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Auf der Suche nach Lösungen

Von Alexander Maurer

Politik

Die Schülerunion Wien sucht gemeinsam mit der Muslimischen Jugend Österreichs Möglichkeiten, wie man Flüchtlinge bestmöglich in den Schulalltag integrieren kann. Dazu veranstaltet sie Umfragen, Diskussionen und Workshops an Schulen.


Wien. Farid ist 14 Jahre alt und besucht ein Wiener Gymnasium. Obwohl er sehr wissbegierig ist, hat er große Probleme, im Unterricht mitzukommen, denn er spricht kaum Deutsch und nur gebrochenes Englisch. Vor einem knappen Jahr musste er wegen des Krieges seine Heimat Syrien verlassen und lebt seitdem als Flüchtling in Wien.

Farid ist eine fiktive Person, steht aber für tausende jugendliche Flüchtlinge, die an Wiens Schulen untergebracht sind und um deren Integration sich Bildungsexperten aller Parteien streiten. Aber wie vorgehen? Förderunterricht in eigenen Deutschklassen oder direkte Inklusion in die Klasse? Ali Aiad und Ebrahim Radwan sind der Ansicht, dass keine der beiden Alternativen allein genügt. Die beiden 20-jährigen ehemaligen Gymnasiumskollegen sind seit Jahren in der Wiener Schülerunion tätig. Mittlerweile ist Radwan deren Landesobmann, Aiad Pressereferent. Im Studentencafé Einstein beim Rathaus erzählen sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vom Projekt "VIE.lfalt", in dem sie Schüler, Lehrer und Eltern darüber zu Wort kommen lassen, wie man mit geflüchteten Jugendlichen an Schulen umgehen kann, um Integration zu fördern.

Unsicherheit beim Umgangmit Flüchtlingen in Schulen

"Im Zuge unserer Arbeit bei der Schülerunion betreuen wir auch viele Schulen und sehen uns die Lage vor Ort an. Da haben wir gemerkt, dass es einige Probleme und Unsicherheiten gibt, vor allem, was die Flüchtlingsthematik angeht", erklärt Radwan, der selbst ägyptische Wurzeln hat. Sprachbarrieren würden es in Gymnasien untergebrachten Flüchtlingen erschweren, im Unterricht mitzukommen. "Das hält dann den Unterricht auf, obwohl der Flüchtling gar nichts dafür kann", führt er weiter aus. Die Schulen seien hierbei mit Herausforderungen konfrontiert, die sie bisher nicht zu bewältigen hatten, nicht jede könnte den Integrationsprozess erfolgreich abschließen. Auch die Neuen Mittelschulen, wo viele geflohene Jugendliche untergebracht wurden und wo bereits davor oft der Ausdruck "Brennpunktschule" gebraucht wurde, seien laut Radwan betroffen. Projekte wie Buddy-Systeme, in denen freiwillige Schüler mit Flüchtlingen lernen, seien rar.

Politische Lösungsansätze schwanken vor allem zwischen den beiden Polen, die Flüchtlingskinder in separate Deutschklassen zu stecken oder den Weg der direkten Inklusion in Unterricht und Klasse zu gehen.

"Unsere Kampagne ist aber nicht darauf ausgerichtet, einen dieser beiden Vorschläge zu bewerben oder durchzuboxen", betont Ebrahim Radwan. Er will vielmehr den Stimmen der Betroffenen, in diesem Fall jener der Schüler, Lehrer Direktoren und Eltern, mehr Gehör verschaffen. "Genauso wollen wir aber auch die Seite der Flüchtlinge thematisieren und nicht abgrenzen. Es geht uns darum, zu zeigen, welche Auswirkungen das Thema auf unser Bildungssystem hat", fügt er an. Durch Multiple-Choice-Fragebögen, die online ausgefüllt werden können, will die Initiative die Situation und den Umgang mit Flüchtlingen an den verschiedenen Schulen erfassen. "Auf Anfrage kommen wir aber auch direkt mit ausgedruckten Bögen in die Schulen", sagt Aiad.

Neben der Erfassung, ob es sich um Lehrer, Schüler, oder Eltern handelt, und der eigenen Einschätzung über den Umgang mit der Flüchtlingsthematik an Schulen werden Lösungsansätze wie Buddy-Systeme, Lehrerfortbildungen und Vorbereitungsklassen zur Bewertung gegeben. "Das ist natürlich nur eine anfängliche Auswahl, um einen Überblick zu bekommen, und keine richtige Sekundärwissenschaft", wirft Ali Aiad ein. "Es haben sich aber auch schon einige interessierte Schülerinnen und Schüler und Eltern mit ihren eigenen Ideen bei uns gemeldet, die wir natürlich auch berücksichtigen."

10.000 Bögen sollenausgefüllt werden

In den kommenden Wochen sollen 10.000 ausgefüllte Bögen zusammenkommen, hofft man bei der Schülerunion.

Für das Projekt haben Aiad und Radwan auch verschiedene Jugendorganisationen mit ins Boot geholt, allen voran die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ). "Viele Vorurteile gegen Flüchtlinge fußen darauf, dass sie aus muslimischen Ländern stammen, daher wollten wir unbedingt mit dieser großen Jugendorganisation zusammenarbeiten", betont Radwan. Auch weitere Unterstützer wie "Zusammen. Österreich" oder "United Cultures" beteiligen sich an der Kampagne. Gemeinsam mit der MJÖ sind auch parallel stattfindende Workshops an interessierten Schulen geplant. Unter der Leitung geschulter Trainer soll ein Diskussionsrahmen für die Flüchtlingsthematik und Erfahrungsaustausch geschaffen werden. "Das wird an Schulen oft nicht behandelt, außer vielleicht im Geschichtsunterricht oder von engagierten Lehrern. Oft besteht auch nicht die Möglichkeit dazu", argumentiert Ali Aiad, der selbst ausgebildeter Trainer im Bereich der Jugendvermittlung, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung ist.

Eine aktive Zusammenarbeit zwischen der als ÖVP-nah eingestuften Schülerunion und anderen Schülerorganisationen wie der sozialdemokratischen "Aktion kritische Schüler_innen" (AKS) gibt es derzeit nicht. "Unsere Kampagne hat aber im Schülerparlament begonnen, wo unser Antrag für das Projekt von 93 Prozent der Schülervertreter angenommen wurde. Zumindest hieraus können wir auf große Zustimmung schließen", meint Ebrahim Radwan. Das Gespräch mit der AKS würde aber "demnächst" gesucht, merkt er an.

Nach Auswertung will man Forderungen formulieren

Auch Bildungsexperten und Vertreter aller politischen Parteien sollen zu Wort kommen, um das Bild abzurunden. "Bisher hat unsere Kampagne innerhalb jeder Partei ziemlich viel Anklang gefunden und wir haben schon einige Statements eingeholt", meint Aiad. Die Interviews werden auch auf Facebook und der Schülerunions-Homepage veröffentlicht, erklärt er. Forderungen vertritt die Kampagne noch nicht, das könne laut Aiad und Radwan erst nach Auswertung der Umfrageergebnisse geschehen. Diese sollen in einer Pressekonferenz und Podiumsdiskussion präsentiert werden, so Aiad. Im Anschluss hoffen die beiden auf eine weiterführende Zusammenarbeit mit Fachleuten und der Politik.