Gegründet an einer Privatuniversität, hat das Debattieren seinen elitären Touch bis heute nicht abgelegt. Elitehochschulen wie Harvard stellen professionelle Debattiertrainer an und belegen internationale Spitzenplätze. Johannes Lindner, der neben Irmgard Griss und anderen Persönlichkeiten in der Ehrenjury des Turniers sitzt, will das ändern. Der Wirtschaftspädagoge bringt das Debattieren an berufsbildende Schulen - vor allem, um die unternehmerische Haltung der Jugendlichen zu fördern: "Wenn Sie eine Initiative setzen wollen, müssen Sie das auch argumentieren können." Deshalb seien Debattierclubs eine Schnittstelle zwischen politischer Bildung und unternehmerischem Denken. "Beide Bereiche haben zum Ziel, dass man lernt, an der Gesellschaft aktiv teilzunehmen. Man wird vom Konsumenten zum Akteur", so Lindner.

Die Beweggründe, Debattierclubs beizutreten, sind vielfältig. Man möchte vor Publikum sprechen lernen, sich sachlich mit Themen auseinandersetzen und weltoffener werden, so der Tenor der Debattierer, deren Studienrichtungen von Jus über Sprachen bis hin zu Naturwissenschaften reichen. Exoten unter den Teilnehmern sind zwei Teams der Theologischen Hochschule Heiligenkreuz. "Man kann die Leute besser von seinem katholischen Weltbild überzeugen, wenn man auch die andere Seite kennt. Außerdem geht man sich hier nicht gleich an den Kragen, wenn man unterschiedlicher Meinung ist", sagt Frater Sebaldus in Mönchskutte.

Ein Novum in Österreich, wo man das Debattieren meist nur aus US-amerikanischen Collegeserien kennt. Auf universitärer Ebene gibt es nur eine Handvoll Clubs, etwa in Salzburg, Graz, Heiligenkreuz und Wien.

Lautwerden als Zeichen von Schwäche

Schuld daran sei auch die Diskussionskultur in Österreich, vermutet Johannes Lindner: "In Fernsehdiskussionen geht es nur darum, sein Argument zu verkaufen. Und nicht darum, das Argument des Gegenübers aufzunehmen und zu widerlegen." Im Kontrast dazu würden sich die Personen in englischen Fernsehdebatten an Debattierregeln halten. Viele würden sogar ihre Reden so strukturieren, wie man das im Debattierclub lernt. Im österreichischen Parlament sei das selten der Fall: "Wenn ich schreie oder mich über jemanden lustig mache, scheint das hier anzukommen. In einer guten Debattierkultur ist das aber ein Zeichen von Schwäche, weil ich damit ausdrücke, dass ich keine Argumente habe."

An treffsicheren Argumenten mangelte es Jan-Dirk Capelle und seinem Partner Stefan Torges jedenfalls nicht. Die Jury hat das Team mit dem treffenden Namen "shut up and calculate" zum Sieger gekürt. Capelle wurde außerdem zum besten Redner ernannt - von einer Ehrenjury, der unter anderem Irmgard Griss, Schauspieler Philipp Hauß und UN-Frauenbeauftragte Lilly Sucharipa angehörten. Seit rund fünf Jahren üben sich die beiden Mathematikstudenten der "Berlin Debating Union" im Redewettstreit, um nun eine gläserne Trophäe entgegenzunehmen. Preisgeld gibt es nicht. Die Sieger grinsen: Es seien der sportliche Ehrgeiz und die spannenden Diskussionen, die sie antreiben.

Diskussionen, die häufig unter Männern ausgetragen werden. In das Finale schaffte es nämlich keine einzige Frau. Zum Missfallen der Frauenbeauftragten Sucharipa. Doch der Turnierveranstalter hat eine Begründung parat: Der Debattierklub Wien habe einen Frauenüberhang, konnte als Organisator aber selbst nicht am Turnier teilnehmen, erklärt die Moderatorin: "Unsere Frauen haben den Männern freundlicherweise das Podium überlassen."