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"Das ist mir zu technisch"

Von Solmaz Khorsand und Bernd Vasari

Politik

Asfinag-Geschäftsführer Walcher über Inputs von Bürgern und Worst-Case-Szenarien.


Wien. Derzeit wird eines der größten Infrastrukturprojekte der Republik verhandelt. 19 Kilometer, knapp 2 Milliarden Euro. Die Rede ist von der Verlängerung der S1 Schnellstraße von Süßenbrunn bis zum Knoten Schwechat - inklusive dem 8,2 Kilometer langen Lobautunnel unter dem Nationalpark Donau-Auen. Seit 14 Jahren ist das Projekt der republikseigenen Autobahngesellschaft Asfinag in Planung. Politik und Wirtschaft machen sich für die Schnellstraße stark, Umweltorganisationen halten dagegen. 2015 attestierte das Verkehrsministerium dem Projekt eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die Gegner gingen gegen den Bescheid in Berufung. Derzeit wird er am Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Asfinag-Geschäftsführer Alexander Walcher nimmt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Stellung zur langen Verfahrensdauer und spricht über potenziell absinkendes Grundwasser und löchrige Sicherheitsnetze.

"Wiener Zeitung": Herr Walcher, es dauerte 30 Monate, bis die Asfinag von der Einreichung des Projekts S1 Schnellstraße/Lobautunnel alle Unterlagen beisammen hatte und diese zur öffentlichen Auflage bereit gelegt werden konnten. Was hat so lange gedauert?

Alexander Walcher: Das ist sicher das komplexeste Straßenbauprojekt, das in Österreich je errichtet wurde. Es sind tausende Seiten von Unterlagen, die hier gewälzt werden.

Wir fragen deshalb, weil immer wieder die zu lange Verfahrensdauer vonseiten der Asfinag kritisiert wird. Dabei ist es gesetzlich geregelt, dass bis zur öffentlichen Auflage nur ein Jahr vergehen darf.

Das österreichische UVP-Regime ist für Gewerbeanlagen aufgesetzt worden. Eine Gewerbeanlage, die punktuell funktioniert, ist etwas anderes als ein Linienvorhaben mit vielen Standortgemeinden und Beteiligten einer Schnellstraße. Überlagert wurde das Projekt auch vielfach von rechtlichen und gesetzlichen Änderungen. Deswegen werden uns immer wieder zusätzliche Unterlagen abverlangt, um das einzuarbeiten. Ja, es sollte ein Jahr dauern. Aber aufgrund der Komplexität der Sachlage ist es im Infrastrukturbereich nicht möglich, das in einem Jahr abzuhandeln.

Kritisiert werden von Ihrer Seite auch immer wieder die Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen. Sie würden das Verfahren mit ihren Gutachten aufhalten.

Das ist eine Unterstellung. Das sage ich so nicht. Ich komme selber aus dem Umweltbereich. Ich bin Landschaftsökologe.

Das heißt, das Verfahren an sich dauert einfach zu lange? Mittlerweile sind fast neun Jahre seit der Einreichung des Projekts vergangen.

Es gibt schon einen Punkt. Es ist natürlich eigenartig, wenn sich Bürgerinitiativen über die lange Dauer und über die Qualität der Unterlagen beschweren, aber permanent ihre Punkte einbringen, die wir wieder berücksichtigen müssen. Aber das ist demokratiepolitisch ihr Recht. Und das ist gesetzlich so verankert. Damit habe ich kein Problem. Dass, was ich mir als Projektwerber wünschen würde, ist, dass es einen Stichtag mit Ende des Ermittlungsverfahrens gibt. Bis zu dem sollten die Stellungnahmen eingebracht werden können. Die Einwände von Bürgern sind aber wertvolle Inputs für uns. Etwa von Bürgern, die seit Generationen vor Ort wohnen und eine regionale Beobachtung haben.

Geht es Ihnen nicht auf die Nerven, wenn für so ein Milliardenprojekt ein paar Häuser im Weg stehen?

Das geht mir nicht auf die Nerven. Da habe ich ganz einen professionellen Zugang. Da versuche ich, eine Lösung mit der Bevölkerung zu finden. Letztendlich ist die Abwägung von öffentlichen Interessen natürlich auch zu berücksichtigen. Aber in 98 Prozent aller unserer Fälle kommt es zu keinen Behördenverfahren. Landläufig sagt man auch Enteignung dazu. Aber nicht, weil wir Unsummen von Geld dafür zahlen, sondern, weil wir immer ein faires Angebot machen.

