Wien. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, das Thema aktueller denn je. "Seit 40 Jahren hat die Volksanwaltschaft die Aufgabe Sachverhalte, die mit Raumordnung, Stadtplanung und Flächenwidmung zu tun haben, zu prüfen und darüber nachzudenken", sagt Volksanwältin Gertrude Brinek, die mit diesen Worten die neue Veranstaltungsreihe - in Kooperation mit der Kammer der Ziviltechniker - einläutet. Im Fokus der Diskussion steht die Frage: "Was bedeutet öffentliches Interesse an der Stadt?" "Öffentlicher Raum läuft Gefahr, aufgrund der leeren Kassen vermehrt privatisiert zu werden, von Privaten definiert oder kontrolliert zu werden. Kurzfristig wird Geld durch städtebauliche Verträge eingenommen, langfristig nimmt sich die Öffentlichkeit den Gestaltungsspielraum", betont Peter Bauer, der Präsident der Kammer der Ziviltechniker, der vier Fragen in den Mittelpunkt rückt: "Wann oder soll überhaupt öffentlicher Raum privatisiert werden? Wie geht man in einer Stadt mit dem, was vorerst noch allen gehört, um? Wie können Widmungsgewinne gerecht verteilt werden? Und welche Planungsinstrumente braucht die Stadt, um zukünftige Zielvorstellungen der Bürger umzusetzen?"
72.900 Euro Miete für Turnsaal
Es gebe keine objektive wissenschaftliche Methode, die einzige Lösung sei eine offene Diskussion der Betroffenen, der Politiker und der Stadtexperten, sagt Bauer, der fordert, dass städtebauliche Verträge, die zwischen Investoren und der Stadt abgeschlossen werden, transparent und einsehbar sein sollten. "Dies würde auch allen Investoren Sicherheit bieten, und nicht nur jenen, die sogenannte gute Verbindungen haben. Es gibt keinen Grund, städtebauliche Verträge geheim zu halten. Es muss öffentlich diskutiert, öffentlich verhandelt und auch öffentlich gestritten werden. Die Bürger sollen das Gefühl haben, dass Wien ihre Stadt ist", erklärt er.
Agnes Lier von der Volksanwaltschaft rückt zwei geplante Wohnbauprojekte, die von der Volksanwaltschaft geprüft wurde, in den Mittelpunkt: Das Heumarkt-Projekt mit dem umstrittenen Luxuswohnturm von Investor Michael Tojner - und die Danube Flats, ein 160 Meter hoher Wohnturm an der Neuen Donau der Soravia Group, die für ihr Immobilien-Projekt mit "Wien bekommt ein neues architektonisches Wahrzeichen" wirbt. "Aus Sicht der Volksanwaltschaft ist es nicht gelungen, der Öffentlichkeit darzulegen, dass ihr Interesse bei der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes gewahrt wurde und im Vordergrund stand." Denn es werden keine leistbaren, sondern Luxuswohnungen geschaffen, die der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich sein werden.