Wien. Die Vorsitzende der Mietervereinigung Wien (MV), Elke Hanel-Torsch, plädiert im Interview mit der "Wiener Zeitung" für das Grundrecht Wohnen. Sie fordert Strafen, wenn Vermieter zu viel Miete verlangen, und lässt das Argument, dass Vermieten durch zu viele mietrechtliche Bestimmungen unrentabel sei, nicht gelten.

"Wiener Zeitung": Wie viele Mitglieder hat die MV und wer sind sie? Handelt es sich vor allem SPÖ-nahe Personen?

Elke Hanel-Torsch: In Wien haben wir circa 50.000 Mitgliederhaushalte. Österreichweit sind es circa 70.000. Es ist ein Mix. Vom Arzt zur Putzfrau, zum typischen alteingesessnen Österreicher bis zum Neuzugezogenen - durch die Bank alles. Ausschließlich SPÖ-nahe würde ich nicht sagen. Wir sind ein privater Verein, der sich nur über Mitgliedsbeiträge finanziert. Im vorigen Jahr hatten wir einen minimalen Mitglieder-Rückgang. Denn die Leute sind immer weniger bereit, Vereinen beizutreten. Was wir auch merken, sind die Prozessfinanzierer, wie Mietfuchs, Mietheld oder Mieterunter.at. In der Regel streichen sie zwischen 25 und 30 Prozent der zurück erstrittenen Kosten ein. Die Mitgliedschaft bei uns kostet 61 Euro und man kann das ganze Geld behalten.

Mit welchen Anliegen wenden sich die Mitglieder an die MV?

Am öftesten werden die Betriebskosten überprüft. Dann kommt die Überprüfung des Hauptmietzinses oder das Bestehen auf Erhaltungsarbeiten. Aber auch verbotene Ablösen sind oft Thema - und jetzt auch Kautionen. Früher musste man sie vor Gericht einklagen, jetzt geht das auch bei der Schlichtungsstelle.

Warum werden die Betriebskosten am häufigsten beanstandet?

Viele Mitglieder lassen die Betriebskosten jedes Jahr überprüfen. Im Unterschied zum Mietzins, der im Fall einer Überprüfung einmal festgesetzt wird und dann auf dem Niveau bleibt, kommen die Betriebskosten ja jedes Jahr wieder. Wir stellen oft fest, dass das Verwaltungshonorar zu hoch angesetzt ist. Manchmal finden sich auch Positionen drinnen, die gar nicht hinein sollen, wie etwa Reparaturkosten.

Auch die Miethöhe wird häufig beanstandet. Wie viele Wohnungen in Wien unterliegen einer Mietzinsbeschränkung und wie oft sind die Mietzinse zu hoch?

Es gibt in Wien etwa 650.000 Hauptmietwohnungen. Davon entfallen 370.000 auf den sozialen Wohnbau. Im Gemeindebau wird der bloße Richtwert verlangt ohne Zu- und Abschläge. Dort ist der Mietzins nie zu hoch. 280.000 Wohnungen sind privat. 220.000 Wohnungen davon wurden vor 1945 errichtet und unterliegen der Mietzinsbeschränkung. Das gilt auch für den geförderten Neubau. Wenn wir einen Mietzins überprüfen, ist er zu mehr als 90 Prozent zu hoch.

Wie kann es sein, dass es gesetzliche Mietzinsbeschränkungen gibt, diese aber sehr oft nicht eingehalten werden?

Das große Problem ist, dass es keine Strafbestimmungen gibt. Wir fordern seit langem, dass die Konsequenz, wenn sich jemand wehrt, nicht nur die ist, dass das zu viel Verlangte plus vier Prozent Zinsen zurückgezahlt werden muss, sondern dass auch eine Strafe verhängt wird. Die könnte man dann etwa für den geförderten Wohnbau verwenden.

Die Eigentümerseite ist naturgemäß kein Freund der Mietzinsbeschränkung. Sie spricht auch immer wieder vom "Mietadel", also Menschen, die aufgrund alter Verträge einen geringen Mietzins bezahlen. Was sagen Sie dazu?

Das ist ein rückläufiges Phänomen. Eintrittsberechtigt sind ja nur Ehefrauen und Ehegatten und Kinder in gerader Linie. Es betrifft in Wahrheit auch nur Fälle, in denen der ursprüngliche Mietvertrag vor dem 1. März 1994 abgeschlossen wurde. Im Eintrittsfall darf man den Zins auf den Kategorie A Satz anheben. Natürlich ist der niedriger als der Richtwert. Dass einer weniger zahlt, kann man aber auch durch andere Mieter im Haus ausgleichen.

Das Mietrecht und die darin enthaltene Mietzinsbeschränkungen werden oft als sehr intransparent und kompliziert bezeichnet. Was könnte Ihrer Einschätzung nach zu einer Vereinfachung führen?

Zu- und Abschläge für den Richtwertmietzins sollten im Gesetz definiert sein, damit nachvollziehbar wird, wofür ich wie viel Miete bezahle. Außerdem sollten die Regelungen einfacher formuliert sein. Niemand weiß, ob das Mietrechtsgesetz auf ihn anwendbar ist. Wir fordern, dass alle Wohnungen vom Mietrechtsgesetz erfasst werden, wenn sie ausfinanziert sind. Wir gehen davon aus, dass nach 20 Jahren Ausgaben für ein Haus refinanziert sind. Ab dem 21 Jahr sollten daher alle Wohnungen der Mietzinsbeschränkung unterliegen. Das wäre meines Erachtens nach fair.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eigentümerseite diesen Forderungen zustimmt, liegt bei null.

Ja, leider. In letzter Zeit wird die Situation zudem noch verschärft, weil alle Wohnungen als einzig sichere Anlage sehen. Jeder glaubt, wenn er sich Eigentum anschafft, muss er den vollen Gewinn damit machen. Dabei ist Wohnen ein Grundbedürfnis. Da muss der Profit auch einmal eine Grenze haben. Die Vermieterseite sagt dann immer: "Es ist nicht unsere Aufgabe für leistbaren Wohnraum zu sorgen, das ist die Aufgabe der Stadt." Ja, aber man muss auch die Vermieter in die Pflicht nehmen. Sonst kommt es zu Zuständen wie in anderen Städten, in denen die Zentren nur noch von Touristen bevölkert sind und alles über Airbnb abgewickelt wird. Die Argumentation der Vermieter, dass Wohnungen, die der Mietzinsbeschränkung unterliegen, ein Verlustgeschäft sind, lasse ich nicht gelten. Wenn ich früher verhandeln war, habe ich oft gesagt: "Schenken Sie mir Ihr Haus, ich nehme Ihnen diese Bürde ab." Aber das wollte niemand.