
Wien. "Alle reden über Klamotten und Audis, wer hätte gedacht, dass die Zukunft des Raps eine Frau ist?" Ein schelmisches Lächeln kräuselt sich um den Mund von "EC". Die deutsche Rapperin hat sichtlich Spaß auf der Bühne im Wiener Fluc. Kaum hat sie zu rappen begonnen, verliert sie ihre Anspannung. Sie wirkt fokussiert, mit Nachdruck bringt sie ihre Zeilen für das Publikum. Dieses besteht fast zur Gänze aus Frauen. Sie tanzen und johlen, man sieht grelle Klamotten, ausgelassene Gesichter. Sie nehmen den durch rot-grünes Scheinwerferlicht durchfluteten Raum für sich ein. Denn das unterbewusste Motto scheint zu lauten: Wir feiern unsere Stärke.
Eine Frau auf der Bühne, die Menge ebenso fast nur weiblich. Ein Bild mit Seltenheitswert im HipHop-Kosmos. Denn nach wie vor gilt auch in Wien: Rap ist Männersache. "EC", schwarze Jacke, blaue Jeans, rappt weiter lautstark: "Femme DMC - eine neue Ära. Alles andere kommt später." Die Zuschauer im Fluc honorieren das mit klatschendem Beifall. Eine Ansage mit Leitmotiv. Denn die Veranstaltungsreihe "Femme DMC" hat sich genau das zum Ziel gesetzt: einen Paradigmenwechsel.
Alle zwei Monate veranstaltet das Künstlerkollektiv eine Show für Frauen im Rap. Es gilt, ihnen eine Stimme zu verleihen. Gesehen zu werden. Mutig zu sein. Egal ob Rapperin, DJ, Graffitisprüherin oder Breakdancerin. "Der Hintergrund des Events ist, dass wir eigene Räume brauchen. Wie auch die Männer ihre Abende veranstalten", sagt die gebürtige Kosovarin Dafina Sylejmani. Die 27-jährige ist Initiatorin von "Femme DMC". Sie sitzt auf einer zerschlissenen, schwarzen Couch in einer Wohnung in der Josefstadt. Kappe, Brille, Trainingsanzug. Wenn sie spricht, tut sie es mit Überzeugung. Ohne eine gewisse Vehemenz wäre ein solches Event nicht auf die Beine zu stellen.
Gegen die Sexualisierung der Frau
Bevor Sylejmani vor vierzehn Jahren nach Österreich kam, war an Rap nicht zu denken. Der Krieg bestimmte den Alltag. Die ersten lyrischen Gehversuche machte sie in Österreich. Mit einer albanischen Rap-Gruppe, die hauptsächlich aus Männern bestand. "Das hat aber nicht so gut geklappt." Deshalb war ihr klar: Etwas Neues muss her. "Im Oktober 2015 habe ich Femme DMC ins Leben gerufen. Nur um zu sehen, wie viel Frauen im Rap es eigentlich in Wien gibt", sagt die zierliche Frau, die als Rapperin "Dacid Go8lin" heißt.
Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit - bei gleichzeitigem Miteinander. Das ist der Künstlerin dabei besonders wichtig. Und anscheinend trägt die Veranstaltung selbst bereits Früchte. So kennt Sylejmani dadurch rund hundert Frauen, die aktiv Rap machen. "Davor waren es drei." Auch der Kreis der fixen Künstlerinnen hat sich mit der Zeit erweitert: Samy, EC, Zion Flex, Djane Countessa, Marie Loebmayr. Sie stammen aus Wien, Berlin, England. Gemeinsam haben sie eines: die Liebe zum Rap. "Es geht aber besonders darum den Sexismus und die Sexualisierung der Frau zu bekämpfen. Als Künstler willst du natürlich verkaufen, aber nicht deinen Körper. Da ist der Frau noch nicht viel Freiheit überlassen", sagt die Kosovarin bestimmt, die an der Akademie der bildenden Künste studiert.
Im Wiener Fluc gibt es hingegen viel (Tanz-)Freiheit. Gerade bringen drei junge Breakdancerinnen mit ihren sekundenschnellen Bewegungen die Menge zum Toben. Sie springen, verrenkten sich gerade zu. Da sitzt jeder Schritt, jeder Muskel wird bis zur Belastungsgrenze strapaziert. Eine Zuschauerin, Steffi, lächelt: "Ich bin davon beeindruckt, wie selbstbewusst die Künstlerinnen hier auftreten." Die Endzwanzigerin mit dem schwarzen Pullover war schon öfter bei "Femme DMC". Eine derartige Show kennt sie anderswo in Wien nicht. Auch die wenigen Männer im Zuschauerraum trauen sich langsam aus der Reserve. Zu Beginn noch betont lässig an der Bar, entdecken nun auch sie Tanzfläche für sich. Trotzdem man hat das Gefühl: Der Abend gehört den Frauen.
"In Wien sind Rapperinnen noch unterrepräsentiert. Mir gefällt, dass hier eine lockerere Stimmung herrscht als bei Rap-Events, wo fast nur Männer auftreten. Ich weiß deshalb nicht, ob diese Show auch woanders funktionieren würde", sagt Edin, bekennender HipHop-Fan, der eifrig mit dem Kopf wippt.
Benachteiligung der Frau als Gesellschaftsproblem
Damit hat er recht. Denn egal ob auf Freestyle-Battles (eine Art Wort-Wettkampf, Anm.), Jams oder Konzerten: Das weibliche Geschlecht sieht man mehr im Zuschauerraum als auf der Bühne. Eine Frau mit Mikrofon in der Hand wird entweder belächelt, oder besonders hart kritisiert. Zeigt sie einmal "Skills" (hohes Rapniveau, Anm.) ist man erst einmal "baff". Bei Männern, die ganz offensichtlich schlechter rappen, drückt man schon einmal ein Auge zu. Zu verfahren scheinen noch immer die Rollenbilder: Rap muss hart und stark sein. Männer lassen ihre (sprachlichen) Muskeln spielen. Frauen werden oft zu reinen Sexobjekten degradiert. So jedenfalls das gängige Klischee in der Öffentlichkeit.