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"Es ist wie ein russisches Roulette"

Von Alexandra Laubner

Politik

Gegner kritisieren fehlende strategische Umweltprüfung, rufen zur Demo auf und wollen bis zum Verfassungsgerichtshof gehen.


Wien. Es geht um sechs Geschoße. Sechs Geschoße, die mittlerweile die Unesco, die EU-Kommission und auch den Wiener Rechtsanwalt Wolfgang List beschäftigen. List kämpft an der Seite von Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz gegen den geplanten 66 Meter hohen Wohnturm am Heumarkt, der Luxuswohnungen beherbergen soll und Wien das Unesco-Weltkulturerbe kosten könnte.

Bei der Pressekonferenz am Mittwoch stellen List und Landerer ihre nächsten Schritte vor. Kommt der Baubescheid, wovon List und Landerer ausgehen, dann reichen sie Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein. Das wäre frühestens im April 2018. Im Fokus dabei steht die Strategische Umweltprüfung (SUP), besser gesagt, die fehlende Strategische Umweltprüfung, wie Rechtsanwalt List der Ansicht ist.

"Ich verstehe nicht, warum die Stadt kein rechtskonformes Verfahren einleitet. Aus einer strategischen Umweltprüfung kann resultieren, dass das Bauprojekt umweltverträglich ist. Warum macht man das nicht? Es ist wie ein russisches Roulette, ein Wiener Roulette besser gesagt", meint List. Nachsatz: "Es geht dabei nicht um ein kleines Häuschen ums Eck oder eine Eigentumswohnung, sondern es geht um ein Riesen-Projekt. Das gibt es europarechtliche Vorgaben, die einzuhalten sind", so List.

Derzeit läuft für das Heumarkt-Projekt, das neben dem geplanten Wohnturm, die Sanierung des Wiener Eislaufvereins und die Neuerrichtung des Hotels Intercontinental umfasst, das Flächenwidmungsverfahren. Der Entwurf für die Festsetzung des Flächenwidmungs- und des Bebauungsplanes liegt bis zum 16. März zur öffentlichen Einsicht auf. Innerhalb dieser Auflagefrist kann jeder eine schriftliche Stellungnahme einbringen. "Auch wir werden eine umfassende Stellungnahme abgeben", sagt List, der jedoch überzeugt ist, dass der Gemeinderat schlussendlich der Flächenwidmung zustimmen wird. "Sollte es dazu kommen, wovon ich ausgehe, wäre diese Verordnung rechtswidrig zustande gekommen", ist List der Meinung.

Stadt sieht sich im Recht

List hat auch eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht, die den Sachverhalt derzeit prüfe. Die Argumentation von Rechtsanwalt List und der Initiative Denkmalschutz: Die strategische Umweltprüfung sei eine Richtlinie des Europäischen Parlaments, die national umzusetzen sei. Und das sei beim Projekt Heumarkt nicht passiert.

Die für das Flächenwidmungsverfahren zuständige MA21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung), die in das Ressort der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou fällt, sieht das nicht so. "Es ist ausreichend, dass wir im Rahmen der öffentlichen Auflage entweder den Umweltbericht veröffentlichen, wie es beim Hotel Intercontinental der Fall ist, oder im Erläuterungsbericht darlegen, warum keine Umweltprüfung durchgeführt wird. Offenbar leitet die Initiative Denkmalschutz beziehungsweise Rechtsanwalt List aus der SUP-Richtlinie ab, dass die Öffentlichkeit aktiv an der Umweltprüfung mitarbeiten können muss. Die Konsultation der Öffentlichkeit erfolgt durch die öffentliche Auflage des Planentwurfs mit der Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen einzubringen", heißt es aus dem Büro Vassilakou.

"Eklatant rechtswidrig"

Doch das geht den Gegner nicht weit genug, denn kommt der Turm, so wie er geplant ist, droht Wien auch die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status. "Wir sehen eine Chance, das Projekt zu verhindern, da es erstens eklatant rechtswidrig ist und zweitens der internationale Vertrag mit der Unesco gebrochen wird. Wir verstehen nicht, warum man die Aberkennung riskiert", sagt Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz.

Was passiert, wenn die Unesco Wien das Weltkulturerbe aberkennt, weiß niemand. "Es ist jedoch eine Peinlichkeit. Denn immer, wenn das Thema zur Sprache kommen würde, würde Österreich und Wien als Negativbeispiel vorgeführt werden", sagt Landerer. Im Juli findet die Gremiumssitzung des Unesco-Welterbe-Komitees in Krakau statt. Dort könnte Wien auf die Rote Liste gesetzt werden.

Aberkennungen sehr selten

Aberkennungen sind laut Gabriele Eschig, der Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, sehr selten. Seit Bestehen des Welterbes seit 1972 wurde nur zwei Welterbestätten von aktuell 1052 der Status aberkannt: 2007 dem Naturschutzgebiet der Oryx-Antilopen im Oman - das Gebiet wurde wegen Erdölvorkommen halbiert. Und 2009 das Dresdner Elbtal aufgrund des Baus einer vierspurigen Autobahn mitten durch das Tal.

"Das Elbtal war 2004 zum Weltkulturerbe ernannt worden, wurde aber bereits 2006 auf die Rote Liste der gefährdeten Stätten gesetzt. Bis zur Aberkennung wurde fünf Jahre verhandelt. Die Befassung der Unesco mit Wien und dem Projekt Intercontinental und dem Eislaufverein läuft schon seit 2012", sagt Eschig zur "Wiener Zeitung". Eschig betont, dass es für eine neuerliche Einreichung des Weltkulturerbes keine Präzedenzfälle gebe.

Die Initiative Denkmalschutz ruft nun zur Demo für das Welterbe und gegen das Hochhausprojekt Heumarkt am 11. März auf. Wann der Wiener Gemeinderat über die Änderung der Flächenwidmung entscheidet - vor oder nach der Sommerpause - ist noch unklar.