Also geht es nur um die Reindustrialisierung?

Es geht um beides. Denn durch das Bevölkerungswachstum wird der Individualverkehr summenmäßig mehr und diese Verkehrsleistung ist nicht mehr auf dem vorhandenen Straßennetz unterzubringen. Wenn ich parallel dazu in den Ortskernen reduzieren will - also etwa in Hirschstetten, Aspern, Essling, Süßenbrunn, Stadlau und anderen -, dann ist es notwendig, eine Alternative für die 20 Prozent Individualverkehr anzubieten. Nicht nur für die 80 Prozent.

Jetzt sind wir genau zu dem Punkt gelangt, wo es sich spießt oder?

Knoflacher: So ist es. Aber ich hatte dieselbe Diskussion schon an der Wende der 1960er, 1970er Jahre, als es darum ging, wie die Bewohner Wiens den ersten Bezirk erreichen sollen und wie sich die Wirtschaft dort entwickeln kann. Das Denken war im Rathaus damals ein komplett anderes. Es gab den Entwurf für Autobahnen an der Donau, entlang des Donaukanals und Gürtels, auch statt dem Naschmarkt und so weiter. Und schon damals war mein Zugang genau das Gegenteil, und der damalige Stadtrat hat mich hinauskomplimentiert mit meinen Ideen, einen Radverkehr in der Stadt zu machen. Und schauen Sie sich an, wie es heute ist. Meine Aufgabe war es schon immer, die Stadt nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten. Und heute sage ich: Wir haben zwar viele Autos auf der Tangente, aber gar nicht so viele Menschen. Der Besetzungsgrad beträgt nur etwa 1,2. Damals, nach dem Einsturz der Reichsbrücke wurde an die Bevölkerung appelliert, das Auto gemeinsam zu nützen. Und es hat funktioniert: Auf den übrigen Donaubrücken gab es einen Besetzungsgrad von 1,8. Das heißt 50 Prozent höher als vorher - und die Verkehrssituation entspannte sich. Das heißt, das System regelt sich von selbst. Wenn ich aber den Regler auf Öffnung des Autoverkehrs drehe, regelt sich der Verkehr auch von selbst - allerdings genau in die andere Richtung. Und zwar nicht nur in Bezug auf das Verkehrssystem, sondern auch im Bezug auf die Strukturentwicklung.

Und was ist mit den Betriebsansiedelungen?

Der Industrie-Investor geht dorthin, wo es billigen Grund gibt und wo es am meisten Platz gibt. Und der ist nicht in Wien, sondern außerhalb. Und dann sitzt er dort und verlangt nach ÖV- und Autobahn-Anschluss - und die Entwicklung findet wieder außerhalb statt. Die Tangente wird durch die Lobauquerung nicht entlastet, sondern es entsteht neues Potenzial für Autoverkehrsentwicklung.

Schicker: Der Vergleich mit der Innenstadt ist nicht zulässig. Wir haben hier alle paar hundert Meter eine U-Bahn-Station und das gibt es in der Donaustadt nicht. Das würde ökonomisch auch wenig Sinn machen.