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Wien hat ein Abgasproblem

Von Bernd Vasari

Politik

Die Verschmutzung durch Diesel nimmt zu. In London oder Paris gibt es Verbote, in Wien wird das Thema weitergereicht.


Wien. Es juckt in den Augen. Im Hals bilden sich Knödel. Der Kopf dröhnt. Immer mehr Wiener leiden unter dem Dreck schmutziger Motoren, der täglich in die Umwelt hinausgeblasen wird. Allen voran giftige Stickstoffdioxid-Abgase von Diesel-Fahrzeugen. Bei einem Drittel aller städtischen Messstellen wird die Belastungsgrenze bereits überschritten.

Am deutlichsten auf dem Hietzinger Kai. 47 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden dort im ersten Halbjahr durchschnittlich gemessen. Knapp zwei Drittel über dem Maximalwert von 30 Mikrogramm. Auch bei den Messstandorten Wehlistraße/Südosttangente (37), Taborstraße (36) und Belgradplatz (31) sind die Werte zu hoch. Gegenüber dem Vorjahr sind sie sogar gestiegen.

Dabei bläst der Wind ohnehin den Großteil der Abgase davon. Ist es in Wien einmal windstill, sieht man aber das wahre Ausmaß der Luftverschmutzung. So wie an jenen winterlichen Tagen Anfang des Jahres. Es herrschte Hochnebel, die Wiener Luft war schlechter, als etwa in London, Paris, Mexiko City und sogar Peking, die Stadt, wo Atemschutzmasken zum alltäglichen Straßenbild gehören. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Vergangenen Donnerstag wurden auf dem Hietzinger Kai Spitzen von mehr als 160 Mikrogramm erreicht, am Montag waren es zeitweise 120 Mikrogramm.

Mit einem Fahrverbot reagieren immer mehr Städte, die so wie Wien, von den Diesel-Abgasen betroffen sind. Zuletzt forderte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) flächendeckende Sperrungen für Dieselautos. "So sehr ich mich freue, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden", sagte der Oberbürgermeister zur "Süddeutschen Zeitung".

170.000 Fahrzeuge betroffen

Ob er sich einen Kompromiss vorstellen kann? "Es geht immer um Interessensabwägung, in dieser ist die Gesundheit der Bürger für mich das Wichtigste", erklärte er. Bis zu 170.000 Fahrzeuge wären in München von so einem Verbot betroffen.

In Wien sind 375.700 Diesel-Fahrzeuge zugelassen. Das sind mehr als die Hälfte aller Autos in der Stadt. Reiters Parteikollege und Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) könnte per Verordnung Fahrverbote erlassen. So sieht es das Immissionschutzgesetz-Luft aus dem Jahr 1997 vor.

Auf Frage der "Wiener Zeitung", ob Häupl sich Fahrverbote vorstellen könnte, verweist sein Sprecher lediglich auf Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Auch dort wird die heiße Kartoffel weitergereicht. Eine Sprecherin verweist auf Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne).

Ihr Sprecher wiederum verweist auf eine Aussage Vassilakous vom Februar, in der sie sich für ein partielles Fahrverbot ausspricht. Demnach sollen schadstoffreiche Fahrzeuge nicht mehr in bestimmte Stadtgebiete fahren dürfen. Bereits 2010 haben sich die Grünen dafür eingesetzt, die SPÖ lehnte ab. Nun gibt es einen neuen Vorstoß. Derzeit sei eine Studie in Auftrag. Im Herbst soll ein neuer Anlauf gestartet werden, bei dem man die Genossen überzeugen will. 2018 könnten die Zonen bereits Realität werden. Konkrete Lösungen gibt es in Wien jedoch noch keine.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Städten. In Paris soll Diesel bis 2025 komplett aus der Innenstadt verbannt werden. Bis dahin gelten tageweise Fahrverbote. In Oslo dürfen Diesel an Tagen mit hoher Smogbildung nicht in die Stadt. Bis 2024 soll der Verbrennungsmotor ganz aus dem Zentrum verschwunden sein.

Auch in London ist bis 2025 eine Null-Emission-Zone geplant. Derzeit wird eine Maut erhoben, ab Oktober folgen weitere Gebühren für Fahrer älterer Autos. Auch Madrid will den Diesel in seiner Innenstadt verbieten. An Tagen hoher Stickoxidbelastung dürfen derzeit nur halb so viele Autos in die Stadt, mal dürfen jene mit gerader Kennzeichennummer, mal jene mit ungerader Kennzeichennummer fahren.

Stickoxide entstehen als Nebenprodukt beim Verbrennen vor allem in Automotoren. Dieselabgase enthalten besonders große Mengen an Stickoxiden. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden die Schadstoffe infolge des Dieselskandals. Vor knapp zwei Jahren gab Volkswagen Abgas-Manipulationen im großen Ausmaß zu, nachdem die US-Umweltschutzbehörde EPA diese zuvor aufgedeckt hatten. Der Skandal hat mittlerweile die ganze Auto-Branche erreicht. Offenbar haben die meisten deutschen Autohersteller bei der Bemessung der Stickoxidwerte getrickst.

Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird mit der hohen Belastung die Gesundheit der Bürger aufs Spiel gesetzt. Vor allem für Asthmatiker ist eine hohe Konzentration von Stickoxiden in der Luft problematisch. Denn die Schadstoffe reizen die Atemwege, wodurch sich die Bronchien verengen. Zudem beeinträchtigen sie die Lungenfunktion und verstärken Allergien. Stickoxide tragen außerdem zur Ozon- und auch Feinstaubbelastung bei. Europaweit sterben mehrere Tausende Menschen an den Folgen von Stickoxiden.