Wien. Es ist das "Schaufenster des Fasanviertels", sagt Philipp Maurer. Das Gründerzeithaus aus dem 19. Jahrhundert am Landstraßer Gürtel 17. Der aufwendige Stuck der Fassade sticht in dieser Gegend hervor. Nur ein Fenster ist geöffnet, ganz oben im vierten Stock. Es ist jenes von Philipp und Leonore Maurer. Viel mehr Bewohner gibt es nicht mehr. Etwa die Hälfte hat das Haus verlassen. Philipp und Leonore Maurer zählen zu jenen, die hierbleiben wollen. Trotz der Abrisspläne des Immobilienunternehmens "CPI Immobilien GmbH".

Seit seiner Geburt kennt Philipp Maurer die Wohnung im vierten Stock des Gründerzeithauses. Seine Eltern zogen nach dem Krieg im Jahr 1949 hier ein. "Damals war die Bude ziemlich ramponiert", fasst er den Zustand des Gebäudes zusammen. Und das ist kaum verwunderlich: Gerade die Gegend um den Südbahnhof war in den Jahren 1944 und ’45 beliebtes Bombenziel. Dennoch ist es das letzte Haus an diesem Abschnitt des Gürtels, bei dem die Gründerzeitfassade erhalten ist. "Alle anderen Häuser und Fassaden wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört oder im Rahmen des Wiederaufbaus vereinfacht", erklärt Georg Scherer. Gemeinsam mit Philipp Maurer betreibt er die Initiative "Rettet das Fasanviertel". "Was damals nicht zerstört wurde, soll heute endgültig weichen", bedauert Scherer.

Ende des Jahres 2016 erschien auf der Website von CPI erstmals der Plan, wie das Haus Landstraßer Gürtel 17 künftig aussehen soll. Ein Neubau, wie es so viele in Wien gibt. Philipp und Leonore Maurer erfuhren Monate später, im Februar, von den Plänen. Das nur zufällig: Philipp Maurer führte ein Gespräch am Gang, mit ehemaligen Eigentümern, die ihre Wohnung verkaufen wollten. An CPI, denen mittlerweile 95 Prozent des Gebäudes gehören. Das gemeinsame Warten auf den CPI-Verwalter endete mit dem an Maurer gerichteten Wort "abreißen". Maurer wollte wissen, was mit dem Haus passiert. Eigentlich dachte er an Sanierungspläne.

Mittlerweile kennen die Bewohner den genauen Zeitplan: Bis Ende des Jahres soll das Haus leer sein. Im März 2018 wird abgerissen. Doch: "Der Hauseigentümer hat das Pech, dass wir keine Anstalten machen auszuziehen", sagt Philipp Maurer. Auch die zwei Miteigentümer des Gebäudes, die auch hier wohnen, wollen bleiben. Trotzdem: Die Maurers sollen bis Ende Mai ihre "Vorstellungen" an CPI weiterleiten. Es solle eine "Win-win-Situation" werden, so das Immobilienunternehmen. "Wir bestehen selbstverständlich auf unser Mietrecht, aber ich höre mir gerne an, was CPI unter dieser Win-win-Situation versteht", so Maurer weiter.

Uneinigkeit bei Sanierungsmöglichkeiten

Dass es weder an der Fassade noch im Inneren des Gebäudes irreparable Schäden gibt, steht sowohl für die Maurers als auch für Scherer fest. "Wir würden uns wünschen, dass das Haus saniert wird und ein Dachgeschoßausbau folgt. So würde neuer Wohnraum geschaffen werden", erklärt Leonore Maurer. Eine andere Art von "Win-win", denn neuer Wohnraum bedeutet mehr Profit. Anders sieht das jedoch CPI: Trotz der Betonung im Projektfolder, dass es sich beim Gebäude um ein "attraktives Wiener Gründerzeitgebäude" mit "aufwendig strukturierte Fassade" handelt, steht der Abriss für das Unternehmen fest. Ernst Kreihsler von CPI begründet die Entscheidung gegenüber der "Wiener Zeitung" damit, dass einige Wohnungen sowie der Gangbereich schief sind, dies sei für künftige Wohnungsnutzer nicht zumutbar. Kurzum: Das Haus ist "beim besten Willen bautechnisch nicht sanierbar", so Kreihsler.

Trotzdem wurden in den letzten fünf Jahren einige Sanierungsarbeiten am Gebäude durchgeführt: Die hofseitige Fassade wurde restauriert, die Dachrinnen, die Wasserleitung sowie die gangseitigen Fenster neu gemacht.

Selbst wenn die Frage der Sanierbarkeit zugunsten der Bewohner ausgeht, ist eine Bewilligung oder Prüfung vonseiten der Stadt gar nicht notwendig. Denn weder das Gebäude noch das Fasanviertel gilt als Schutzzone. "Steht ein Haus nicht in einer Schutzzone, ist nur eine Meldung des Eigentümers nötig, um es abzureißen. Dadurch gehen jedes Jahr dutzende historisch wertvolle Gebäude verloren", erklärt Scherer.

Anfang März wurde daher in einer Sitzung der Landstraßer Bezirksvertretung ein Antrag auf Prüfung des Fasanviertels als Schutzzone mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und Wien Anders angenommen. Nun liegt der Ball bei der zuständigen Stadträtin Maria Vassilakou.

Einige Mitglieder der Bezirksvertretung besichtigten das betroffene Gebäude bereits und hoffen nun auf eine Einigung zugunsten der Mieter: So würde Rudolf Zabrana (SPÖ), Bezirksvorsteher-Stellvertreter und Vorsitzender im Bauausschuss des dritten Bezirks, einen "Abbruch des letzten historistischen Wohnbaus bedauern". Die grüne Klubobfrau Ulrike Pilgram, ebenfalls Mitglied im Bauausschuss, ist sich sicher, dass "bautechnische Lösungen für das Sanieren des Gebäudes bestehen." Die von CPI genannte Schieflage des Gebäudes kann sie bestätigen. Gleichzeitig betont sie, dass dies auch in anderen Altbauten der Fall sei. Auch Susanne Empacher (Wien Anders) hat kein Verständnis dafür, dass - wie schon in anderen Fällen - nicht nach Alternativen zum Abriss gesucht wird. "Wohnen sollte so ausgerichtet sein, dass man keiner Willkür oder Spekulation ausgeliefert ist", erklärt sie.