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"Es geht nicht ums Verbieten"

Von Alexandra Laubner

Politik
Markus Reiter will in seinem Bezirk als Erstes eine Mobilitätsberatung einrichten.
© Arnold Burghardt

Eines der Hauptthemen des neuen Neubauer Bezirksvorstehers ist die Mobilität.


Wien. Markus Reiter wird heute als Neubauer Bezirksvorsteher angelobt und folgt Thomas Blimlinger, den ersten grünen Bezirksvorsteher Wiens. Reiter sitzt von Beginn an, seit Neubau grün regiert wird, im Bezirksparlament. Der 46-Jährige ist Gründer und Geschäftsführer der Obdachlosenhilfe Neunerhaus, möchte in Neubau eine Mobilitätsberatung installieren und plädiert für mehr Mut bei den Grünen.

"Wiener Zeitung":Ist es ein guter Zeitpunkt für Grünpolitiker, hauptberuflich in die Politik zu wechseln und den Brotjob aufzugeben?Markus Reiter: Oft bergen Zeiten der Krisen Chancen der Veränderungen. Und, dass ich harte Herausforderungen annehmen kann, habe ich schon gezeigt.

Sie werden am Donnerstag angelobt, was wird Ihre erste Amtshandlung sein?

Ich werde in den nächsten Wochen ganz viel im Bezirk unterwegs sein, um die Menschen kennenzulernen, damit sie mich kennenlernen. Und um eine Grundlage für ein gemeinsames Tun im Bezirk zu schaffen.

Apropos unterwegs sein im Bezirk, Thomas Blimlinger hatte ein Dienstfahrrad - wie werden Sie unterwegs sein?

Ich fahre auch liebend gerne mit dem Rad. Ich habe ein cooles privates Fahrrad. Aber schauen wir mal, ob ich für offizielle Anlässe mit dem Dienstfahrrad gemütlich durch den Bezirk kutschieren werde. Ich wusste nicht einmal, dass es heutzutage noch Dienstfahrräder gibt, stelle es aber gerne dem Büroteam zur Verfügung.

Eines Ihrer Hauptthemen ist die Mobilität. Was sind Ihre Schwerpunkt?

Es gibt noch immer eine Trennung zwischen Rad-, Öffi- und Autofahrern. Mein Mobilitätsverständnis ist ein anderes. Wenn wir in die Zukunft blicken, kann ich nur appellieren, unterschiedliche Möglichkeiten zu nutzen. Mir ist es ein Anliegen, die Carsharing-Angebote und die E-Mobilität ausbauen. Und wir werden eine Mobilitätsberatung bekommen.

Wie kann man sich das vorstellen?

Ich weiß, dass viele nicht wissen, wie Carsharing funktioniert. Die Mobilitätsberatung soll auch eine persönliche Analyse abdecken, wo etwa der Fragen nachgegangen wird, wie viel Geld man für die Mobilität ausgibt? Wir werden die Mobilitätsberatung nächstes Jahr starten - das ist einer meiner ersten Aktivitäten.

Haben Autos noch Platz?

Was den motorisierten Verkehr betrifft, wäre es eine Möglichkeit, dass Autos zwar zur Verfügung stehen, aber man sie nicht unbedingt besitzen muss, um damit vielleicht an der Oberfläche mehr Platz zu schaffen. Ich sage jetzt keck, dass nicht so viele Stehautos notwendig sind, um das gleiche Mobilitätsbedürfnis abzudecken. Ich möchte als Grüner auch ein neues Signal setzen: Es geht nicht ums Verbieten, es geht um eine effizientere Nutzung.

Sie wollen die Burggasse und die Neustiftgasse verkehrsberuhigen. Wie soll das funktionieren?

Das sind langfristige Projekte und das geht nicht von heute auf morgen. Zuerst braucht es einmal eine Geschwindigkeitsreduktion. Ich werde an die Wiener Linien herantreten, denn für die Öffis gilt die 30er-Tempo-Beschränkung nicht und auch Taxis und Fahrtendienste brausen mit 50 km/h durch. Dann müssen wir mit der Stadt klären, ob wir die zwei Durchzugsstraßen auf eine reduzieren, oder ob wir beide Straßen verkehrsberuhigen können.

