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Schon früher wurde hoch gebaut

Von Christoph Chorherr

Politik

Gastkommentar: Planungssprecher Christoph Chorherr erklärt, warum die Grünen das Projekt am Heumarkt unterstützen.


Wien. Reinhard Seiß hat vor ein paar Tagen an dieser Stelle sehr harte Kritik an den Planungen rund um das Projekt am Heumarkt im Allgemeinen und an grüner Stadtplanungspolitik im Speziellen geäußert. Warum unterstützen wir Grüne dieses Projekt? Um das zu beantworten, sei in aller Kürze die komplexe Geschichte dieses Projekts rekapituliert: Was Kritiker gerne übersehen (wollen), ist die derzeitige Situation am Heumarkt.

Es gibt ein Hotel aus den 1960er Jahren sowie das Areal des Eislaufvereins, das in seiner Gesamtheit weder technisch noch gestalterisch den heutigen Anforderungen entspricht. Wer von der U-Bahnstation Stadtpark zum Konzerthaus geht oder beim Eislaufverein einläuft, erkennt: Hier steht kein schützenswertes Ensemble, sondern ein in die Jahre gekommener, jeglicher stadträumlichen oder architektonischen Qualität entbehrender Stadtraum. Die Längsseite des Konzerthauses ist mit rostigem Metall und verwitternden Holzbalken abgesperrt. Dies ist seit Jahrzehnten ziemlich genau das Gegenteil von "Weltkulturerbe". Stadtplanerisch gesehen handelte es sich um einen bestehenden Hochhausstandort, dessen gebaute Form mit einer Höhe von rund 43 Metern unterhalb der baurechtlich zulässigen Höhe von maximal 51 Metern liegt.

Am Beginn jeder Planung steht der Anspruch, dass es nach einem Neubau deutlich besser sein muss als vorher; insbesondere aus jener Perspektive, welche die wichtigste ist: Jene der Fußgänger. Die Ausgangslage war sehr schwierig: Es galt den Eislaufverein mit seiner großen Freifläche langfristig abzusichern, dem Konzerthaus jene Bedeutung im Stadtraum zu geben, die ihm gebührt, sowie das Hotel Intercontinental zu erneuern und mit neuen Konferenzsälen auszustatten, um Wiens Stellung als eine der wichtigsten Konferenzstädte der Welt abzusichern. Im besten Fall sollten diese verschiedenen Nutzungen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern sich gegenseitig unterstützen.

Bestes Projekt ausgewählt

Es gibt kein anderes Wiener Großprojekt der letzten Jahrzehnte, das derart offen und transparent entwickelt wurde. Alle Verfahrensschritte, beginnend mit der städtebaulichen Analyse und dem kooperativen Verfahren, der daraus abgeleiteten städtebaulichen Zielsetzungen, über den internationalen Wettbewerb bis zum Ergebnis und dessen Überarbeitung wurden in Ausstellungen, Publikationen und Medien ausführlich dargestellt und kommuniziert. Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, die vorliegenden Unterlagen zu studieren, wird zugeben müssen, dass alle Beteiligten intensiv darum gerungen haben, die beste Lösung zu finden.

Beim Studium der Projekte zeigt sich auch, dass der Vorwurf, die Stadt würde für die Finanzierung der Mehrwerte eine falsche städtebauliche Lösung in Kauf nehmen, nicht aufrechterhalten werden kann. Es gab auch verschiedenste Lösungen, die die bestehende Höhe nicht überragten. Eine internationale und in ihrer Kompetenz unbestrittene Fachjury, in der auch zwei von der Architektenkammer entsandten Juroren vertreten waren, war jedoch eindeutig der Meinung, dass aus den 24 eingereichten Projekten von herausragenden Architekten das ausgewählte Projekt von Isay Weinfeld unter Abwägung aller Aspekte schlussendlich die beste Lösung darstellte.

Da Stadtplanung in einer Demokratie ein diskursiver Prozess ist, wurde aber auch auf die öffentliche Kritik reagiert. Nach einer sogenannten Nachdenkpause wurde der Turm in seiner Höhe reduziert und schlanker gemacht und auch auf andere kritisierte Punkte, insbesondere im Bereich des öffentlichen Raumes wurde reagiert. Es gibt Befürchtungen, dass dieses Projekt der Auftakt zu weiteren Hochhäusern in der Ringstraßenzone sein könnte. Dafür werden zum Teil absurde Argumente angeführt, wie beispielsweise, der sogenannte Masterplan Glacis sähe sechs weitere Hochhausstandorte in der Inneren Stadt entlang des Ringes vor.

