sie zwischen Bosnisch und Deutsch. "In Österreich habe ich gemerkt, dass die Kinder in der Schule mehr Aufmerksamkeit bekommen und ich war begeistert von dem großen Angebot an Freifächern", sagt sie. Hier könne man nicht nur im Sommer schwimmen gehen, sondern auch im Winter. "Ich habe auch gemerkt, dass die Kinder hier mehr Wert auf Markensachen legen, den Wert der Dinge, die sie haben, aber nicht schätzen." Emina sagt, dass sie in Österreich die Chance hat, ihre Zukunft so zu gestalten, wie sie möchte. Diese Chance wünscht sie sich auch für bosnische Kinder. Unter begeistertem Applaus verlässt sie das Podium.

140 Schulen nehmen teil


568 Jugendliche aus 140 Schulen in ganz Österreich wurden von ihren Lehrerinnen und Lehrern für den Redewettbewerb "Sag’s Multi" nominiert. Bis Jänner laufen nun die Regionalrunden, in denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Finalrunden im Februar und März qualifizieren können. Türkisch, Dari, Portugiesisch, Arabisch, Albanisch - 50 Sprachen sind bei dem Wettbewerb in Kombination mit Deutsch zu hören. Von der Jury bewertet wird die sprachliche Kompetenz der Jugendlichen in Verbindung mit ihrem Auftritt, ihrer Gestik und Rhetorik und natürlich auch dem Inhalt der Rede, der heuer unter dem Leitthema "Think out loud" stehen sollen.

"Wir glauben, dass es den jungen Leuten guttut, wenn sie Wertschätzung für das erhalten, was sie mitbringen", sagt dazu Peter Wesely, Geschäftsführer des Vereins Wirtschaft für Integration im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Muttersprache pflegen


"Wir veranstalten den Wettbewerb, weil wir den den Jugendlichen vermitteln wollen, dass sie ihre Muttersprache pflegen sollen." Das sei ein entscheidender Punkt, der noch zu wenig im Blick sei, meint Wesely. Zudem wolle man dafür sorgen, dass die Weitsicht und die Erfahrungen, die die Jugendlichen gemacht haben, weiter gegeben werden.

Wie jene des 16-jährigen Monir Ahmadi aus Afghanistan. In seiner Rede, die er auf Dari und Deutsch hält, erzählt er, dass höhere Schulen im Iran für Exil-Afghanen nicht vorgesehen seien. "Als ich nicht mehr in die Schule gehen durfte, ging ich arbeiten. Da war ich neun Jahre alt", sagt er. Er führte Hilfstätigkeiten in einem Schlüsselgeschäft aus. Von dem Lohn konnte er nur fünf Brote für seine Familie kaufen. Später arbeitete er von acht Uhr früh bis zehn Uhr abends in einem Restaurant und machte den Abwasch. Österreich erscheint Monir wie ein Paradies. "Ich darf hier lernen so viel ich will und habe eigene Bücher, für die ich nicht arbeiten muss."

Chancengleichheit, Menschlichkeit und Idealismus - das sind die Themen, die die Jugendlichen bei dem Redewettbewerb in der Geringergasse aufgreifen. "Bildung ist wichtig, aber am meisten braucht ihr Mut, um die Welt so zu verändern, wie ihr sie euch vorstellt. Das ist eure Republik, eure Zukunft.", rufen die Veranstalter ihnen vom Podium zu. Und die Jugendlichen klatschen und hoffen, dass es wirklich so ist.