Aufgrund des U2-Ausbaus könnte auch die Begegnungszone bei der Kirchengasse ausgebaut werden. Sind Sie dafür, dass die Anrainer abstimmen, oder dass der Bezirk entscheidet?

Ein Entweder-oder entspricht nicht meinem Demokratieverständnis. Der Prozess, dass es zu einem Entscheidungsvorschlag kommt, muss in zwei Schritte passieren. Nach welchen Kriterien entscheiden wir? Und wie können wir mit Experten und Betroffenen die Lösung erarbeiten? Erarbeiten heißt tun, diskutieren, austauschen und einen Konsens finden. Wenn eine Lösung da ist, sollte man als Politiker entscheiden, will ich dazu noch eine Ja-Nein-Befragung, oder übernimmt die Bezirksvertretung die Verantwortung über die Entscheidung.

Was war der Fehler bei der Heumarkt-Abstimmung der Grünen?

Ich tue mir schwer etwas, was in der Vergangenheit passiert ist, zu bewerten, wo ich nicht involviert war. Da sehe ich mich jetzt als Neuen.

Sie werden aber eine Meinung dazu haben?

Wir wissen, dass es mehr als unglücklich gelaufen ist. Die Zuspitzung auf die parteiinterne Urabstimmung war viel zu spät und hatte eine eskalierende und nicht eine lösende Strategie zur Folge. Es war de facto ein Dilemma da, das kaum zu lösen war.

Was müssten die Grünen tun, um fit für die Wien-Wahl 2020 zu sein?

Eine programmatische Schärfung und die Frage beantworten, was unser Zukunftsbild von der Stadt ist. Das fehlt mir seit der letzten Regierungsvereinbarung ein wenig. Das zweite ist, wie gehen wir mit dem Regieren um? Und da gibt es Nachschärfungspotenzial und es wäre wichtig darzulegen, wo die grüne Position und wo die sozialdemokratische Position ist. Natürlich birgt es immer die Gefahr, dass dies Fronten schafft, aber es wäre ein Weg es sichtbar zu machen, dass es in einer Koalition zwei Parteien gibt, die unterschiedliche Zugänge haben. Dazu braucht es Offenheit und Mut.

Fehlt den Grünen der Mut?

Ein Stück weit hat er uns in der Vergangenheit gefehlt. Es wurde schon ein bisschen weichgezeichnet. Man hat sich zurückgehalten und hat auf das Eigene vergessen.

Gibt es in Wien eine Zukunft mit oder ohne Maria Vassilakou?Sie hat es so formuliert: Nichts ist nach dem 15. Oktober sakrosankt. Und an das halte ich mich.

Bei der Abschiedsrede für Blimlinger hat Vassilakou gesagt, er hätte ein weiches Herz, aber einen legendären, unnachahmlichen Grant. Welcher Ruf eilt Ihnen voraus?

Uns Oberösterreicher wird ein bisschen das Freundliche, das Gemütliche, das Nette nachgesagt - das habe ich sicher. Aber, wenn es um die Sache geht, dann habe ich den Zug zum Tor. Dann bin ich ein Macher, ein Durchsetzer und ein Ermöglicher. Aber ich bin nicht einer, der stur nach vorne geht, ich bin schon auch ein Antreiber, aber ich schaue auch nach links, nach rechts und wenn es notwendig ist auch nach hinten.

Neubau ist der erste grüne Bezirk Wiens, Sie waren von Anfang an seit 2001 als Bezirksrat dabei. Was waren die schwierigsten Zeiten?

Die Mariahilfer Straße. Das ist sehr an die Substanz gegangen.

Sie wohnen derzeit nicht in Neubau. Soll ein Bezirksvorsteher in seinem Bezirk wohnen?

Ich weiß, dass ich nicht der erste und auch nicht der einzige Bezirksvorsteher wäre, der nicht im Bezirk wohnen würde, aber ich habe kein Geheimnis daraus gemacht. Ein Bezirksvorsteher sollte seinen Bezirk und viele der Lebensrealitäten kennen, um gute Entscheidnungen treffen zu können. Deshalb halte ich es für relevant, als Bezirksvorsteher im Bezirk zu wohnen. Das war auch für mich ein Entscheidungskriterium. Und das musste ich vorab mit meiner Familie klären.