Herr Knoflacher, können Sie bitte genauer erklären, wie man Ihrer Meinung nach den Verkehr in einem Stadtentwicklungsgebiet ohne zusätzliche Anbindungen bewältigen kann?

Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf die Bezirke jenseits der Donau plus die Umsetzung des bereits beschlossenen ÖV-Konzeptes bringt insgesamt mehr Entlastung als ein Tunnel, der einen massiven Impuls Richtung Autoverkehr setzen würde.

Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

Meine Aussage beruht auf soliden Berechnungen des Verhaltens der Stadt Wien, der Bevölkerung und der Wirtschaft in Wien und auf den Zielen der Stadt: Die hat nämlich beschlossen, den Anteil der verschiedenen Verkehrsträger in eine bestimmte Richtung zu verschieben. Also vom Auto zum öffentlichen Verkehr. Aber der Lobautunnel widerspricht eindeutig diesen Zielen. Ich hätte nichts dagegen, wenn man die Südosttangente abtragen würde und den Lobautunnel baut. Aber den Tunnel zusätzlich zu bauen, wird nicht dem entsprechen, was sich die Stadt Wien erwartet. Und das sind keine Plausibilitätsbetrachtungen, sondern harte Fakten.

Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, die A23 abtragen?

Man könnte sie anders organisieren. Sie wäre nicht die erste Autobahn, auf der man eine Spur für den öffentlichen Verkehr einrichtet. Sie können auf so einem Streifen - und das gibt es bereits im Ausland - pro Stunde 30.000 Personen befördern. Das heißt, mit zwei Fahrstreifen könnte man den Großteil des gesamten Individualverkehrs von dort wegbringen. So etwas nennt sich Verkehrsmanagement - und man kann auf den Tunnel verzichten.

Schicker: Glücklicherweise ist in allen Verkehrskorridoren Wiens ein Rückgang des motorisierten Individualverkehrs feststellbar, weil der ÖV ausgebaut ist und eine Radinfrastruktur hergestellt wurde. Die Bevölkerung in der Donaustadt wächst aber deutlich. Der Bezirk wird bald 200.000 Einwohner haben und gemeinsam mit Floridsdorf größer als Graz sein. Ich glaube, dass wir uns darauf einigen können, dass - sobald der Tunnel steht und der Verkehr dort hinaus verlagert werden kann -, man den öffentlichen Verkehr entlang der A23 attraktiver machen kann. Allerdings wohnt unmittelbar an der A23 kaum jemand. Es geht dort um Gewerbegebiete, die ausgebaut wurden und gar nicht so viel ÖV-Anschluss brauchen. Der ist eher dort notwendig, wo Siedlungen entstehen - und zwar rechtzeitig, so wie bei der Seestadt. Überfällig ist jetzt die Verlängerung der Linie 25 und 26, damit eine Vernetzung mit der Seestadt hergestellt wird. Für Betriebsansiedelungen ist allerdings auch ein Anschluss an die Autobahn nötig. Und das in brauchbarer Distanz. Denn Unternehmen wie etwa die Firma Hörbiger können ihre Rohstoffe nicht mit den Öffis anliefern.