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Faktenbasierte Wohnpolitik

Von Valentine Auer

Politik
Nicht die Unzufriedenheit mit der Wohnsituation, sondern das mangelnde Angebot an Wohnungen sei das Problem, mit dem Wien zu kämpfen habe, behauptet der VII.
© Rösner

Laut einer Umfrage sind die Wiener mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Trotzdem gibt es Handlungsbedarf im Wohnrecht, erklären Experten.


Wien. Es ist Populismus und keine faktenbasierte Diskussion. So lautet die Kritik von Wolfgang Louzek an den derzeit geführten Auseinandersetzungen über das Mietrecht. Er ist Präsident des "Verbandes der Institutionellen Immobilieninvestoren" (VII) und gab als solcher eine Umfrage in Auftrag, die 1000 Wiener über die Wohnsituation in der Stadt befragte. Das Ergebnis zeigt unter anderem, dass 75 Prozent der Befragten mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind und dass sie im Bereich des sozialen Wohnbaus sozialer eingestellt sind, als es in der Realität der Fall sei. Ergebnisse, die schon seit Jahren klar wären, aber von der Politik ignoriert würden, sagt Louzek. Die Forderungen, die der VII aus den Ergebnissen ableitet, sind für Wohnrechtsexperten jedoch nur schwer nachvollziehbar.

Mieten steigen:(K)ein Mythos

Nicht die Unzufriedenheit mit der Wohnsituation, sondern das mangelnde Angebot an Wohnungen sei das Problem mit dem Wien zu kämpfen habe. Die von der Wiener Stadtregierung geforderte Einführung einer Mietzinsobergrenze würde dazu führen, dass noch weniger gebaut wird. Eine Gefahr, vor der nicht nur VII-Präsident Louzek warnt, sondern die auch dem Wohnrechtsexperten der Arbeiterkammer (AK) Walter Rosifka bewusst ist. "Wenn ich eine Mietzinsobergrenze einführe und alles über einen Kamm schere, wäre das natürlich nicht gescheit", so Rosifka. Stattdessen brauche es eine "intelligente Mietzinsobergrenze", die den freifinanzierten Neubau noch nicht betrifft. Elke Hanel-Torsch von der "Mietervereinigung Wien" betont, dass dies auch geplant sei - eine Obergrenze soll bei freifinanzierten Neubauten erst nach 20 Jahren greifen.

Wie sinnvoll eine Mietobergrenze betrachtet wird, hängt wohl auch von der Wahrnehmung der derzeitigen Mietpreise ab. Während Experten immer wieder auf die steigenden Mieten in Wien verweisen, spricht der VII diesbezüglich von einem Mythos. Statistiken, die zeigen, dass Mieten regelmäßig über der Inflationsrate steigen, müssen mit Vorsicht betrachtet werden, denn es handelt sich dabei ausschließlich um neu abgeschlossene Mietverträge, so Louzek. Laut Stadtforscher Robert Temel sind die Bruttomieten insgesamt in Wien jedoch von 2008 bis 2014 um 24 Prozent gestiegen. Das ist etwa das Doppelte des Verbraucherpreisindexes. Und das inklusive neu abgeschlossener Mietverträge.

Die Gründe dafür sieht Temel u.a. an der Liberalisierung des Mietrechtgesetzes in den 1990er Jahren - insbesondere im Bereich der Befristungen: "Heute sind mehr als zwei Drittel aller neuen Mietverträge befristet. Wenn man als Mieter seine Wohnung behalten will, muss man auch Mietpreise akzeptieren, die nicht haarscharf dem Mietrechtsgesetz entsprechen."

Laut der Mieterbefragung, die im Auftrag des VII von "meinungsraum.at" durchgeführt wurde, sind die Befragten bei einer Übersiedelung durchaus gewillt, mehr Miete zu bezahlen. Laut Temel fehlt jedoch eine weitere Frage: "Mich würde interessieren, ob die Leute gefragt wurden, ob sie etwas teurere Mieten auch akzeptieren würden, wenn sie dabei nur einen befristeten Vertrag kriegen und damit rechnen müssen, dass die Miete alle paar Jahre wieder steigt."

Eingriffe in alte Mietverträge schwächen Konsum

Im Bereich der Altmietverträge fordert der VII zudem eine "schrittweise und sozial verträgliche Anpassung von Altmieten an das Marktniveau". 60 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Miete an die Qualität und nicht an das Baujahr des Wohngebäudes gebunden sein soll. Im Falle einer grundlegenden Sanierung sieht mehr als die Hälfte ein, dass die Miete erhöht werden kann.

AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka befürchtet bei einem Eingreifen in die alten Mietverträge jedoch negative Folgen, die die Betroffenen zu spüren bekommen, aber auch der Staat: "Die Immobilienwirtschaft tut immer so, als wäre sie die einzige Wirtschaft auf der Welt. Doch steigende Altbaumieten haben negative Auswirkungen auf den Konsum und damit auf die übrige Wirtschaft."

Auch für Temel ist ein Anpassen der Altmietverträge angesichts der Mietpreissteigerungen der falsche Weg. Es stimme zwar, dass der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen in Österreich noch nicht extrem hoch ist. Zahlen der "Statistik Austria" zeigen, dass dieser in den Städten mit 26 Prozent deutlich höher ist als am Land und bei den privaten Mietern mit 33 Prozent deutlich höher als im Eigentum. Besonders hoch ist der Anteil mit 43 Prozent bei den untersten Einkommensschichten.

Sozialer Wohnbau fürsozial Schwache

Ein weiteres Problem mit dem Wien zu kämpfen habe, ortet Louzek im sozialen Wohnbau, denn dieser kommt nicht tatsächlich den sozial Schwachen zu Gute - wenn das die Befragten glauben: 73 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass in Gemeindewohnungen der Stadt Wien zwischen 50 und 70 Prozent sozial Bedürftige leben. Laut Louzek sind ist es nur ein Viertel. Die Einkommensgrenze für Gemeindewohnungen schätze die Mehrheit geringer ein (bis zu 1500 Euro) als sie tatsächlich ist (3192,85). Die daraus abgeleitete Forderung des VII: Eine regelmäßige Überprüfung der Förderwürdigkeit und eine Anhebung des Mietzinses, wenn diese nicht gegeben ist.

Hanel-Torsch begrüßt die relativ hohe Einkommensgrenze hingegen, da es der sozialen Durchmischung diene: "Gemeindewohnungen nur noch an die Ärmsten der Armen zu vergeben, wie das bereits oft gefordert wurde, würde soziale Brennpunkte schaffen und zu einer Stigmatisierung der Bewohner führen", so die Wiener Landesvorsitzende der Mietervereinigung.

"Die aktuelle schwierige Situation liegt unter anderem daran, dass die Regierung sich seit vielen Jahren auf keine Reform einigen kann und somit ein Gleichgewicht des Schreckens herrscht", sagt Temel zum Handlungsbedarf vonseiten der Politik. Als wichtigstes Thema für die Zukunft identifiziert er eine Bodenpolitik, die leistbare Grundstücke ermöglicht. Die Forderungen des VII kann Temel nicht unterschreiben, denn: "Eine Faktenbasierte Wohnbaupolitik sieht eindeutig anders aus."