Das kann nur als bewusst versuchte Irreführung interpretiert werden, da dies aus dem Masterplan weder explizit noch konkludent gelesen werden kann. Wahr ist vielmehr, dass in der gesamten Inneren Stadt der Bebauungsplan, der die rechtliche Grundlage für Bauführungen darstellt, ausschließlich die Bauklassen 1-5 (maximale Gebäudehöhe 26m) vorsieht. Selbst dort, wo auf Basis früherer Bebauungspläne heute höhere Häuser stehen (z.B. Hochhaus in der Herrengasse, Ringturm, etc.). Um jedoch auch für die Zukunft unmissverständliche Klarheit zu schaffen, bereiten wir einen Beschluss des Wiener Gemeinderates vor, der Hochhausentwicklungen in der Inneren Stadt explizit ausschließen wird.

Aber das Weltkulturerbe... Es gab drei Kriterien, die der Inneren Stadt den Titel "Weltkulturerbe" eingebracht haben:

1) Die städtebaulichen und architektonischen Qualitäten des historischen Zentrums von Wien sind überragende Zeugnisse eines fortwährenden Wandels von Werten ("outstanding witness to a continuing interchange of values") während des 2. Jahrtausends.

2) Drei Hauptperioden europäischer Kultur und politischer Entwicklung - Mittelalter, Barock und Gründerzeit - werden in außergewöhnlicher Form durch das städtebauliche und architektonische Erbe des historischen Zentrums von Wien dargestellt.

3) Seit dem 16. Jahrhundert ist Wien weltweit als musikalische Hauptstadt Europas anerkannt.

Hier geht es zu Recht um Qualitäten und nirgendwo wird auf eine konkrete Höhe abgestellt. Und vor allem wird der Wandel der Stadt angesprochen. Wiens Qualität besteht darin, auch den architektonischen Wandel über die Jahrhunderte zu eben jenem Kunstwerk geformt zu haben, das eine europäische Stadt ausmacht. Und mit nochmaligem Blick auf die derzeitige inferiore Qualität des Standortes gilt es mit hohem Respekt und Qualitätsbewusstsein die Stadt, auch an diesem Ort, weiterzuentwickeln und zu verbessern. Denn: Was für ein antiurbaner, einseitiger Maßstab ist es, einen Maßstock zu nehmen, diesen auf 43 Meter einzustellen und so Stadt zu entwickeln. Mitten in der Herrengasse wurde in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Hochhaus errichtet, welches heute zurecht als qualitätsvoller Beitrag seiner Epoche verstanden wird. Dieses würde die 43-Meter-Latte der Unesco Vertreter ebenso verhindern wie den Ringturm. Eine 43-Meter-Latte ist kein Qualitätsmerkmal, und es gilt verständige Stadtplaner der Unesco zu überzeugen, dass das Heumarktprojekt die stadträumlichen Qualitäten Wiens nicht schmälert, sondern steigert.

Ein Rechts-, kein Willkürstaat

Ein Kritikpunkt betrifft die Umstände des Erwerbes des Grundstücks und die Forderung, "so etwas" dürfe man nicht mit einer Widmung "belohnen". Abgesehen davon, dass auch ich den seinerzeitigen Verkauf durch den Stadterweiterungsfonds für falsch halte, ist für mich Folgendes sehr wichtig festzuhalten: Es ist nicht Aufgabe der Stadtplanung und darf es auch gar nicht sein, wie eine Paralleljustiz moralisches Wohlverhalten zu überprüfen und gegebenenfalls zu sanktionieren. Wir sind ein Rechts- und kein Willkürstaat. Die eingebrachten Überlegungen, Grundstückseigentümer zu "belohnen" oder zu "bestrafen", oder städtebauliche Entscheidungen davon abhängig zu machen, ob jemand "zu den Werten der Grünen passt", sind in der Raumordnung zu Recht nicht vorgesehen. Ausschließlich städtebauliche Überlegungen und die in der Bauordnung beschriebenen Ziele der Stadtplanung haben unser Handeln zu leiten.

Abschließend zur viel kritisierten Nutzung des Turms für hochpreisige Wohnungen: Auch wenn die Wohnungsfläche nur 10 Prozent der Gesamtfläche ausmacht, wäre auch mir eine andere Nutzung lieber. Es sei nur die ketzerische Frage gestattet: Würden die Kritiker verstummen, wäre statt Luxuswohnungen eine öffentliche, etwa kulturelle, universitäre oder andere Wien bereichernde Nutzung vorgesehen? Wenn es nur das ist, dann würde ich diese Debatte gerne weiter führen.

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Christoph

Chorherr

ist Sprecher der Wiener Grünen für Energie, Klimaschutz, Radverkehr, Schule der Zukunft und Stadtplanung.