Mit dem Bau des Götschkatunnels in Oberösterreich ist das Grundwasser abgesunken, Wald- und Wiesenböden sind daraufhin ausgetrocknet. Gutachter haben zuvor im Verfahren davor gewarnt. Hat die Asfinag die Gutachten nicht ernst genommen?

Wir haben in unseren Szenarien natürlich auch eine Absenkung des Grundwasserhaushalts prognostiziert. In unsere Prognose war dieses Szenario, das letztendlich eingetreten ist, aber nicht das wahrscheinliche. Wir haben 300 Tunnel in Österreich. Es ist das einzige Projekt, wo so ein Szenario eingetreten ist. Dort müssen wir uns der Situation stellen.

Auch in der Donaustadt gibt es einen hohen Grundwasserspiegel. Nicht ohne Grund werden Schnell- und U-Bahnen zumeist in Höhenlage gebaut. Wie soll gewährleistet werden, dass beim Bau des Lobautunnels nicht dasselbe wie in Oberösterreich passiert?

Der Götschkatunnel ist in keinster Weise mit der Lobau vergleichbar, weil wir hier nicht mit Sprengungen arbeiten werden. Der Lobautunnel wird mit einem Hydroschild gebaut. Das heißt, eine Tunnelbohrmaschine bohrt sich durch den Berg. Sobald diese durch ist, wird dahinter betoniert und abgedichtet. Durch die Abdichtung wird das System wieder geschlossen, sodass es zu keinen Veränderungen des Grundwasserhaushalts kommen kann.

Warum wird dann die Einspeisung von Wasser aus der Neuen Donau in den Nationalpark in die Gutachten mitreingenommen, wenn keine Gefahr des Absinkens besteht?

Weil wir in verschiedenen Szenarien sicherstellen müssen, dass es zu keiner Veränderung des Grundwasserhaushalts kommt. Wir schließen in unseren Szenarien aus, dass es zu einer Vertrocknung kommen kann. Trotzdem ist die Auflage der Behörde, dass es gerade in einem ökologisch sensiblen Bereich wie in dem Nationalpark eine andere Möglichkeit geben muss, sollte es wider Erwarten zu Problemen kommen.

Laut Informationen der Stadt Wien findet die Einspeisung nur im Sommer statt. Es gibt also keine Wasserzufuhr im Winter, auch nicht nach Hochwasser. Das Sicherheitsnetz Ihres Szenarios hat daher schon im Vorhinein Lücken.

Es gibt diesen blöden alten Spruch: Es gibt nichts Schwierigeres, als die Zukunft zu prognostizieren. So ist es natürlich auch mit Szenarien. Wir gehen mit bestem Wissen, mit unseren technischen Know-how, mit allem, was wir haben, davon aus, dass wir auch unwahrscheinliche Szenarien abdecken können. Und das gelingt uns bei 99,9 Prozent der Fälle. Es wäre nicht richtig zu sagen, dass dort etwas passieren wird, was aus unserer Sicht als total unwahrscheinlich gesehen wird.

Ihr Sicherheitsnetz ist aber schon die Einspeisung durch die Neue Donau?

Das weiß ich nicht. Das ist mir zu technisch. Das kann ich nicht beantworten.

Die Asfinag hat 11,5 Milliarden Euro Schulden. Das Projekt rund um den Lobautunnel wird knapp zwei Milliarden Euro kosten. Wie sollen die Schulden abgebaut werden?

Das Finanzierungsmodell der Asfinag wird weltweit als vorbildlich und beispielgebend gesehen. Wir finanzieren uns ausschließlich aus den Einnahmen von Maut und Vignette. In der Langfristplanung gibt es den Punkt, wo nicht mehr neu gebaut wird. Die Höchstverschuldung wird im Jahr 2023/24 insgesamt 14 Milliarden Euro erreichen. Wenn danach nicht mehr neu gebaut wird, dann ist die Rückzahlung der Schulden bei zwei Milliarden Euro Einnahmen im Jahr, die wir derzeit haben, mittel- und langfristig auch gewährleistet.

Das heißt, die Schulden können nur zurückgezahlt werden, wenn nicht mehr gebaut wird?

Wir haben die fiktive Schuldentilgungsdauer, die jedes Jahr errechnet wird. Wenn wir heuer aufhören würden, neue Strecken zu bauen, dann haben wir in weniger als 20 Jahren alle unsere Schulden abgebaut. Weltweit würden sich andere Administrationen und Gesellschaften wünschen, so eine Situation zu haben.